BERLIN (dpa) — Die Lage für Medien­schaf­fen­de hat sich in einigen Ländern verschärft. Der russi­sche Angriffs­krieg macht die Ukrai­ne zu einem gefähr­li­chen Ort für Repor­ter. Einer der neuen Brenn­punk­te ist der Iran.

Noch nie haben so viele Journa­lis­ten auf der Welt wegen ihrer Arbeit im Gefäng­nis geses­sen wie in diesem Jahr. Der Verein Repor­ter ohne Grenzen (RSF) zählte mit dem Stand 1. Dezem­ber 533 Medien­schaf­fen­de weltweit, die hinter Gittern waren, nur weil sie berich­tet haben. «Mehr als ein Viertel von ihnen wurde im Verlauf des Jahres inhaf­tiert.» Das geht aus der «Jahres­bi­lanz der Presse­frei­heit 2022» hervor, die die Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­ti­on veröf­fent­licht hat. Die drei Länder mit den meisten Gefan­ge­nen aus der Medien­bran­che sind demnach China, Myanmar (früher Birma) und der Iran. Aber auch zum Beispiel in Russland greife der Staat hart durch.

Repor­ter ohne Grenzen hat bisher nie eine so hohe Zahl regis­triert. «Schon im vergan­ge­nen Jahr hatte die Zahl der Inhaf­tier­ten um 20 Prozent zugenom­men, damals auf 470. In diesem Jahr fiel der Anstieg mit 13,4 Prozent etwas gerin­ger aus.» Doch die enorm hohe Zahl zeige eines erneut: «Autori­tä­re Regime gehen verstärkt dazu über, stören­de Journa­lis­tin­nen und Journa­lis­ten einfach wegzu­sper­ren. In den meisten Fällen machen sie sich nicht einmal die Mühe, sie vor Gericht zu bringen», hieß es vom RSF.

Nur etwas mehr als ein Drittel der inhaf­tier­ten Medien­schaf­fen­den wurde verur­teilt. Die verblei­ben­den zwei Drittel sitzen ohne Gerichts­ver­fah­ren im Gefäng­nis. «Manche von ihnen warten seit mehr als 20 Jahren auf ihren Prozess», so Repor­ter ohne Grenzen.

Journa­lis­ten müssen im Unter­grund arbeiten

«In China haben Zensur und Überwa­chung ein extre­mes Ausmaß erreicht. Nach wie vor ist das Land das größte Gefäng­nis für Medien­schaf­fen­de weltweit.» Hongkong inbegrif­fen, so RSF, sitzen 110 Medien­schaf­fen­de dort in Haft. «In Myanmar ist Journa­lis­mus inzwi­schen faktisch eine Straf­tat, wie die große Zahl der nach dem Militär­putsch vom Febru­ar 2021 verbo­te­nen Medien zeigt.» 62 Inhaf­tier­te aus der Branche gibt es dort. «Das Regime im Iran wieder­um hat nur wenige Wochen gebraucht, um sein Land auf dieser Liste auf den dritten Platz zu bringen. Dort sitzen knapp zwei Monate nach dem Ausbruch der massi­ven, landes­wei­ten Protes­te momen­tan 47 Journa­lis­tin­nen und Journa­lis­ten im Gefängnis.»

Auch in Russland greift die politi­sche Führung seit dem Einmarsch in die Ukrai­ne im Febru­ar 2022 hart durch, wie die Organi­sa­ti­on berich­te­te. «Fast alle unabhän­gi­gen Medien in Russland wurden im Laufe des Jahres verbo­ten, gesperrt, zu «auslän­di­schen Agentin­nen und Agenten» erklärt — oder alles zusammen.»

Die meisten der im Land geblie­be­nen Medien­leu­te seien gezwun­gen, angesichts der drako­ni­schen Strafen im Unter­grund zu arbei­ten: Wenn sie «falsche Infor­ma­tio­nen» über die russi­sche Armee verbrei­ten, drohen ihnen bis zu 15 Jahre Gefäng­nis. «Mindes­tens 18 Medien­schaf­fen­de sind derzeit inhaf­tiert, darun­ter auch acht aus der Ukrai­ne. Sie waren auf der Krim verhaf­tet worden, die Russland 2014 annek­tiert hat und die nun russi­schem Recht unter­liegt», hieß es vom RSF.

Ukrai­ne eines der gefähr­lichs­ten Länder für Reporter

Im Jahr 2022 sind außer­dem deutlich mehr Journa­lis­tin­nen und Journa­lis­ten bei ihrer Arbeit ums Leben gekom­men als im Vorjahr. Weltweit seien 57 Medien­schaf­fen­de gestor­ben, teilte RSF mit. Im Vorjahr seien es noch 48 gewesen, rund ein Fünftel weniger.

Einer der Gründe für den Anstieg war der russi­sche Angriffs­krieg in der Ukrai­ne. Zwei Jahre lang war die Zahl der Toten gesun­ken. Die gefähr­lichs­ten Länder waren Mexiko (11 Tote), die Ukrai­ne (8 Tote) und Haiti (6 Tote). «Aufgrund des Kriegs in der Ukrai­ne verdop­pel­te sich (…) die Zahl der bei einem Auslands­ein­satz getöte­ten Medien­schaf­fen­den», bilan­zier­te RSF. «Von den acht Journa­lis­tin­nen und Journa­lis­ten, die seit Kriegs­be­ginn ihr Leben verlo­ren, kamen fünf aus dem Ausland.»

Aber auch außer­halb von Kriegs­ge­bie­ten verlo­ren laut RSF 2022 mehr Journa­lis­tin­nen und Journa­lis­ten bei der Arbeit ihr Leben. «Dieser Anstieg erklärt sich zum einen durch die Aufhe­bung der Reise­be­schrän­kun­gen im Zusam­men­hang mit der Covid-19-Pande­mie.» Medien hätten wieder mehr Menschen vor Ort. «Zum anderen gelang es mehre­ren Staaten nicht, die bei ihnen grassie­ren­de Gewalt einzu­däm­men und Medien­schaf­fen­de zu schüt­zen. Allein in Mexiko wurden mindes­tens elf Journa­lis­tin­nen und Journa­lis­ten ermor­det.» Das sind 20 Prozent der Opfer weltweit. Oft schrie­ben sie über Korrup­ti­on. Zum vierten Mal in Folge war Mexiko für die Branche das gefähr­lichs­te Land.

Fast 80 Prozent der 2022 getöte­ten Medien­schaf­fen­den wurden wegen ihres Berufs oder ihrer Themen gezielt ermordet.