BERLIN (dpa) — Für wen soll eine Impfpflicht genau gelten? Welche Sanktio­nen sind geplant? Und mit wie vielen Impfun­gen ist die Pflicht erfüllt? Diese Fragen müssen im Bundes­tag noch geklärt werden. Es gibt erste Vorschläge.

Wenige Tage vor den ersten Beratun­gen über eine Corona-Impfpflicht im Bundes­tag nehmen die Pläne der Befür­wor­ter Kontu­ren an.

Der stell­ver­tre­ten­de SPD-Frakti­ons­vor­sit­zen­de Dirk Wiese, der zusam­men mit anderen Abgeord­ne­ten der Ampel-Koali­ti­on Eckpunk­te einer Impfpflicht ab 18 Jahren vorbe­rei­tet, nennt jetzt Einzel­hei­ten der Pläne: Die Pflicht sollte auf ein bis zwei Jahre befris­tet sein, für nicht mehr als drei Impfun­gen gelten und über Bußgel­der durch­ge­setzt werden, sagt der Innen- und Rechts­po­li­ti­ker der Deutschen Presse-Agentur. Auf ein Impfre­gis­ter will er wegen des zu großen Zeitauf­wands verzich­ten und Ausnah­men vom Amtsarzt kontrol­lie­ren lassen.

Wiese hatte am Freitag zusam­men mit sechs Politi­kern von Grünen und FDP in einem Brief an alle Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­ten außer denen der AfD einen Gruppen­an­trag für eine Impfpflicht ab 18 angekün­digt. Es ist der Antrag, hinter den sich auch Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) stellen dürfte, der eine Impfpflicht ab 18 bereits befür­wor­tet hat. Zu den Initia­to­ren zählt auch der Grünen-Gesund­heits­po­li­ti­ker Janosch Dahmen. «Die Impfpflicht kann zur Befrie­dung der Gesell­schaft beitra­gen, weil sie für Klarheit sorgt», sagte er der «Bild am Sonntag am Sonntag».

Das sind die konkre­ten Pläne der Koalitionsabgeordneten:

Pflicht für nur drei Impfungen

Zwei, drei oder am Ende sogar noch mehr Sprit­zen? Es muss geklärt werden, wie viele Impfun­gen für die Erfül­lung der Pflicht notwen­dig sind. Im Gruppen­an­trag der Koali­ti­ons­ab­ge­ord­ne­ten dürfte die Zahl drei stehen. «Auf der Grund­la­ge der aktuel­len Studi­en kann man sagen, dass man mit drei Impfun­gen eine gute Grund­im­mu­ni­sie­rung gegen einen schwe­ren Verlauf erreicht hat», sagt Wiese. Sollte später eine weite­re Booster­imp­fung für Ältere oder Menschen mit Vorer­kran­kung sinnvoll erschei­nen, sollte sie freiwil­lig sein.

Befris­tung auf ein bis zwei Jahre

«Diese Impfpflicht sollte nicht für immer gelten», sagt Wiese. «Es kann sein, dass wir irgend­wann eine so hohe Grund­im­mu­ni­tät haben, dass man die Impfpflicht nicht mehr braucht.» Bei der Länge der Frist wollen sich die Abgeord­ne­ten auf den Rat von Exper­ten verlas­sen. «Es werden aber sicher­lich nicht nur wenige Monate sein, sondern eher ein bis zwei Jahre.»

Bußgeld als Hauptsanktion

Und über welche Sanktio­nen sollen Ungeimpf­te zur Impfung bewegt werden? Wiese und Dahmen sind für Bußgel­der und gegen Zwangs­maß­nah­men wie eine Erzwin­gungs­haft. Nach dem Gesetz über Ordnungs­wid­rig­kei­ten haben Bußgel­der eine Höhe von fünf bis 1000 Euro, «wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt». Sie könnten für die Impfpflicht also auch noch höher festge­legt werden. Dahmen befür­wor­tet einen «mittle­ren dreistel­li­gen Bereich». Bei Nicht­zah­lung könnte man nach Wieses Ansicht ein indivi­du­el­les Zwangs­geld in Betracht ziehen. «So könnte man bei der Höhe dann auch die persön­li­chen Lebens­ver­hält­nis­se berück­sich­ti­gen.» Die Obergren­ze für ein Zwangs­geld liegt nach dem Verwal­tungs-Vollstre­ckungs­ge­setz bei 25.000 Euro.

