BERLIN (dpa) — Weil er noch höhere Fallzah­len erwar­tet, will der Gesund­heits­mi­nis­ter das Pande­mie­ma­nage­ment anpas­sen. Bund und Länder befas­sen sich damit, wie mit der Knapp­heit bei PCR-Tests umgegan­gen werden kann.

Vor neuen Bund-Länder-Beratun­gen zur Corona-Lage hat sich Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach dafür ausge­spro­chen, die bestehen­den Maßnah­men derzeit beizubehalten.

Der SPD-Politi­ker wandte sich in der «Rheini­schen Post» gegen Verschär­fun­gen — zugleich warnte er: «Aber eine Locke­rung wäre fatal. Wir würden Öl ins Feuer gießen und die Welle beschleu­ni­gen.» Angesichts der rasant steigen­den Infek­ti­ons­zah­len schlägt Lauter­bach eine Priori­sie­rung der beson­ders genau­en PCR-Tests und eine Konzen­tra­ti­on der Kontakt­nach­ver­fol­gung auf bestimm­te Berufs­grup­pen vor.

So will der Minis­ter, dass in vielen Fällen künftig auf einen positi­ven Schnell­test kein PCR-Test folgt. «Mein Vorschlag für die Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz sieht vor, dass künftig nur noch Beschäf­tig­te der kriti­schen Infra­struk­tur einen positi­ven Schnell­test mit einem PCR-Test bestä­ti­gen lassen können», sagte er. Alle anderen, die beispiels­wei­se zu Hause einen positi­ven Schnell­test hatten, sollten diesen im Testzen­trum nur noch mit einem «profes­sio­nel­len Antigen-Schnell­test» bestä­ti­gen lassen.

Beratun­gen am Montag

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz und die Minis­ter­prä­si­den­ten der Länder beraten am Montag über die Lage. Bereits an diesem Samstag sprechen die Gesund­heits­mi­nis­ter über das weite­re Vorge­hen, dabei geht es auch schon um die PCR-Tests.

Im Fokus steht aktuell der Umgang mit der neuen Virus­va­ri­an­te Omikron, die sich rasant ausbrei­tet. Lauter­bach rechnet für Mitte Febru­ar mit mehre­re Hundert­tau­send Neuin­fek­tio­nen pro Tag. Zwar geht Omikron tenden­zi­ell mit milde­ren Verläu­fen einher als die Delta-Varian­te. Es gibt aber Befürch­tun­gen, dass sehr hohe Fallzah­len und massen­haf­ter Perso­nal­aus­fall dennoch zu Belas­tun­gen des Gesund­heits­sys­tems und wichti­ger Versor­gungs­be­rei­che führen könnten.

Deshalb will die Regie­rung das Pande­mie­ma­nage­ment anpas­sen. Lauter­bach hatte bereits angekün­digt, an diesem Wochen­en­de einen Vorschlag für eine Priori­sie­rung bei den knappen PCR-Tests vorzu­le­gen. Ein Verord­nungs­ent­wurf mit Stand Diens­tag­nach­mit­tag sah «eine vorran­gi­ge Befun­dung von Proben­ma­te­ri­al von Beschäf­tig­ten mit Kontakt zu beson­ders vulner­ablen Perso­nen­grup­pen» vor.

PCR-Kapazi­tä­ten sparen

Der Minis­ter argumen­tier­te in der «Rheini­schen Post», die Wahrschein­lich­keit, dass der PCR-Test ein anderes Ergeb­nis anzei­ge als ein profes­sio­nel­ler Antigen-Test, sei «sehr gering bei der hohen Präva­lenz der Omikron-Varian­te». Auch das Schnell­test-Ergeb­nis gehe an das Gesund­heits­amt. «Der PCR-Test ist nicht mehr Voraus­set­zung für die Meldung beim RKI. So sparen wir wichti­ge PCR-Kapazi­tä­ten für den Höhepunkt der Welle.»

