REGION — “Nach dem deutli­chen Rückgang in den “Corona-Jahren” 2020 und 2021 befin­det sich die Gesamt­zahl der regis­trier­ten Krimi­na­li­tät erwar­tungs­ge­mäß in etwa wieder auf dem Niveau vor der Pande­mie — die “Corona-Dividen­de” ist damit aufge­braucht”, so Polizei­prä­si­dent Uwe Stürmer bei der Veröf­fent­li­chung der Polizei­li­chen Krimi­nal­sta­tis­tik (PKS) 2022.

Im Zustän­dig­keits­be­reich des Polizei­prä­si­di­ums Ravens­burg wurden im Jahr 2022 insge­samt 30.629 Straf­ta­ten regis­triert. Im direk­ten Vergleich zu dem von der Corona-Pande­mie stark gepräg­ten Vorjahr fällt der Anstieg mit 4.172 Delik­ten auf den ersten Blick sehr hoch aus. Beim Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 zeigt sich die Zunah­me dagegen mit ledig­lich 900 zusätz­lich regis­trier­ten Straf­ta­ten deutlich moderater.

Hohe Zahl coronabe­ding­ter Straftaten

Hinzu kommt, dass ein beträcht­li­cher Teil dieses Anstiegs aus coronabe­ding­ten Straf­ta­ten resul­tiert. So bildet sich beispiels­wei­se der Fall einer Ärztin aus dem Boden­see­kreis, die im Zusam­men­hang mit unsach­ge­mä­ßen Impfun­gen zur Anzei­ge gelang­te, allei­ne mit über 300 zusätz­li­chen Fällen im Bereich der gefähr­li­chen Körper­ver­let­zung in der Statis­tik ab.

Und auch jeder dem Polizei­prä­si­di­um Ravens­burg 2022 bekannt­ge­wor­de­ne sogenann­te “Corona-Spazier­gang” schlägt mit einer Anzei­ge wegen eines Versto­ßes gegen das Versamm­lungs­ge­setz statis­tisch zu Buche. Um die statis­ti­schen Verzer­run­gen durch Corona bei der Bewer­tung der Sicher­heits­la­ge für das Jahr 2022 sachge­recht zu berück­sich­ti­gen, bietet sich daher als Referenz eher ein Vergleich mit den Zahlen des Jahres 2019 anstatt mit den unmit­tel­ba­ren Vorjah­res­wer­ten an. Hier lag die Zahl der Gesamt­straf­ta­ten ohne diese Sonder­ef­fek­te in den Jahren seit 2014 zumeist zwischen 29.000 und 29.700.

Hohe Aufklä­rungs­quo­te — bei nahezu zwei Dritteln aller Delik­te sind die Täter bekannt

“Trotz der Zunah­me der regis­trier­ten Delik­te leben die Menschen in den zu unserem Zustän­dig­keits­be­reich gehören­den Landkrei­sen Ravens­burg, Sigma­rin­gen und Boden­see­kreis deshalb nach wie vor in einer der sichers­ten Regio­nen Deutsch­lands”, bilan­ziert Polizei­prä­si­dent Uwe Stürmer. Die sogenann­te Häufig­keits­zahl (die Zahl der Straf­ta­ten pro 100.000 Einwoh­ner) liegt dabei mit 4.804 im Jahr 2022 immer noch unter dem Landes­durch­schnitt von 4.944. Ebenso übertrifft die Aufklä­rungs­quo­te mit 64,6 % den Landes­schnitt von 61,4 %. “Bei nahezu zwei Dritteln aller Straf­ta­ten im Jahr 2022 sind die Tatver­däch­ti­gen bekannt und können somit der Straf­ver­fol­gung zugeführt werden. Dies darf als klares Signal verstan­den werden: Verbre­chen lohnen sich in unserer Region nicht, zumal wir gerade bei den schwe­re­ren Straf­ta­ten eine oft noch höhere Aufklä­rungs­quo­te erzie­len”, macht Stürmer deutlich.

