AL-SHAMAL (dpa) — Eine «gute» Spiel­vor­be­rei­tung geht anders, findet Oliver Bierhoff. Das FIFA-Diktat zur Kapitäns­bin­de sei ein bewuss­tes Störfeu­er. Die Reakti­on der Verbän­de bringt auch die Spieler in Erklärungsnöte.

Die verlo­re­ne Kraft­pro­be mit dem Fußball-Weltver­band um die «One-Love»-Kapitänsbinde belas­tet nach Einschät­zung von DFB-Direk­tor Oliver Bierhoff auch die sport­li­che Vorbe­rei­tung der Natio­nal­mann­schaft auf den WM-Start gegen Japan.

Der 54-Jähri­ge sprach angesichts des Zeitpunk­tes des FIFA-Diktats von einem spezi­el­len Druck, dem die Spieler ausge­setzt würden, die sich bei dem umstrit­te­nen Turnier in Katar schwer­punkt­mä­ßig auf ihre sport­li­chen Aufga­ben konzen­trie­ren wollten. Kapitän Manuel Neuer und seinen Teamkol­le­gen wird nun vielfach Charak­ter­schwä­che vorgehalten.

«Ich bin nahe am Tages­ge­sche­hen. Es ist echt ärger­lich. Die FIFA sagt, es geht um den Fußball. Es geht darum, dass die Spieler sich gut vorbe­rei­ten können», hatte Bierhoff bei einer gemein­sa­men Stellung­nah­me mit DFB-Präsi­dent Bernd Neuen­dorf im Trainings­zen­trum des DFB-Teams in Al-Shamal gesagt. Die Straf­an­dro­hung der FIFA habe auch Kapitän Manuel Neuer überrascht und enttäuscht, berich­te­te Bierhoff, der den Weltver­band attackierte.

«Die Aktion steht ja nicht erst seit gestern. Sie wissen seit länge­rer Zeit, dass wir die Binde tragen wollten.» Gewar­tet worden sei aber bis zu den ersten Spielen jener europäi­schen Teams, die in Katar mit der symbol­träch­ti­gen Binde für Menschen­wür­de auflau­fen wollten.

«Das ist echt traurig»

Die Entschei­dung sei zeitlich «ganz bewusst» so gesetzt worden, kriti­sier­te Bierhoff: «So eine Druck­si­tua­ti­on, wohl wissend, dass sowohl Spieler als auch Trainer mit den Köpfen beim Spiel sind, es schwer ist, auch inner­halb der Gruppe eine Entschei­dung zu treffen. Das ist echt traurig.»

DFB-Chef Neuen­dorf ließ erken­nen, dass die Spieler gar nicht einge­bun­den wurden in die kollek­ti­ve Entschei­dung der Funktio­nä­re mehre­rer europäi­scher Fußball­ver­bän­de, darun­ter die von England, Deutsch­land und den Nieder­lan­den. «Wir wollen die Spieler nicht so einer Situa­ti­on ausset­zen», begrün­de­te Neuen­dorf. Die Andro­hung sport­li­cher Sanktio­nen seitens der FIFA habe «sehr viel Druck ausge­übt auf die Spieler, die Unruhe hinein­bringt in die Mannschaf­ten. Das ist wirklich nicht das, was man vor so einem Turnier braucht».

Der 61 Jahre alte DFB-Präsi­dent sieht den Verzicht auf das Tragen der Binde als gerecht­fer­tigt an. «Wollen wir die Mannschaft, wollen wir unseren Kapitän einem solchen Risiko ausset­zen, dass wir sport­lich sanktio­niert werden? Da war unsere Antwort, die ganze Debat­te wollen wir nicht auf dem Rücken der Spieler austra­gen», sagte Neuendorf.

Die Thema­tik wird die deutschen Spieler und auch Bundes­trai­ner Hansi Flick in Katar jedoch weiter verfol­gen und beschäf­ti­gen. Bierhoff deute­te andere Aktio­nen für Menschen­rech­te zumin­dest an, indem er sagte: «Das eine ist das, was auf dem Platz passiert. Da gibt es klare Regula­ri­en. Was wir in der Freizeit machen, ist doch eher uns überlassen.»