Impfre­gis­ter? Aus Zeitgrün­den nicht praktikabel

Die Umset­zung der Impfpflicht könnte über die Erfas­sung von Impfun­gen in einem zentra­len Regis­ter erfol­gen. Dessen Aufbau ist aber aufwen­dig und es gibt Beden­ken von Daten­schüt­zern. «Für die aktuel­le Debat­te ist das aus zeitli­chen Gründen nicht sinnvoll», sagt Wiese. Die Impfpflicht sei ja dazu gedacht, über den nächs­ten Herbst und Winter zu kommen. Der Aufbau eines Impfre­gis­ters würde dafür zu lange dauern. «Es gibt ein paar Ideen, wie man die Bürge­rin­nen und Bürger trotz­dem anschrei­ben kann: über die Kranken­kas­sen oder auch über die Kommu­nen, die die Melde­da­ten haben», sagt Wiese.

Amtsarzt soll Ausnah­men kontrollieren

Dieje­ni­gen, bei denen gesund­heit­li­che Gründe gegen eine Impfung sprechen, werden von der Pflicht befreit. «Da bin ich dafür, dass das dann aber nicht der Hausarzt bestä­tigt, sondern der Amtsarzt», sagt Wiese. Hinter­grund ist, dass es auch unter den Ärzten Impfgeg­ner gibt, bei denen die Befürch­tung besteht, dass sie sehr großzü­gig Ausnah­me­be­schei­ni­gun­gen verge­ben könnten.

Zeitplan: gültig im Sommer

Die Entschei­dung im Bundes­tag soll vor Ende März fallen. Danach muss das Impfpflicht­ge­setz noch in den Bundes­rat, bevor es in Kraft tritt. Anschlie­ßend soll es eine Art Schon­frist geben, in der sich die Ungeimpf­ten immuni­sie­ren lassen können, um Sanktio­nen zu entge­hen. «Der Zeitraum von gut drei Monaten bei der einrich­tungs­be­zo­ge­nen Impfpflicht könnte da Orien­tie­rung bieten», sagt Wiese. Unter dem Strich würde das bedeu­ten: Stimmt der Bundes­tag im März zu, greift die Impfpflicht irgend­wann zwischen Juni und August.

Was macht die Konkurrenz?

Das Konzept der Koali­ti­ons­ab­ge­ord­ne­ten ist nicht konkur­renz­los. Der FDP-Politi­ker Andrew Ullmann berei­tet einen Antrag für eine Impfpflicht ab 50 vor. Bundes­tags­vi­ze­prä­si­dent Wolfgang Kubicki (FDP) hat bereits einen gegen die Impfpflicht vorge­legt. An diesem Montag äußern sich die stell­ver­tre­ten­den Vorsit­zen­den der CDU/C­SU-Frakti­on, Andrea Lindholz und Sepp Müller, zu den Plänen der Union. Kubicki befürch­tet Chaos bei der Umset­zung einer Impfpflicht, weil sich seiner Einschät­zung nach viele Impfgeg­ner trotz Bußgelds verwei­gern werden. «Ein Staat, der nicht umset­zen kann, was er anord­net, gibt sich der Lächer­lich­keit preis. Und das wäre Wasser auf die Mühlen der Verschwö­rungs­theo­re­ti­ker und Corona-Leugner», sagte der FDP-Politi­ker laut «Bild am Sonntag».

Von Micha­el Fischer, dpa