ERKELENZ (dpa) — Der Konflikt um das von Klimaaktivisten besetzte Dorf Lützerath an der Abbruchkante des Rheinischen Tagebaus spitzt sich zu — die Räumung könnte bald beginnen. Auch Luisa Neubauer hat sich angekündigt.
Die Aktivisten in Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler wollen die geplante Räumung wochenlang verzögern. «Wir hoffen, dass wir Lützerath sechs Wochen lang halten können», sagte Dina Hamid, Sprecherin der Initiative Lützerath. Derzeit befänden sich 700 Menschen in dem in dem Erkelenzer Ortsteil.
Geplant seien unter anderem Sitzblockaden sowie die Besetzung von Baumhäusern und Hütten. Die aus wenigen Häusern bestehende Ortschaft liegt unmittelbar an der Abbruchkante des Tagebaus. Die Räumung wird in naher Zukunft erwartet.
Zu einem «Dorfspaziergang» — Lützerath besteht aus nur noch wenigen ehemaligen Gehöften und Häusern — wird auch die Klimaaktivistin Luisa Neubauer erwartet. Sie rief Unterstützer dazu auf, ebenfalls zu kommen. «In Lützerath ist die Grenze des Weiter-so erreicht», sagte Neubauer der Deutschen Presse-Agentur. «Die Politik traut sich noch nicht, das anzuerkennen, aber die Zivilgesellschaft schon.» Die Kohle müsse im Boden bleiben. «Seit Jahren erleben wir die Klimafolgen, im Sommer 2022 wüteten in ganz Europa die gravierendsten Waldbrände, die Zerstörung muss aufhören, die bisher durch die deutsche Politik und Wirtschaft befeuert wird.»
Am Sonntag bekräftigten Vertreter eines aus mehreren Gruppen bestehenden Aktionsbündnisses «Lützerath unräumbar» ihre Entschlossenheit, der Räumung entgegenzutreten. In dem Bündnis haben sich unter anderem Organisationen und Initiativen wie Ende Gelände, Fridays for Future, Alle Dörfer bleiben und Letzte Generation zusammengeschlossen.
Zuvor hieß es, auch ein «öffentliches Aktionstraining für die geplanten Aktionen zivilen Ungehorsams» sei geplant. Zudem will die Kölner Band AnnenMayKantereit ein Konzert in dem besetzten Ort spielen. «Lützerath muss bleiben. Deswegen machen wir dort am Sonntag Musik» schrieb Sänger Henning May bei Instagram.
Klimaexperte sieht «Bruch mit den Pariser Klimazielen»
Am Samstag waren erneut zahlreiche Aktivisten nach Lützerath angereist. Shuttlebusse brachten sie von nahegelegenen Bahnhöfen in das unwegsame Gelände. In einem Camp auf einem Feld im benachbarten Stadtteil Keyenberg wurden mehrere neue Zelte aufgebaut. Kohlegegner, die sich in dem ländlichen Ortsteil niedergelassen haben, leben in besetzten Gebäuden, Zelten und Baumhäusern. Die ursprünglichen Bewohner sind längst weggezogen. Die Umsiedlung von Lützerath und umliegender Orte begann im Jahr 2000.
In den sozialen Netzwerken riefen Initiativen unter anderem mit dem Hashtag #LuetzerathUnraeumbar dazu auf, sich am Widerstand gegen die Räumung zu beteiligen. Auf den Straßen von Lützerath wurden weitere Barrikaden errichtet, unter anderem betonierten Aktivisten Gasflaschen in die Fahrbahnen ein, um diese unpassierbar zu machen.
Der Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid sagte der dpa, in Lützerath entscheide sich, ob es die Ampel-Regierung mit dem Klimaschutz ernst meine. «Die Kohle unter Lützerath zu verfeuern, bedeutet den Bruch mit den Pariser Klimazielen. Wir brauchen die Kohle unter dem Dorf nicht mehr und können es uns schlichtweg nicht leisten, diesen klimaschädlichsten aller Energieträger weiter zu verbrennen.» Das Profitinteresse von RWE dürfe keinen Vorrang vor dem Allgemeinwohl, dem Schutz des Planeten und dem Erhalt der Lebensgrundlagen haben.
Der Energiekonzern RWE will das rheinische Lützerath abreißen, um die darunterliegende Kohle abzubauen. Dies sei nötig, um die Energieversorgung sicherzustellen, sagt der Konzern. Der Tagebau ist bereits nah an die verbliebenen Gebäude herangerückt. Aktivisten, die in dem verlassenen Weiler leben, haben Widerstand angekündigt, doch die schwarz-grüne NRW-Landesregierung will das Dorf von der Polizei räumen lassen — möglicherweise schon in wenigen Tagen. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits. Die Landesregierung verweist darauf, dass im Gegenzug der Kohleausstieg um acht Jahre auf 2030 vorgezogen worden sei.