BERLIN (dpa) — Wer sich gegen Covid-19 impfen lässt, schützt sich damit vor einer schwe­ren Erkran­kung. Auch die Allge­mein­heit profi­tiert: Von Menschen, die das Vakzin erhal­ten haben, geht kein hohes Anste­ckungs­ri­si­ko mehr aus. Das macht mehr Freihei­ten möglich.

Für vollstän­dig gegen Covid-19 Geimpf­te und für Genese­ne soll es nach Auffas­sung der Bundes­re­gie­rung gewis­se Ausnah­men von den gelten­den Kontakt- und Ausgangs­be­schrän­kun­gen geben.

Das geht aus einem am Samstag inner­halb der Regie­rung abgestimm­ten Eckpunk­te­pa­pier hervor, das als Vorbe­rei­tung für den an diesem Montag geplan­ten Impfgip­fel von Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) mit den Regie­rungs­chefs der Länder erstellt wurde.

Die Entschei­dungs­kom­pe­tenz liegt hier zwar beim Bund. Aller­dings war in der vergan­ge­ne Woche verab­schie­de­ten Novel­le des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes festge­legt worden, dass Bundes­tag und Bundes­rat solchen Änderun­gen zustim­men müssen.

In dem Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, was Einrei­se­re­ge­lun­gen angehe sowie den Zugang zu Laden­ge­schäf­ten und bestimm­ten Dienst­leis­tun­gen sollten Menschen, die gegen Covid-19 geimpft sind, und Genese­nen diesel­ben Ausnah­men einge­räumt werden, die bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 100 für negativ auf das Corona­vi­rus Getes­te­te gelten. Bei Einrei­sen aus sogenann­ten Virus­va­ri­an­ten­ge­bie­ten sollen aller­dings keine Erleich­te­run­gen gewährt werden.

«Abhän­gig von der Entwick­lung der Infek­ti­ons­la­ge, der Impfquo­te und der wissen­schaft­li­chen Erkennt­nis­se über die Anste­ckungs­ge­fahr von Geimpf­ten, Genese­nen und Getes­te­ten, werden perspek­ti­visch weite­re Ausnah­men von Schutz­maß­nah­men vorzu­neh­men sein», wird in dem Eckpunk­te­pa­pier der Regie­rung festge­hal­ten. Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung oder das Abstands­ge­bot würden jedoch auch für Geimpf­te, Genese­ne und Getes­te­te noch für einen länge­ren Zeitraum weiter gelten.

Konkret heißt es, für den Bereich von Kontakt­be­schrän­kun­gen sollten Ausnah­men für die mit einem in der EU zugelas­se­nen Vakzin Geimpf­ten und für Genese­ne vorge­se­hen werden, insbe­son­de­re in Gemein­schafts­ein­rich­tun­gen wie Alten- und Pflege­hei­men. «Auch im Bereich der Ausgangs­be­schrän­kun­gen sollen entspre­chen­de Ausnah­men vorge­se­hen werden». Ein Anspruch auf die Öffnung bestimm­ter Einrich­tun­gen — etwa Museen oder Schwimm­bä­der — ergibt sich nach Einschät­zung der Bundes­re­gie­rung aus den für Geimpf­te und Genese­ne festzu­le­gen­den Ausnah­men aber nicht.

Als Genese­ne sollen demnach Menschen gelten, «die ein mindes­tens 28 Tage zurück­lie­gen­des positi­ves PCR-Testergeb­nis nachwei­sen können». Dies gelte bis zu sechs Monate nach der Feststel­lung der Genesung, da solan­ge von einem ausrei­chen­den Immun­schutz ausge­gan­gen werden könne.

In dem Papier, das der Vorbe­rei­tung einer entspre­chen­den Rechts­ver­ord­nung nach dem Infek­ti­ons­schutz­ge­setz dient, wird ausdrück­lich darauf hinge­wie­sen, dass es sich bei Erleich­te­run­gen und Ausnah­men für bestimm­te Perso­nen­grup­pen nicht um die Einräu­mung von Sonder­rech­ten oder Privi­le­gi­en hande­le, «sondern um die Aufhe­bung nicht mehr gerecht­fer­tig­ter Grundrechtseingriffe».

Bundes­jus­tiz­mi­nis­te­rin Chris­ti­ne Lambrecht (SPD) sagte dem «Handels­blatt»: «Wenn feststeht, dass eine Impfung nicht nur vor einer Erkran­kung schützt, sondern auch die weite­re Übertra­gung des Virus verhin­dern kann, muss das bei den Maßnah­men berück­sich­tigt werden.» Dies sei kein Privi­leg für Geimpf­te, sondern ein Gebot der Verfas­sung. Lambrecht verwies auf die Neure­ge­lung des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes. Danach sei die Bundes­re­gie­rung ausdrück­lich dazu ermäch­tigt worden, «beson­de­re Regelun­gen, Ausnah­men und Erleich­te­run­gen für Perso­nen festzu­le­gen, bei denen von einer Immuni­sie­rung gegen das Corona­vi­rus auszu­ge­hen ist».

Das Robert Koch-Insti­tut hatte Mitte April erklärt, nach gegen­wär­ti­gem Kennt­nis­stand sei das Risiko einer Virus­über­tra­gung durch vollstän­dig Geimpf­te spätes­tens ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdo­sis — bezie­hungs­wei­se bei dem Impfstoff von Johnson & Johnson nach der Gabe der ersten und einzi­gen Impfdo­sis — gerin­ger als bei Vorlie­gen eines negati­ven Schnell­tests bei Infizier­ten ohne Symptome.

«Es ist höchs­te Zeit, dass am Montag bei den Bund-Länder-Beratun­gen die Freiheits­rech­te für Geimpf­te auf den Tisch kommen», sagte der innen­po­li­ti­sche Sprecher der FDP-Bundes­tags­frak­ti­on, Konsta­tin Kuhle. Ihm sei unver­ständ­lich, «warum die Bundes­re­gie­rung mit ihren Vorschlä­gen erst nach der Verab­schie­dung der sogenann­ten Bundes-Notbrem­se aus der Deckung kommt».