BERLIN (dpa) — Nachdem Ursula von der Leyen ein Treffen mit Präsi­dent Selen­skyj in Kiew angekün­digt hat, fordert Polens Vizeau­ßen­mi­nis­ter selbi­ges vom deutschen Kanzler. Er richtet sich auch an Ex-Kanzle­rin Merkel.

Nach den Kriegs­gräu­eln in der ukrai­ni­schen Stadt Butscha hat der polni­sche Vizeau­ßen­mi­nis­ter Szymon Szynkow­ski vel Sęk Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) aufge­for­dert, zu einem Solida­ri­täts­be­such in die Ukrai­ne zu reisen.

«Wenn er wirklich was tun möchte, sollte er eher nach Kiew fahren, als den russi­schen Präsi­den­ten anzuru­fen», sagte Szynkow­ski vel Sęk der Deutschen Presse-Agentur bei einem Besuch in Berlin. Die Anrufe bei Wladi­mir Putin hätten keinen Sinn und bisher auch nichts gebracht. «Wenn man jetzt diesen Völker­mord ansieht: Mit dem Täter sollte man nicht verhan­deln, man sollte eher dem Opfer helfen.»

EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen hatte am Diens­tag angekün­digt, zusam­men mit dem EU-Außen­be­auf­trag­ten Josep Borrell nach Kiew zu reisen, um dort den ukrai­ni­schen Präsi­den­ten Wolodym­yr Selen­skyj zu treffen. Seit Beginn des Krieges waren nur wenige europäi­sche Spitzen­po­li­ti­ker dort.

«Höchst hefti­ge Sanktio­nen anwenden»

Von Deutsch­land und anderen europäi­schen Staaten forder­te Szynkow­ski vel Sęk ein generel­les Embar­go für russi­sche Energie­lie­fe­run­gen und nicht nur für Kohle, wie es die EU-Kommis­si­on vorge­schla­gen hatte. «Wir müssen höchst hefti­ge Sanktio­nen anwen­den. Der Energie­sek­tor ist daher so wichtig», sagte der Politi­ker. Auf diesem Weg könne die Finan­zie­rung des Krieges gestoppt werden. Polen sei trotz seiner stärke­ren Abhän­gig­keit von russi­schem Öl sofort bereit dazu. Das erwar­te man auch von Deutsch­land — ebenso wie die Liefe­rung schwe­rer Waffen.

Die Rolle, die Deutsch­land im Ukrai­ne-Krieg einge­nom­men habe, sei enttäu­schend, sagte Szynkow­ski vel Sęk. Er habe sich erhofft, dass Berlin eine starke Antwort auf die russi­sche Aggres­si­on geben werde. Das sei aber nicht umgesetzt worden.

Merkel hat «spezi­el­le Verantwortung»

In der Vergan­gen­heit seien viele Politi­ker taub gewesen und hätten nicht auf Warnun­gen vor Putin gehört — auch Ex-Kanzle­rin Angela Merkel (CDU). «Deswe­gen liegt auch bei ihr jetzt eine spezi­el­le Verant­wor­tung. Sie sollte sich äußern. Sie sollte auch eine Stellung­nah­me abgeben», sagte Szynkow­ski vel Sęk. Bundes­prä­si­dent Frank-Walter Stein­mei­er hatte am Montag Fehler in der Russland-Politik der letzten Jahre einge­räumt, Merkel dagegen nicht.

Von den aktuel­len Politi­kern forder­te der polni­sche Vizeau­ßen­mi­nis­ter hinge­gen Taten statt Worte. «Jetzt glaube ich aber, dass die deutschen Politi­ker und die Regie­rung eine gewis­se Chance haben, diese Fehler aus der Vergan­gen­heit zu löschen. Aber dafür brauchen wir jetzt Aktivi­tät, Mut und Taten.»