BERLIN (dpa) — Rauchen in der Kneipe? In Bayern undenk­bar, in den meisten Bundes­län­dern aber wegen Ausnah­me­re­ge­lun­gen hier und da möglich. Kriti­ker bemän­geln den «Flicken­tep­pich an Regelun­gen» und sehen den Nicht­rau­cher­schutz unterwandert.

Wer eine Zigaret­te zum Bier möchte, kann dafür in zahlrei­chen deutschen Kneipen drinnen sitzen­blei­ben. Beim Rauch­ver­bot in der Gastro­no­mie gibt es in den meisten Bundes­län­dern Ausnah­me­re­ge­lun­gen. Nur in Bayern, Nordrhein-Westfa­len und im Saarland ist der Nicht­rau­cher­schutz stren­ger. Hier gehen Rauche­rin­nen und Raucher zum Qualmen vor die Kneipentür.

Für die Nicht­rau­cher-Initia­ti­ve Deutsch­land mit Sitz im bayeri­schen Unter­schleiß­heim ist dieser «Flicken­tep­pich an Regelun­gen» ein unhalt­ba­rer Zustand. Ein bundes­wei­tes strik­tes Rauch­ver­bot wäre ihr zufol­ge von Vorteil für Gäste und Beschäftigte.

Der Inhaber des Hofbräu Raucher Stüberl in Hamburg, Peter Krall, sagt: «Es gibt doch genug Nicht­rau­cher­knei­pen, lasst doch die Raucher­knei­pen. Wenn ich mich wirklich daran störe, dann gehe ich da nicht hin.» Auf einer Feier für die Kippe vor die Tür zu gehen, findet er ungemüt­lich, außer­dem sei es laut für die Anwoh­ner. «Die Leute erkäl­ten sich, die Leute frieren, das alles haben Sie bei uns nicht.» In seiner Kneipe gebe es außer­dem seit fünf Jahren eine «riesi­ge Luftaus­tausch­an­la­ge», so dass es deutlich weniger verqualmt rieche als in gewöhn­li­chen Raucher­knei­pen. Er habe viele Kneipen erlebt, die wegen des Rauch­ver­bots pleite gegan­gen seien.

Jeder kann im Freien rauchen

Ernst-Günther Krause von der Nicht­rau­cher-Initia­ti­ve sagt: «Wenn es wirklich nur Raucher wären, die in Raucher­knei­pen gehen, wäre es etwas Anderes.» Aber es gebe einen gewis­sen Gruppen­zwang oder Partner­zwang für Nicht­rau­che­rin­nen und Nicht­rau­cher, mit in Raucher­knei­pen zu kommen. «Da heißt es dann gern “Hab’ dich doch nicht so”.» Aus Sicht des geschäfts­füh­ren­den Vorstands­mit­glieds Krause wird der Schutz der Raucher so über den Schutz der Nicht­rau­cher gestellt, das sei unakzep­ta­bel. Dabei könne doch jeder im Freien rauchen.

«Nach den guten Entwick­lun­gen in Bayern oder in NRW müssen andere Länder jetzt nachzie­hen. Wenn ein großes Land wie Hessen sich dazu entschei­det, das hätte schon eine Signal­wir­kung.» Aller­dings: Derzeit plane die Landes­re­gie­rung nicht, die Regelun­gen im Hessi­schen Nicht­rau­cher­schutz­ge­setz zu verschär­fen, teilt das Sozial­mi­nis­te­ri­um des Landes auf Anfra­ge mit.

Einer der beiden Geschäfts­füh­rer der 2022 eröff­ne­ten Kneipe Lotte am Zoo in Berlin-Charlot­ten­burg sieht es pragma­tisch. «So viele Raucher­bars gibt es gar nicht, man hat gegebe­nen­falls schon einen Vorteil, wenn man das Rauchen erlaubt», sagt Marc Rosen­feld. Auch hier gibt es eine Abluft­an­la­ge, wie er betont. Es rauch­ten aber weniger Gäste als erwar­tet. «Liegt auch daran, dass wir viele Touris­ten zu Gast haben und im Ausland das Rauchen in Kneipen meist nicht mehr erlaubt ist.»