Einbruchs­kri­mi­na­li­tät auf histo­ri­schem Tiefst­stand, Rückgang insge­samt bei Diebstahlsdelikten

Beim Vergleich mit den Zahlen aus 2019 wurden 2022 in vielen Delikts­be­rei­chen annähernd ähnli­che Werte erreicht, so beispiels­wei­se bei der überwie­gen­den Zahl der Körper­ver­let­zungs­de­lik­te. Bei den Raub- und den Diebstahls­de­lik­ten setzt sich — berei­nigt um die Jahre 2020 und 2021 — der konti­nu­ier­li­che Rückgang weiter fort. “Sehr erfreu­lich ist hierbei, dass sich auch beim schwe­ren Diebstahl und insbe­son­de­re beim Wohnungs­ein­bruch­dieb­stahl der seit Jahren anhal­ten­de Abwärts­trend von 229 Fällen in 2019 auf 158 im vergan­ge­nen Jahr verste­tigt hat. Zum Vergleich: vor zehn Jahren wurden noch 448 Wohnungs­ein­brü­che regis­triert”, ergänzt der Leiter der Krimi­nal­po­li­zei­di­rek­ti­on, Leiten­der Krimi­nal­di­rek­tor Alexan­der Dürr. Ledig­lich beim Laden­dieb­stahl ist selbst im Vergleich mit den Zahlen vor Corona eine signi­fi­kan­te Zunah­me zu verzeich­nen. Dass dieser augen­fäl­li­ge Anstieg auf die gestie­ge­nen Lebens­hal­tungs­kos­ten und dadurch knapper gewor­de­nes “Haushalts­geld” zurück­zu­füh­ren ist, liegt nahe, lässt sich aber nicht belast­bar belegen.

Straf­ta­ten gegen die sexuel­le Selbst­be­stim­mung und häusli­che Gewalt haben zugenommen

Zwei Delikts­fel­der, die ungeach­tet von Corona eine steti­ge Zunah­me verzeich­nen und damit Anlass zur Sorge geben, sind die Straf­ta­ten gegen die sexuel­le Selbst­be­stim­mung und die Fälle häusli­cher Gewalt. In beiden Berei­chen dürften die in den vergan­ge­nen Jahren dazu geführ­ten öffent­li­chen Diskus­sio­nen und auch öffent­lich­keits­wirk­sa­me Aufklä­rungs­kam­pa­gnen (u. a. MeToo, One Billi­on Rising u. a.) zu einem erhöh­ten Anzei­ge­ver­hal­ten geführt haben. Und auch eine Zunah­me von Straf­an­zei­gen von Frauen aus bisher weniger vertre­te­nen Kultur­krei­sen könnte hierzu beigetra­gen haben.

Weiter dürften die mehrfa­chen Verschär­fun­gen des Sexual­straf­rechts in den zurück­lie­gen­den Jahren zu den steigen­den Zahlen beigetra­gen haben, so zuletzt Mitte vergan­ge­nen Jahres bei sexua­li­sier­ter Gewalt gegen Kinder. “Auch, wenn dadurch das Dunkel­feld in diesen Delikts­be­rei­chen weiter aufge­hellt wird, stellen die statis­tisch erfass­ten Taten ledig­lich die Spitze eines Eisbergs dar. Hier dürfen Polizei und Gesell­schaft zum Schutz der Opfer nicht nachlas­sen, diese Straf­ta­ten anzuzei­gen und gegen die Täter konse­quent vorzu­ge­hen”, appel­liert Polizei­prä­si­dent Stürmer.

 Zunah­me der Compu­ter­kri­mi­na­li­tät und des Computerbetrugs

Ebenfalls ungebro­chen ist der Trend zur weite­ren Verla­ge­rung der Krimi­na­li­tät ins Inter­net. Die Fälle von Compu­ter­kri­mi­na­li­tät und Compu­ter­be­trug haben in den letzten Jahren konti­nu­ier­lich und unver­min­dert zugenom­men. Neben den teils hohen “Gewinn­span­nen”, die Cyber­kri­mi­nel­le durch Erpres­sun­gen oder Manipu­la­ti­on von Daten erzie­len können, senkt das Agieren aus der Anony­mi­tät des Inter­nets heraus das Entde­ckungs­ri­si­ko. “Wenn früher eine gute Alarm­an­la­ge und bauli­che Siche­rungs­tech­nik zum Schutz der Werte eines Unter­neh­mens ausreich­te, so muss heute vor allem die betriebs­ei­ge­ne Netzwerk­in­fra­struk­tur gegen krimi­nel­le Cyber­an­grif­fe einer inter­na­tio­nal agieren­den digita­len Mafia geschützt werden, damit es nicht zum Missbrauch von Kunden- oder Auftrags­da­ten oder gar zur existenz­ge­fähr­den­den Störung von Betriebs­ab­läu­fen kommt”, mahnt Leiten­der Krimi­nal­di­rek­tor Dürr eindring­lich zur Vorsorge.

