AUGSBURG (dpa/lby) — Die Hattie-Studie ist seit mehr als einem Jahrzehnt in der inter­na­tio­na­len Bildungs­for­schung ein zentra­les Projekt. Nun wurde die Studie fortge­schrie­ben — und zeigt: Digita­le Medien sind auch in der Pande­mie nicht nur ein Chance, sondern auch ein Risiko.

Schulen müssen sich nach Ansicht des Ordina­ri­us für Schul­päd­ago­gik der Augsbur­ger Univer­si­tät beson­ders um die Handy­nut­zung der Kinder kümmern. Eine starke Smart­phone-Nutzung durch Schüler könne nach wissen­schaft­li­chen Erkennt­nis­sen zu massi­ven Bildungs­rück­stän­den führen, berich­te­te Profes­sor Klaus Zierer aufgrund der neues­ten Ergeb­nis­se der renom­mier­ten Hattie-Studie.

Eine inten­si­ve Smart­phone-Nutzung könne einen Lernrück­stand von bis zu einem Jahr zur Folge haben, sagte er nach Auswer­tung zahlrei­cher inter­na­tio­na­ler Fachstu­di­en. Zudem stehe Handy­nut­zung in Verbin­dung mit Schlaf­stö­run­gen und Cyber-Mobbing, zwei weite­ren Fakto­ren, die den Lernerfolg hemmten, erläu­ter­te Zierer.

Im Bildungs­be­reich werde die Digita­li­sie­rung unermüd­lich erforscht, erklär­te Zierer. Es gebe eine große Anzahl an Studi­en, die darauf hinwie­sen, dass ein unreflek­tier­ter Medien­kon­sum im außer­schu­li­schen Bereich massiv zu Lernrück­gän­gen bei den Kindern führe. «Medien­er­zie­hung ist eine der zentra­len Erzie­hungs­auf­ga­ben unserer Zeit, zu der gerade in der Schule ein umfas­sen­der Beitrag zu leisten ist», sagte Zierer.

Der Lehrstuhl­in­ha­ber arbei­tet seit Jahren mir dem neusee­län­di­schen Bildungs­for­scher John Hattie zusam­men. Hattie hatte vor mehr als einem Jahrzehnt mit seiner Studie «Visible Learning» für weltwei­te Aufmerk­sam­keit gesorgt. Diese Unter­su­chung wird seitdem oftmals für neue pädago­gi­sche Ansät­ze heran­ge­zo­gen und von Hattie und Zierer durch Auswer­tung weite­rer Unter­su­chun­gen fortgeschrieben.

Für die jüngs­te Hattie-Studie seien nun mehr als 1800 Meta-Analysen
— also Studi­en, die andere Studi­en zusam­men­fas­sen — ausge­wer­tet worden, erläu­ter­te Zierer. Damit gingen mittler­wei­le rund 100.000 Einzel­stu­di­en, die auf die Lernleis­tun­gen von 300 Millio­nen Schüle­rin­nen und Schüler zurück­grei­fen, in die aktuel­le Studie ein.

Derzeit werden laut Zierer insbe­son­de­re auch die coronabe­ding­ten Folgen im Bildungs­sys­tem stark erforscht. Dass diese im Hinblick auf die Lernleis­tun­gen zu Rückstän­den geführt haben, sei angesichts der empiri­schen Unter­su­chun­gen eindeu­tig. Die Maßnah­men zur Eindäm­mung der Pande­mie hätten zwar alle Lernen­den getrof­fen, aber «leider beson­ders stark Kinder aus benach­tei­lig­ten Eltern­häu­sern, die bis zu einem Schul­jahr verlo­ren haben», beton­te er.

Zwar seien durch den Digita­li­sie­rungs­schub bei der Ausstat­tung der Schulen Lücken geschlos­sen worden. «Aber ein digita­ler Fernun­ter­richt vermag es nicht, Präsenz zu erset­zen», beton­te er. Was seit mehr als 30 Jahren bekannt sei, sei bestä­tigt worden: «Digita­le Medien revolu­tio­nie­ren einen Unter­richt nicht per se: Ein schlech­ter Unter­richt wird durch digita­le Medien nicht besser. Nur ein guter Unter­richt kann davon profitieren.»