Rosen­feld geht davon aus, dass Deutsch­land da in den nächs­ten Jahren nachzieht. «Ich finde schon, dass Rauchen ein Stück weit zur Kneipen­kul­tur dazuge­hört. Aber es wäre auch kein Weltun­ter­gang, wenn es nicht mehr möglich wäre.»

Der Trend geht eher zur Nichtraucherkneipe

Das Bezirks­amt zählt in Charlot­ten­burg-Wilmers­dorf rund 200 Raucher­gast­stät­ten. Ein Überblick über die zahlen­mä­ßi­ge Entwick­lung liegt hier nicht vor, anders als in Berlin-Mitte, wo das Bezirks­amt einen Anstieg verzeich­net: «2017 gab es 66 Raucher­knei­pen im Bezirk. Aktuell sind dem Bezirk 88 Raucher­knei­pen bekannt.» Berli­ner Nicht­rau­cher bekla­gen aller­dings, dass die Regeln teils nicht einge­hal­ten würden, weder von Wirten noch von Gästen, gerade bei späte­rer Stunde und steigen­dem Alkoholpegel.

Viele deutsche Städte erfas­sen die Anzahl der Raucher­knei­pen nicht statis­tisch. Die Stadt Mainz in Rhein­land-Pfalz teilt mit: «Von der Tendenz her ist jedoch zu beobach­ten, dass der Trend eher zu einer Nicht­rau­cher­knei­pe geht.»

Das Deutsche Krebs­for­schungs­zen­trum (DKFZ) kriti­siert, in Raucher­räu­men und Raucher­knei­pen sei die Tabak­rauch­be­las­tung hoch und der Rauch ziehe auch in angren­zen­de Räume. Nur eine vollstän­dig rauch­freie Umwelt gewäh­re einen umfas­sen­den Schutz vor Passiv­rau­chen. «Daher sollten die Bundes­län­der ihre Nicht­rau­cher­schutz­ge­set­ze überar­bei­ten und eine vollstän­dig rauch­freie Gastro­no­mie, einschließ­lich Verbot der Nutzung von Tabak­er­hit­zern, E‑Zigaretten und Wasser­pfei­fen, einfüh­ren», erklärt die Leite­rin Stabs­stel­le Krebs­prä­ven­ti­on, Katrin Schaller.

Der Branchen­bun­des­ver­band Dehoga bezeich­net die Rauch­ver­bo­te mit klar definier­ten Ausnah­men als guten Kompro­miss. «Es gilt: Dort, wo geges­sen wird, wird nicht geraucht.» Das werde allge­mein akzep­tiert. «In Ländern wie NRW und Bayern mit einem strik­ten Rauch­ver­bot sieht es leider anders aus. Hier sind die Umsät­ze in der geträn­ke­ge­präg­ten Gastro­no­mie einge­bro­chen, viele kleine Eckknei­pen sind mit den Jahren auf der Strecke geblie­ben», heißt es von dem Bundesverband.

In Bayern gibt es seit 2010 ein Rauchverbot

Die Dehoga Nordrhein erklärt rückbli­ckend, die Situa­ti­on sei anfangs schwie­rig gewesen. «Der Unmut hat sich aber längst gelegt, man hat sich gewöhnt», sagt die stell­ver­tre­ten­de Geschäfts­füh­re­rin Isabel Hausmann. «Es ist kein Thema mehr, das Gros unserer Gastro­no­men findet das gut. Solan­ge nicht das Rauchen draußen verbo­ten wird, sind Gäste und Gastro­no­men zufrie­den mit der Situation.»

In Bayern gehen Kneipen­gäs­te seit 2010 zum Qualmen vor die Tür. In einem Volks­ent­scheid hatte sich eine Mehrheit für ein stren­ges Rauch­ver­bot in Gaststät­ten, Clubs, Kneipen und Bierzel­ten ausge­spro­chen. «Natür­lich gab es damals im Nachgang zu der Entschei­dung hefti­ge Diskus­sio­nen», erinnert sich der Geschäfts­füh­rer der Dehoga in Bayern, Frank-Ulrich John. «Aber mittler­wei­le ist das überhaupt kein Thema mehr. Es wird gelebt, es funktioniert.»

Von Chris­ti­ne Corne­li­us, dpa