Der Deutsche Hausärz­te­ver­band befür­wor­tet es, die PCR-Tests selte­ner einzu­set­zen. «Ich begrü­ße es, wenn PCR-Tests künftig nicht mehr zur Bestä­ti­gung jedes Antigen­tests gemacht werden müssen — gerade wenn die Testka­pa­zi­tä­ten jetzt zur Neige gehen», sagte der Vorsit­zen­de Ulrich Weigeldt dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). «Medizi­nisch ist es nicht sinnvoll, nach einem positi­ven Antigen-Test und eindeu­ti­gen Sympto­men auch noch einen PCR-Test machen zu müssen.»

Der Patien­ten­schüt­zer Eugen Brysch forder­te, Corona-Risiko­grup­pen bei den PCR-Tests zu priori­sie­ren. «Hochbe­tag­te, Pflege­be­dürf­ti­ge, Schwerst­kran­ke und ihre Angehö­ri­gen müssen bei der PCR-Testung an erster Stelle stehen», sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patien­ten­schutz der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung». Kern aller Pande­mie-Maßnah­men sei doch der Schutz der am stärks­ten gefähr­de­ten Menschen. «Jetzt nur Berufs­grup­pen bei den Labor­tests vorran­gig zu behan­deln kann diesem gesell­schaft­li­chen Anspruch gar nicht gerecht werden.»

Zur Nachver­fol­gung der Kontak­te von Infizier­ten sagte Lauter­bach mit Blick auf die erwar­te­te hohe Fallzahl: «Das wird kein Gesund­heits­amt mehr abarbei­ten können, auch nicht mit Hilfe der Bundes­wehr. Wir brauchen daher schnellst­mög­lich einen Fokus der Kontakt­nach­ver­fol­gung, zum Beispiel bei Lehrkräf­ten, medizi­ni­schem Perso­nal, Beschäf­tig­ten von Energie- und Wasser­ver­sor­gern, Einsatz­kräf­ten und anderen Berei­chen der kriti­schen Infrastruktur.»

Locke­run­gen versus Verschärfungen

Hinsicht­lich der Corona-Maßnah­men kamen aus den Ländern bereits Stimmen, von neuen härte­ren Beschrän­kun­gen abzuse­hen — etwa von Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder (CSU). Dieser sagte am Freitag, auf der anderen Seite gebe es auch keinen Anlass dafür, wie etwa in Großbri­tan­ni­en auf ein Corona-Manage­ment völlig zu verzich­ten. Es könne aber nach Lage der Dinge Erleich­te­run­gen geben. Nieder­sach­sens Regie­rungs­chef Stephan Weil sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Es ist nicht die Zeit für Locke­run­gen, aber Verschär­fun­gen sind ebenfalls noch nicht angezeigt.»

Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann knüpf­te die Rücknah­me von Corona-Einschrän­kun­gen an den Verlauf der Omikron-Welle: «Wenn die nächs­ten Wochen zeigen, dass Omikron beherrsch­bar ist und mit milde­ren Mitteln zu bekämp­fen ist, müssen Maßnah­men zurück­ge­nom­men werden», sagte er der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung». «Zur ganzen Wahrheit gehört, dass es Model­lie­run­gen gibt, die im Laufe des Febru­ars eine starke Belas­tung der Kranken­häu­ser prognos­ti­zie­ren.» Man müsse die Lage «genau im Blick behalten».

«Spätes­tens Anfang Febru­ar wird es in den Kranken­häu­sern deutsch­land­weit sehr eng werden, wenn die Infek­ti­ons­zah­len weiter­hin in diesem Tempo steigen», sagte die Vorsit­zen­de der Ärzte­or­ga­ni­sa­ti­on Marbur­ger Bund, Susan­ne Johna, den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. Dabei gehe es nicht nur um steigen­de Patien­ten­zah­len. «Wir erwar­ten, dass in den kommen­den Wochen sehr viele Beschäf­tig­te des ärztli­chen und pflege­ri­schen Perso­nals ausfal­len werden, weil sie sich infiziert haben und in Isola­ti­on müssen.»