BERLIN (dpa) — Rolf Eden galt mal als Deutsch­lands bekann­tes­ter Playboy, als Disco­kö­nig von Berlin. Lange spiel­te er diese Rolle. Nun ist er im Alter von 92 Jahren gestor­ben. Was nicht viele wissen: Sein Leben hatte noch andere Facet­ten als «Big Eden».

Rolf Eden war ein Mann, der seinen Namen gerne in der Zeitung lesen wollte. Texte mit Überschrif­ten wie «Er hatte 3000 Frauen» hefte­te er in Akten­ord­nern ab.

Auf diese Ordner war er stolz, egal, wie viele Frauen es nun wirklich waren. Erst im hohen Alter klang er realis­ti­scher, schien zu wissen, dass die Zeit natür­lich langsam vorbei war. Nun ist Eden im Alter von 92 Jahren gestor­ben, wie seine Familie am Freitag bekannt­gab. Berlin und Deutsch­lands Talkshows verlie­ren mit dem Mann im weißen Anzug ein Phäno­men: eine Größe im Nacht­le­ben des alten Westens.

Mit seiner Disco «Big Eden» und vielen Anekdo­ten prägte er jahre­lang Berlin. Mit seinem Ruf als Playboy hat er gerne koket­tiert, es war die Rolle seines Lebens. «Ich gebe einer Frau meine Karte», sagte Eden einmal. «Wenn sie klug ist, ruft sie an.» Seinen Nachbarn im Berli­ner Villen­vier­tel Dahlem bot sich wohl öfter ein ähnli­ches Bild, wie es Repor­ter vor Jahren bei einem Besuch sahen: Ein Sonnen­stu­dio-gebräun­ter älterer Mann bringt eine junge Frau zum Taxi vor seiner Haustür.

Sein Schlaf­zim­mer war das «Arbeits­zim­mer»

Eden nannte sich gern einen «Exhibi­tio­nis­ten». Sein angeb­li­ches Programm schil­der­te er Journa­lis­ten ausführ­lich: Zuerst halbtro­cke­ner Sekt der Hausmar­ke «Rolf Eden» an der Hausbar, dann ein geklim­per­tes Liedchen auf dem weißen Klavier und schließ­lich die Nacht im «Arbeits­zim­mer». So bezeich­ne­te Eden sein Schlaf­zim­mer, über dessen Bett große Decken­spie­gel hingen.

Er führe Buch über solche Nächte, beton­te er früher. Aus Angst vor Aids, als Sicher­heit bei Alimen­te-Forde­run­gen und als Bewer­tungs­ska­la — falls die Frau wieder anrufe. Weiße Anzüge und rosa Krawat­ten hingen stets bereit, in der Stadt erkann­te man ihn früher auch am Rolls Royce.

«7 Kinder von 7 Frauen»: Dieser Satz gehör­te zu seinem Reper­toire wie Provo­ka­tio­nen in Talkshows. Doch da waren das Skandal­träch­ti­ge und die gehauch­ten «Huchs» der 50er und 60er Jahre lange vorbei. Sagt man heute nicht einfach Patch­work­fa­mi­lie? Eden hörte das nicht gern. Es klang so alltäg­lich. Seine Kinder und Enkel sollten ihn nicht Papa und Opa nennen. «Sie müssen Rolf sagen», sagte Eden. Alles andere sei schlecht fürs Image.

Zuletzt war es ziemlich ruhig gewor­den um ihn. Die Dokumen­ta­ti­on «The Big Eden» erzähl­te bei der Berli­na­le 2011 von seinem Leben. Seine Freun­din Brigit­te, etwa ein halbes Jahrhun­dert jünger als er, sagt darin: «Er ist in der Puber­tät stecken geblie­ben.» Sein damals 13-jähri­ger Sohn wünsch­te sich, es wären nicht immer «Kamera­fuz­zis» um seinen Vater herum.

Seine Familie floh mit ihm 1933 nach Palästina

Regis­seur Peter Dörfler machte in der Doku nicht den Fehler, Edens Fremd­schäm-Aktio­nen aufzu­lis­ten, sondern zeigte auch eine wenig bekann­te Seite. Eden wurde 1930 als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Die Familie floh drei Jahre später vor den Natio­nal­so­zia­lis­ten nach Palästina.

Dass seine Eltern so klug gewesen seien und Deutsch­land schon 1933 verlas­sen hätten, sei ein Glück gewesen, sagte Eden mal im dpa-Inter­view. Als junger Mann war er dann 1948 Soldat im arabisch-israe­li­schen Krieg in der Einheit von Izchak Rabin.

Als junger Musiker lebte er in Paris. Dort las er in der Zeitung, dass Berlin-Rückkeh­rern eine Prämie von 6000 Mark winkt. Eden eröff­ne­te also in den 1950ern in der Front­stadt des Kalten Krieges seinen ersten Jazzclub. Er etablier­te Strip­tease-Shows nach franzö­si­schem Vorbild, organi­sier­te Miss-Wahlen im Bikini, als Bikinis fast noch als Sünde galten. Als Gastro­nom und Disco­be­trei­ber war er der deutschen Zeit immer ein bisschen voraus.

Eden soll mit den Rolling Stones gefei­ert und mit Ella Fitzge­rald getanzt haben. Einmal ließ sich eine Tänze­rin in einem Eden-Lokal von einem Pferd die Kleider vom Leib ziehen. Er war ein Szene­ken­ner, der morgens lange ausschlief. Wer in den 80er Jahren auf Klassen­fahrt in West-Berlin war, musste ins «Big Eden» am Kurfürs­ten­damm. «Zwei Dinge sind wichtig bei einem Lokal: Die Lage. Und der Inhaber», sagte er mal im Interview.

Im Geschäfts­le­ben wusste er, wann es genug ist. Mit Mitte 70, als nach dem Mauer­fall dann im Berli­ner Osten viel los war, zog Eden sich zurück. Sein «Big Eden» verkauf­te er. Statt­des­sen konnte er von seinen Immobi­li­en gut leben, wie er sagte. Von seinem Image mochte er nicht lassen. «Ein Playboy ist ein Mensch, der jede Sekun­de seines Lebens genießt», laute­te sein Credo.

Er stand für ein Stück altes West-Berlin

Ein Stadt­ma­ga­zin kürte Rolf Eden einmal zum «peinlichs­ten Berli­ner». «Na und?», befand er selbst im Trailer zum Film «The Big Eden». Das sei doch eine Riesen­eh­re. Wie Harald Juhnke oder Günter Pfitz­mann stand der altern­de Playboy für ein Stück altes Berlin. Mit seinen schlüpf­ri­gen Anekdo­ten, die nicht alle witzig fanden, wirkte er irgend­wann wie aus der Zeit gefal­len. Als die Metoo-Zeit kam und nachhall­te, war es still um ihn gewor­den, da war Eden schon sehr alt. Er wollte 100 Jahre alt werden. «Immer nur Glück gehabt» — so hat der Dauer­op­ti­mist seine Biogra­fie genannt. «So war es, das ganze Leben.»

Von Caroli­ne Bock und Ulrike von Leszc­zyn­ski, dpa