BERLIN (dpa) — Ein Auto rast in Fußgän­ger­grup­pen, die zwischen Gedächt­nis­kir­che und Luxus­kauf­haus KaDeWe in Berlin unter­wegs sind. Erst ein Schau­fens­ter stoppt die Fahrt. Nun steht ein 29-Jähri­ger vor Gericht.

Acht Monate nach der Todes­fahrt am Berli­ner Ku’damm mit zahlrei­chen Opfern aus Hessen hat der Prozess gegen den mutmaß­li­chen Fahrer begon­nen. Die Staats­an­walt­schaft wirft dem 29-Jähri­gen Mord und versuch­ten Mord sowie gefähr­li­che Körper­ver­let­zung vor. Er soll am 8. Juni 2022 mit einem Auto auf dem Kurfürs­ten­damm (Ku’damm) und der Tauent­zi­en­stra­ße mit Absicht in Fußgän­ger­grup­pen gefah­ren sein. Ihm sei dabei bewusst gewesen, dass es Todes­op­fer geben könnte. Das habe er billi­gend in Kauf genom­men, so der Vorwurf. Sein Mandant werde sich dazu zunächst nicht äußern, erklär­te sein Vertei­di­ger am Diens­tag vor dem Landge­richt in Berlin.

Der 29-Jähri­ge, der nach eigenen Angaben die deutsche Staats­bür­ger­schaft besitzt, ist seit der Todes­fahrt in einem Kranken­haus des Maßre­gel­voll­zugs unter­ge­bracht. Ein vorläu­fi­ges psych­ia­tri­sches Gutach­ten legt laut Staats­an­walt­schaft die Schuld­un­fä­hig­keit des Mannes nahe. In einem sogenann­ten Siche­rungs­ver­fah­ren strebt Staats­an­wäl­tin Silke van Swerin­gen die Unter­brin­gung in einem psych­ia­tri­schen Kranken­haus an. Seit mindes­tens 2014 sei der in Armeni­en gebore­ne Mann an einer Schizo­phre­nie erkrankt. Ohne Behand­lung ist aus Sicht der Behör­de zu befürch­ten, dass der Beschul­dig­te weite­re gefähr­li­che Taten begeht.

Auf den Gehweg gerast

An jenem Junitag 2022 soll der 29-Jahre mit der Absicht, viele Menschen zu verletz­ten, zunächst auf den Gehweg am Ku’damm gerast sein, wo sich eine Schul­klas­se aus Nordhes­sen aufhielt. Die 51 Jahre alte Lehre­rin der 10. Klasse der Kaulbach-Schule aus Bad Arolsen kam ums Leben. Ein Kolle­ge sowie elf Schüle­rin­nen und Schüler wurden verletzt, manche lebens­ge­fähr­lich. Auch eine 14-Jähri­ge, die in Berlin zu Besuch war, gehör­te zu den Betroffenen.

Danach habe der Beschul­dig­te «die Fahrt ungebremst fortge­setzt», so Staats­an­wäl­tin van Swerin­gen. «Die Fahrt endete erst, als er ein Schau­fens­ter durch­brach.» Zuvor erfass­te der Wagen eine 32-Jähri­ge, die im siebten Monat schwan­ger war, sowie zwei vor einem Imbiss stehen­de 29 und 31 Jahre alte Männer und verletz­te diese schwer.

Wie der Vorsit­zen­de Richter Thomas Groß zum Prozess­auf­takt erklär­te, besteht bei zahlrei­chen Opfern die Gefahr einer Retrau­ma­ti­sie­rung durch das Verfah­ren. Vor allem den betrof­fe­nen Jugend­li­chen will er darum nach Möglich­keit eine zusätz­li­che psychi­sche Belas­tung durch eine Zeugen­ver­neh­mung erspa­ren. Um ihre Erleb­nis­se gleich­wohl im Prozess berück­sich­ti­gen zu können, sollen frühe­re Aussa­gen verle­sen werden. Er wolle so den jungen Leuten «hier Raum geben, ohne sie in diesen Raum zu zwingen», erklär­te Groß. Elf Opfer sind laut Gericht auch als Neben­klä­ger an dem Verfah­ren beteiligt.

Am ersten Prozess­tag wurde zunächst ein Sachver­stän­di­ger zum Verlauf des Vorfalls gehört. Am zweiten Prozess­tag am 17. Febru­ar plant die zustän­di­ge 22. Straf­kam­mer, den schwer verletz­ten Lehrer aus Hessen als Zeugen zu verneh­men. Bislang hat das Gericht insge­samt zwölf Verhand­lungs­ta­ge geplant. Das Urteil könnte demnach am 21. April gespro­chen werden.