Boom bei Telefonbetrug

Bei den ebenso mithil­fe des Inter­nets began­ge­nen Anrufstraf­ta­ten, dem sogenann­ten “Callcen­ter-Betrug”, ist nach wie vor ein regel­rech­ter Boom festzu­stel­len. Durch breit angeleg­te Aufklä­rungs­kam­pa­gnen des Polizei­prä­si­di­ums Ravens­burg, insbe­son­de­re durch das Referat Präven­ti­on, konnte zwar erreicht werden, dass immer mehr dieser dreis­ten Betrugs­an­ru­fe im Versuchs­sta­di­um ohne Schadens­ein­tritt enden. Dennoch vergeht keine Woche ohne Presse­mel­dun­gen, in denen wir von Opfern berich­ten müssen, die teils hohe Summen an Betrü­ger überge­ben haben und dadurch oftmals in den finan­zi­el­len Ruin gestürzt wurden. Aufgrund einer Änderung der statis­ti­schen Erfas­sung, bei der seit 2020 diese Fälle in der PKS Ausland und nicht mehr in der natio­na­len Krimi­na­li­täts­sta­tis­tik darge­stellt werden, bilden sich die tatsäch­li­chen Fallzah­len derzeit nur unzurei­chend prägnant ab.

Höchst­stand bei Gewalt gegen Polizeibeamte

Leider muss auch in diesem Jahr, nach einem coronabe­ding­ten leich­ten Rückgang, abermals eine massi­ve Zunah­me der Gewalt gegen Polizei­be­am­te bilan­ziert werden. Einzi­ger positi­ver Umstand ist dabei, dass schwe­re­re Verlet­zun­gen von Einsatz­kräf­ten im vergan­ge­nen Jahr glück­li­cher­wei­se die Ausnah­me waren und unsere Kolle­gin­nen und Kolle­gen zumeist mit Blessu­ren davon­ka­men. In rund zwei Dritteln der Fälle standen die Tatver­däch­ti­gen unter Alkoholeinwirkung.

Kriti­sche Einstel­lung gegen­über staat­li­chen Autoritäten

Mitur­säch­lich für die insge­samt mehr als bedenk­li­che Entwick­lung in diesem Delikts­be­reich scheint eine zuneh­mend kriti­sche Einstel­lung gegen­über staat­li­cher Autori­tät durch einen Teil unserer Gesell­schaft zu sein. Gerade während der Pande­mie trat dies in vielfäl­ti­ger Weise offen zutage. Neben der Polizei werden auch andere öffent­li­che Insti­tu­tio­nen wie die Feuer­wehr oder der Rettungs­dienst, Amts- und Mandats­trä­ger und Sonsti­ge immer öfter Ziel von Hass und Hetze bis hin zu körper­li­chen Übergrif­fen. Hier bedarf es klarer Signa­le auf allen Ebenen, dem entschie­den entge­gen­zu­tre­ten und sich hier klar zum Rechts­staat und zu seinen Einrich­tun­gen zu positio­nie­ren. Zudem müssen Tatver­däch­ti­ge wissen oder lernen, dass solche Angrif­fe auf den Staat entspre­chend empfind­lich sanktio­niert werden.

“Die vorge­leg­ten Zahlen sind sicher kein Grund zur Beunru­hi­gung, werden aber Ansporn für uns sein, auch zukünf­tig die Krimi­na­li­täts­ent­wick­lung aufmerk­sam zu verfol­gen, zu analy­sie­ren und bei Auffäl­lig­kei­ten gezielt gegen­zu­steu­ern”, bilan­ziert Polizei­prä­si­dent Uwe Stürmer. “Dabei werden wir einen Fokus vor allem auf die Delikts­be­rei­che legen, die Auswir­kun­gen auf die objek­ti­ve Sicher­heits­la­ge und das Sicher­heits­ge­fühl der Bürger­schaft haben. Wir werden die bisher bereits sehr inten­si­ve Präven­ti­ons­ar­beit weiter ausbau­en und ein beson­de­res Augen­merk auf die stark betrof­fe­nen Opfer­grup­pen wie Kinder, Frauen und ältere Mitmen­schen legen, um diese beson­ders zu schüt­zen. Der zurecht an uns gestell­te Anspruch der Bevöl­ke­rung ist unsere Motiva­ti­on, auch zukünf­tig getreu unseres Leitsat­zes “Unser Ziel — Ihre Sicher­heit” rund um die Uhr dafür einzu­ste­hen, dass die Bürge­rin­nen und Bürger in unserer wunder­schö­nen Region zwischen Boden­see, Allgäu und der Schwä­bi­schen Alb weiter­hin sicher leben können!”