BERLIN (dpa) — Nieder­sach­sens Innen­mi­nis­ter hält die AfD in «Teilen für rechtsextremistisch».Und Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Faeser findet, dass es oft dauert, bis Extre­mis­ten aus dem Beamten­ver­hält­nis entlas­sen werden.

Nieder­sach­sens Innen­mi­nis­ter Boris Pisto­ri­us (SPD) sieht inhalt­li­che Schnitt­men­gen zwischen der AfD und «Reichs­bür­gern». «Reichs­bür­ger ist nicht automa­tisch AfD und umgekehrt. Aber es gibt große Schnitt­men­gen – von der Ableh­nung unseres Staates über die prorus­si­sche Haltung bis zur Ameri­ka­feind­lich­keit», sagte er der «Bild am Sonntag».

Die AfD schaf­fe es immer wieder, aus solchen Bewegun­gen Treib­stoff für die eigene Politik zu generie­ren. «Deshalb müssen wir das ernst nehmen und sehr genau auf die AfD gucken, die da ein Kataly­sa­tor ist.»

Pisto­ri­us sagte: «Ich halte die AfD in weiten Teilen für rechts­extre­mis­tisch.» Selbst in Landes­ver­bän­den wie in Nieder­sach­sen, die vor einigen Jahren noch als relativ gemäßigt gegol­ten hätten, gebe es eine «klare Bewegung» ins Rechts­extre­mis­ti­sche. Der Zeitpunkt für ein Verbots­ver­fah­ren gegen die AfD sei noch nicht gekom­men. «Aber wir müssen hingu­cken, prüfen und sammeln, damit wir den Zeitpunkt nicht verpas­sen», meinte Pistorius.

Debat­te um Extre­mis­mus im Staatsdienst

Die Ermitt­lun­gen der Bundes­an­walt­schaft gegen mutmaß­li­che Verschwö­rer aus der «Reichsbürger»-Szene hat die Debat­te über Extre­mis­ten im Staats­dienst zusätz­lich befeu­ert. Ein General­ver­dacht gegen Angehö­ri­ge der Sicher­heits­be­hör­den und der Streit­kräf­te sei zwar unange­bracht, sagte der Präsi­dent des Reser­vis­ten­ver­ban­des, Patrick Sensburg, der «Rheini­schen Post» (Samstag).

Notwen­dig sei jedoch ein «viel konse­quen­te­res Durch­grei­fen» gegen Menschen wie einen der Festge­nom­me­nen, einen Ex-Offizier. Dieser sei bekannt für seine Einstel­lun­gen, gegen ihn gebe es Straf­ver­fah­ren, «und trotz­dem läuft er weiter­hin in Uniform durchs Land und verbrei­tet seine kruden Theorien und dies bei vollen Pensi­ons­be­zü­gen». Solche Menschen müssten viel schnel­ler aus dem Dienst entfernt werden samt Strei­chung der Privi­le­gi­en, die Staats­be­diens­te­ten gewährt werden.

«Zweitens brauchen wir mehr Sensi­bi­li­sie­rungs­maß­nah­men in den robus­ten Einhei­ten von Bundes­wehr, Polizei und anderen Sicher­heits­be­hör­den», sagte Sensburg. Die Mitglie­der des Komman­do Spezi­al­kräf­te der Bundes­wehr und von Spezi­al­ein­satz­kom­man­dos der Polizei hätten einen harten Job, seien schwer bewaff­net und sähen sich zu Recht als Elite. «Das kann aber dazu führen, dass sie abheben, sich für etwas Besse­res jenseits der üblichen Regeln halten», warnte der Reser­vis­ten­ver­bands­chef. Das dürfe nicht passieren.

Auch ehema­li­ge Offizie­re unter den Festgenommenen

Die Bundes­an­walt­schaft hatte am Mittwoch 25 Menschen festneh­men lassen, darun­ter auch frühe­re Offizie­re. 22 der Festge­nom­me­nen wirft sie vor, Mitglied einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung zu sein, die das politi­sche System in Deutsch­land stürzen wollte. Drei weite­re Festge­nom­me­ne gelten als Unter­stüt­zer. Die 23 in Deutsch­land festge­nom­me­nen Beschul­dig­ten sind seit Donners­tag in Unter­su­chungs­haft. Die Bundes­an­walt­schaft sprach zudem von 27 weite­ren Beschul­dig­ten. «Reichs­bür­ger» sind Menschen, die die Bundes­re­pu­blik und ihre demokra­ti­schen Struk­tu­ren nicht anerkennen.

Zu den Beschul­dig­ten gehört auch ein Beamter des Staats­schut­zes beim Landes­kri­mi­nal­amt (LKA) in Nieder­sach­sen, der wegen straf­recht­li­cher Ermitt­lun­gen vom Dienst freige­stellt wurde. Das nieder­säch­si­sche Innen­mi­nis­te­ri­um hatte am Freitag­abend mitge­teilt, der Beamte habe «bereits länger­fris­tig keine Dienst­ge­schäf­te für das LKA Nieder­sach­sen mehr ausge­übt». Nach dpa-Infor­ma­tio­nen ist unter den Festge­nom­me­nen auch ein bereits aus dem Dienst entlas­se­ner Polizist. Der Mann, der auch als Corona-Leugner bekannt war, hatte gegen ein entspre­chen­des Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Hanno­ver Berufung eingelegt.

Mehr Handlungs­mög­lich­kei­ten nötig

Bundes­in­nen­mi­nis­te­rin Nancy Faeser (SPD) will noch in diesem Jahr einen Entwurf für ein Gesetz zur Abstim­mung an die anderen Ressorts der Bundes­re­gie­rung geben, das die Entlas­sung von Extre­mis­ten aus dem Beamten­ver­hält­nis beschleu­ni­gen soll. Dabei geht es dem Verneh­men nach unter anderem darum, dem jewei­li­gen Dienst­herrn mehr direk­te Handlungs­mög­lich­kei­ten einzuräumen.

«Auf allen Ebenen des Staates braucht es hohe Sensi­bi­li­tät hinsicht­lich der Verfas­sungs­treue der Staats­die­ner», sagte der Unions­in­nen­po­li­ti­ker Chris­toph de Vries (CDU) am Samstag. Seine Frakti­on werde aber auch darauf achten, «dass rechts­staat­li­che Prinzi­pi­en nicht verletzt und Beamte nicht vorei­lig und leicht­fer­tig aus dem Staats­dienst entfernt werden können».

Die im Zuge der jüngs­ten Ermitt­lun­gen aufge­deck­ten Umsturz­plä­ne zeigten, dass die sogenann­ten Reichs­bür­ger eine echte Bedro­hung seien, sagte der CDU-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te. Deshalb sei es nicht akzep­ta­bel, dass Infor­ma­tio­nen über die bevor­ste­hen­den Razzi­en frühzei­tig und breit «gestreut wurden». Es stehe zu befürch­ten, dass auch Beschul­dig­te Wind von den geplan­ten Durch­su­chun­gen bekom­men hätten und damit womög­lich auch die Gelegen­heit, Waffen oder andere Beweis­mit­tel beisei­te zu schaffen.