BERLIN (dpa) — Eine Verwal­tung, die Bürge­rin­nen und Bürgern alle Dienst­leis­tun­gen online anbie­tet: Das ist der Anspruch. Die Reali­tät sieht in Deutsch­land aller­dings anders aus.

Bund und Länder haben ihre selbst­ge­steck­ten Ziele für den Online-Zugang zu Leistun­gen der Verwal­tung weit verfehlt. Auch ein im vergan­ge­nen Mai beschlos­se­ner sogenann­ter Booster, der eigent­lich dafür sorgen sollte, dass 35 beson­ders wichti­ge Leistun­gen rasch flächen­de­ckend online zur Verfü­gung stehen, hat das Problem nicht gelöst. Diese Priori­sie­rung sei den Ländern wichtig gewesen, habe aber insge­samt «noch nicht die gewünsch­te Wirkung entfal­ten», bilan­zier­te das Bundes­in­nen­mi­nis­te­ri­um zum Jahresende.

Langsa­mer Fortschritt

Bund und Länder hatten eigent­lich fünf Jahre Zeit, um ihre Verwal­tungs­dienst­leis­tun­gen zu digita­li­sie­ren. Dazu sollte das Online­zu­gangs­ge­setz (OZG) dienen, das im August 2017 vom Bundes­tag beschlos­sen wurde. Es gab den Ländern Zeit, bis Ende 2022, alle 575 Verwal­tungs­dienst­leis­tun­gen zu digita­li­sie­ren und online anzubieten.

Um den bislang eher trägen Prozess der Digita­li­sie­rung von Verwal­tungs­leis­tun­gen in Deutsch­land voran­zu­trei­ben, soll nun bald ein OZG 2.0 Abhil­fe schaf­fen. Die Ressort­ab­stim­mung zu dem Entwurf für dieses Gesetz werde in Kürze einge­lei­tet, teilte eine Spreche­rin des Innen­mi­nis­te­ri­ums auf Nachfra­ge mit. Der FDP-Digital­ex­per­te Volker Redder sagte der Deutschen Presse-Agentur, er sei optimis­tisch, dass das Vorha­ben im ersten Quartal 2023 im Bundes­tag beschlos­sen werden könne.

Voraus­set­zung dafür, dass es echte Fortschrit­te bei der Online-Verfüg­bar­keit gibt, ist aus Sicht des Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten aber, das auch bei der Regis­ter­mo­der­ni­sie­rung nachge­bes­sert wird. Gegen dieses noch unter dem frühe­ren Bundes­in­nen­mi­nis­ter Horst Seeho­fer (CSU) verab­schie­de­te Gesetz, das den Daten­aus­tausch zwischen Behör­den verbes­sern soll, haben Politi­ker von FDP und Grünen daten­schutz­recht­li­che Beden­ken angemeldet.

Meinun­gen und Kritik

Außer­dem müssen laut Redder, um das Prinzip «Einer für Alle» erfolg­reich umzuset­zen, auf allen Ebenen — Bund, Länder und Kommu­nen — gleiche «Standards angewen­det werden». Gerade hier hakt es auch aus Sicht des Natio­na­len Normen­kon­troll­rats. Malte Spitz, der sich in dem Gremi­um um Verwal­tungs­di­gi­ta­li­sie­rung kümmert, sagte, der dpa: «Anstatt einzel­ne Leistun­gen der Verwal­tung zu digita­li­sie­ren, brauchen wir Standards und gemein­sa­me Basis­kom­po­nen­ten, wie ein Bezahl­sys­tem für alle Ebenen.» Bislang gebe es nicht einmal eine bundes­weit einheit­li­che Defini­ti­on der Verwal­tung für «Einkom­men» — je nach Anlie­gen würden unter­schied­li­che Krite­ri­en zugrundgelegt.

Er kriti­sier­te: «Die rund drei Milli­ar­den Euro aus dem Sonder­ver­mö­gen zur Bewäl­ti­gung der Auswir­kun­gen der Corona-Pande­mie hätten eine echte Chance geboten, beim Online­zu­gangs­ge­setz umzusteu­ern.» Leider sei diese Chance nicht genutzt worden. Die Digital-Exper­tin Joana Cotar sagte: «Das OZG ist kläglich geschei­tert.» Statt der bis Jahres­en­de geplan­ten 575 digita­len Verwal­tungs­dienst­leis­tun­gen könnten deutsche Behör­den ledig­lich wenige Dutzend flächen­de­ckend anbie­ten. Die frakti­ons­lo­se Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te sieht eine Ursache für das Schei­tern in geteil­ten Zustän­dig­kei­ten — etwa zwischen dem Innen- und dem Finanzressort.