VILNIUS (dpa) — Als Rückver­si­che­rung gegen eine russi­sche Aggres­si­on hofft der Balten­staat auf mehr Präsenz der Bundes­wehr — das steht beim Besuch von Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Pisto­ri­us aller­dings nicht auf der Tagesordnung.

Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pisto­ri­us (SPD) hat einen zweitä­gi­gen Besuch in Litau­en mit der Zusage einer festen militä­ri­schen Unter­stüt­zung für den Schutz des Nato-Partners begon­nen. Nach einem Treffen mit deutschen Solda­ten wollte der SPD-Politi­ker heute die gemein­sa­me Militär­übung «Griffin Light­ning» beobach­ten und in der Haupt­stadt Vilni­us militär­po­li­ti­sche Gesprä­che führen. In Litau­en sind derzeit etwa 1450 Solda­ten aus Deutsch­land, darun­ter eine an den Übungen betei­lig­te Brigade.

«Wir stehen fest an der Seite unserer Partner und Freun­de», sagte Pisto­ri­us am Montag­abend in einer von Nato-Truppen genutz­ten Kaser­ne in Rukla. «Die Sicher­heit Litau­ens ist auch unsere Sicher­heit, und deswe­gen ist dieses Engage­ment so wichtig.»

Litau­en drängt auf möglichst viele Soldaten

Als Reakti­on auf den russi­schen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne hält Deutsch­land seit Herbst vergan­ge­nen Jahres eine Kampf­bri­ga­de zur Vertei­di­gung Litau­ens bereit. Sie ist dort mit einem vorge­scho­be­nen Briga­de­ge­fechts­stand präsent sowie mit Materi­al. Das soll im Spannungs­fall eine umgehen­de Verle­gung der restli­chen Solda­ten möglich machen. In Litau­en wird aber darauf gedrun­gen, dass Deutsch­land mit möglichst vielen Solda­ten und auf Dauer präsent bleibt.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) und der litaui­sche Präsi­dent Gitanas Nause­da hatten im Juni die Truppen­sta­tio­nie­rung als Reakti­on auf Russlands Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne verein­bart. Aller­dings wird die Überein­kunft unter­schied­lich ausge­legt. So geht die Regie­rung in Vilni­us davon aus, dass eine komplet­te Briga­de mit wechseln­der Beset­zung vor Ort in Litau­en statio­niert wird. Die Bundes­re­gie­rung dagegen hat wieder­holt erklärt, eine kampf­be­rei­te Briga­de für Litau­en vorzu­hal­ten, die teils in dem Balten­staat und teils in Deutsch­land statio­niert ist. Im Spannungs­fall solle sie binnen zehn Tagen komplett schnell verleg­bar sein.

«Fangen eines Aals im Wasser mit bloßen Händen»

Die Frage einer Dauer­prä­senz sorgte in Litau­en für innen­po­li­ti­sche Diskus­sio­nen. Zuletzt behark­ten sich dabei vor allem Nause­da und Außen­mi­nis­ter Gabrie­li­us Lands­ber­gis, der auf eine vom Staats­chef brüsk zurück­ge­wie­se­ne nochma­li­ge Forma­li­sie­rung der Verein­ba­rung pochte. In einem Inter­view Anfang März verglich Lands­ber­gis die Situa­ti­on mit der Briga­de bildlich mit dem «Fangen eines Aals im Wasser mit bloßen Händen». Litau­en müsse die Infra­struk­tur für die verspro­che­ne deutsche Briga­de schaf­fen, obwohl es keine endgül­ti­ge Antwort dazu gebe, ob und wann diese in Litau­en eintref­fen werde.

Von deutscher Seite wird darauf verwie­sen, dass letzt­lich erst die Nato eine Richtungs­ent­schei­dung darüber treffen müsse, wie der Schutz an der Ostflan­ke des Bündnis­ses ausse­hen sollte.

Stärke­re Präsenz an Nato-Ostflanke

Nach der russi­schen Annexi­on der ukrai­ni­schen Halbin­sel Krim im Jahr 2014 wuchs bei östli­chen Nato-Partnern der Argwohn gegen Russland. Schon vor dem russi­schen Angriff auf die Ukrai­ne vor einem Jahr verstärk­te die Nato deswe­gen ihre Präsenz entlang ihrer Ostflan­ke. Die multi­na­tio­nal aufge­stell­ten Verbän­de sollen deutlich machen, dass ein Angriff vom gesam­ten Bündnis erwidert würde. Deutsch­land hat die Führung des Gefechts­ver­bands in Litau­en («Rahmen­na­ti­on») und stellt auch Panzer, Panzer­hau­bit­zen und Flugabwehrsysteme.

In dieser Woche soll eine Übung abgeschlos­sen werden, bei der litaui­sche und deutsche Solda­ten die Vertei­di­gung gegen einen Aggres­sor trainie­ren. Die Solda­ten aus Deutsch­land waren dafür seit dem 20. Febru­ar ins Balti­kum verlegt worden — auf dem Seeweg, im Straßen­marsch durch Polen und per Flugzeug. Den Abschluss bildet ein sogenann­tes Gefechts­schie­ßen, bei dem 72 Stunden lang im «schar­fen Schuss» geübt wird.