BERLIN (dpa) — Nun liefert Deutsch­land neben anderen Ländern auch Kampf­pan­zer an die Ukrai­ne. Diese und andere abgege­be­ne Waffen reißen jedoch Lücken bei der Bundes­wehr. Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um will gegensteuern.

Die Bundes­re­gie­rung will die durch Waffen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne entste­hen­den Lücken bei der Bundes­wehr möglichst rasch schlie­ßen. Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pisto­ri­us (SPD) kündig­te dazu Gesprä­che mit der Rüstungs­in­dus­trie an, die womög­lich schon kommen­de Woche statt­fin­den sollen. Aus SPD und Union kommen zugleich Forde­run­gen, die Rüstungs­pro­duk­ti­on in Europa besser zu koordinieren.

Die Bundes­re­gie­rung hatte am Mittwoch die Liefe­rung von Leopard-Kampf­pan­zern an die Ukrai­ne bekannt­ge­ge­ben, auch andere Länder wollen solche Panzer aus deutscher Produk­ti­on nun liefern. Zu den bishe­ri­gen deutschen Liefe­run­gen gehören das Flugab­wehr­sys­tem Patri­ot, Gepard-Panzer zur Flugab­wehr und das Luftab­wehr­sys­tem Iris‑T. Pisto­ri­us hatte vergan­ge­ne Woche Liefe­run­gen von Waffen und Ausrüs­tung an die Ukrai­ne im Wert von einer Milli­ar­de Euro im Frühjahr angekün­digt. Damit steige der Gesamt­um­fang der deutschen Militär­hil­fe seit Beginn des Kriegs auf 3,3 Milli­ar­den Euro.

«Brauchen mehr Rüstungs­in­dus­trie in Deutschland»

Pisto­ri­us sagte in den ARD-«Tagesthemen», die Lücken durch Abgabe von Waffen an die Ukrai­ne kämen zu den Wieder­be­schaf­fungs­de­fi­zi­ten hinzu, die in den vergan­ge­nen Jahren «ordent­lich aufge­häuft» worden seien. «Wir tun jetzt alles, damit schnell wieder­be­schafft wird», beton­te der Minis­ter. Er wolle mit der Rüstungs­in­dus­trie dazu sehr bald Gesprä­che führen, wahrschein­lich schon in der nächs­ten Woche. Pisto­ri­us fügte hinzu: «Wir brauchen mehr Rüstungs­in­dus­trie in Deutsch­land, aber, wie ich finde, auch konzer­tiert in Europa.»

Der SPD-Vertei­di­gungs­exper­te Wolfgang Hellmich bestärk­te Pisto­ri­us in seinem Vorge­hen. «Wir müssen uns sehr schnell mit der Rüstungs­in­dus­trie zusam­men­set­zen, um bei dem Ersatz für die Leopard-Panzer in die Produk­ti­on zu gehen», sagte der vertei­di­gungs­po­li­ti­sche Sprecher der SPD-Bundes­tags­frak­ti­on dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND). «Wir müssen da durch Anschub­fi­nan­zie­rung und langfris­ti­ge Abnah­me­ga­ran­tien zusam­men­kom­men, weil es die Sicher­heit unseres Landes erfordert.»

Der vertei­di­gungs­po­li­ti­sche Sprecher der Unions­frak­ti­on, Flori­an Hahn, nannte es «funda­men­tal wichtig für die Vertei­di­gungs­fä­hig­keit Deutsch­lands, umgehend Leopard-Panzer, Muniti­on und alles weite­re nachzu­be­schaf­fen, was die Bundes­wehr abgeben musste». Der CSU-Politi­ker forder­te in der «Augsbur­ger Allge­mei­nen» eine langfris­ti­ge Unter­stüt­zungs­stra­te­gie, auf die sich auch die Herstel­ler einstel­len könnten.

Scholz kriti­siert frühe­re Minister

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz kriti­sier­te in diesem Zusam­men­hang frühe­re Vertei­di­gungs­mi­nis­ter der Union für Fehler. «In vielen Fällen müssen die Produk­tio­nen neu etabliert werden», sagte der SPD-Politi­ker in der ZDF-Sendung «Was nun, Herr Scholz». So gebe es für viele Waffen nicht genügend Ersatz­tei­le oder Muniti­on. Es gebe im Zusam­men­spiel mit der Indus­trie keine konstan­te Produk­ti­on. «Sowas sollte uns in der Zukunft nicht passie­ren». Nun müsse man die Bundes­wehr in den nächs­ten Jahren so ausrüs­ten, dass sie zur Landes­ver­tei­di­gung fähig sei.

Der Vorsit­zen­de der Europäi­schen Volks­par­tei (EVP), Manfred Weber, forder­te eine Neuauf­stel­lung der europäi­schen Rüstungs­pro­duk­ti­on. «Die europäi­schen Staaten sind derzeit nicht in der Lage, die notwen­di­gen Rüstungs­gü­ter schnell genug bereit­zu­stel­len, weder für unsere eigene Vertei­di­gung noch für die Ukrai­ne», beklag­te der CSU-Vize in den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. Notwen­dig sei «eine Art Kriegs­wirt­schaft in der EU, um Stabi­li­tät und Sicher­heit gewähr­leis­ten zu können». Weber rief die EU-Kommis­si­on auf, «gemein­sa­me Standards für Produk­ti­on und Export von Waffen und Muniti­on zu entwickeln».

Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Pisto­ri­us wollte am Donners­tag auf dem Übungs­platz Alten­gra­bow in Sachsen-Anhalt seinen ersten Truppen­be­such im neuen Amt absol­vie­ren. Dort üben Männer und Frauen des Logis­tik­ba­tail­lons 171 mit Handfeu­er­waf­fen und Panzer­gre­na­die­re trainie­ren im schar­fen Schuss mit dem Schüt­zen­pan­zer Puma.

Pisto­ri­us hatte das Amt vergan­ge­ne Woche übernom­men, nachdem Vorgän­ge­rin Chris­ti­ne Lambrecht den Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) um Entlas­sung gebeten hatte. Die kurze Amtszeit der SPD-Politi­ke­rin war beglei­tet von Dauer­kri­tik und Zweifeln, ob sie der Aufga­be gewach­sen ist, aus den herun­ter­ge­wirt­schaf­te­ten Streit­kräf­ten wieder eine breit gefechts­taug­li­che Truppe zu machen.