BERLIN (dpa) — Krieg, Pande­mie, Infla­ti­on — inmit­ten der schlech­ten Nachrich­ten gibt es für die Rentne­rin­nen und Rentner in Deutsch­land eine positi­ve Aussicht. Ihre Bezüge sollen stärker steigen als bisher gedacht.

Die rund 21 Millio­nen Rentne­rin­nen und Rentner in Deutsch­land können sich auf eine kräfti­ge Erhöhung ihrer Bezüge zum 1. Juli einstellen.

So sollen die Renten um 5,35 Prozent in Westdeutsch­land und um 6,12 Prozent in Ostdeutsch­land steigen. Das teilte das Bundes­ar­beits­mi­nis­te­ri­um am Diens­tag in Berlin mit. Somit ist für dieses Jahr die stärks­te Renten­an­pas­sung seit Jahrzehn­ten vorher­ge­sagt. Das Nachrich­ten­por­tal «The Pioneer» berich­te­te zuerst darüber.

Somit fällt die turnus­ge­mä­ße Renten­an­pas­sung abseh­bar deutlich höher aus als zunächst angenom­men. Ende Novem­ber hatte Bundes­ar­beits­mi­nis­ter Huber­tus Heil (SPD) noch 4,4 Prozent genannt. Der Grund ist die positi­ve Lohnent­wick­lung in Deutschland.

Eine monat­li­che Rente von 1000 Euro, die nur auf West-Beiträ­gen beruht, erhöht sich der Progno­se zufol­ge im Juli um 53,50 Euro, eine gleich hohe Rente mit Ost-Beiträ­gen um 61,20 Euro. 

Nachholfak­tor berücksichtigt

Bereits berück­sich­tigt ist die von der Koali­ti­on angekün­dig­te Wieder­ein­set­zung des sogenann­ten Nachholfak­tors. Diese geplan­te Änderung der Berech­nung dämpft die Renten­er­hö­hung; sie würde sonst noch kräfti­ger ausfal­len. Hinter­grund ist, dass es im vergan­ge­nen Jahr trotz eines Einbruchs der Einnah­men wegen der Corona-Pande­mie keine Renten­kür­zung gab, sondern eine Renten­ga­ran­tie noch für eine Nullrun­de gesorgt hatte. Dies soll mit dem Nachholfak­tor ausge­gli­chen werden, der noch gesetz­lich auf den Weg kommen soll.

Auch vor der Nullrun­de im vergan­ge­nen Jahr waren die Renten gestie­gen — aber deutlich weniger stark als für den kommen­den Sommer vorher­ge­sagt. 2020 hatte es ein Renten­plus von 3,45 Prozent im Westen und 4,20 Prozent im Osten gegeben. 2019 hatten die Bezüge in Westdeutsch­land um 3,18 Prozent zugelegt, im Osten um 3,91 Prozent. 2018 waren es 3,22 Prozent (West) und um 3,37 Prozent (Ost). Eine höhere Renten­er­hö­hung im Westen wie für dieses Jahr prognos­ti­ziert gab es zuletzt 1983 mit damals plus 5,59 Prozent.

Die nun angekün­dig­te Erhöhung ergibt sich aus Daten des Statis­ti­schen Bundes­am­tes und der Deutschen Renten­ver­si­che­rung, wie das Minis­te­ri­um weiter mitteil­te. Damit ergebe sich eine Anhebung des bei der Berech­nung zentra­len Renten­werts im Westen von gegen­wär­tig 34,19 auf 36,02 Euro und des Renten­werts (Ost) von gegen­wär­tig 33,47 auf 35,52 Euro. Der Renten­wert gibt konkret in Euro an, wie viel ein Entgelt­punkt in der Renten­ver­si­che­rung wert ist; ein solcher Punkt — berech­net mit einer kompli­zier­ten Formel — ist maßgeb­lich für die Höhe der Rente.

Heil: Renten­sys­tem funktioniert

Heil beton­te: «Ich freue mich, dass wir heute eine deutli­che Renten­an­pas­sung ankün­di­gen können.» Das sei eine gute Nachricht für die Menschen, die durch ihre Arbeit jahre­lang den Laden am Laufen gehal­ten hätten. «Gerade angesichts der aktuel­len Heraus­for­de­run­gen — sei es durch steigen­de Preise oder die inter­na­tio­na­le Krisen­la­ge — ist es wichtig, zu sehen, dass unser Renten­sys­tem funktio­niert», so Heil. Die Entwick­lung der Renten dürfe nicht von der Entwick­lung der Löhne abgekop­pelt werden. Die Renten­an­pas­sung wird in einer Verord­nung festgelegt.

Der Deutsche Gewerk­schafts­bund kriti­sier­te, dass die Erhöhung durch den sogenann­ten Nachholfak­tor gerin­ger ausfal­len soll. DGB-Vorstands­mit­glied Anja Piel sagte: «Weite­re Preis­er­hö­hun­gen drohen, insbe­son­de­re bei den Energie­kos­ten.» Was die Bundes­re­gie­rung in den komple­xen Formeln genau verrech­net habe, sei dem DGB noch nicht bekannt. Die Gewerk­schaf­ten würden aber «jeden Angriff abweh­ren, der darauf abzielt, die Renten weiter von den Löhnen abzukoppeln».

Unions­frak­ti­ons­vi­ze Sepp Müller (CDU) sagte, die Erhöhung gerade auch der ostdeut­schen Renten schmel­ze unter der aktuel­len Infla­ti­ons­ra­te in Höhe von 5,1 Prozent wie Butter in der Sonne dahin. «Die Bundes­re­gie­rung steht in der Pflicht, die Bürge­rin­nen und Bürger bei ihren Lebens­hal­tungs­kos­ten erheb­lich zu entlas­ten», sagte Müller der Deutschen Presse-Agentur. Das gelte für die Sprit- und Energie­kos­ten und für die weite­ren Verteue­run­gen bei den Lebenshaltungskosten.

Erwar­tet wird, dass die Bundes­re­gie­rung demnächst auch Pläne für eine Besser­stel­lung von Menschen vorlegt, die wegen Krank­heit nicht mehr arbei­ten können. Dabei sollen Perso­nen mit Erwerbs­min­de­rungs­ren­ten besser­ge­stellt werden, wie es in Koali­ti­ons­krei­sen hieß.

Für die Renten­be­rech­nung maßgeb­lich ist die vom Statis­ti­schen Bundes­amt erfass­te Lohnent­wick­lung. Die für die Anpas­sung relevan­te Lohnstei­ge­rung beträgt laut Minis­te­ri­um 5,8 Prozent in den alten Ländern und rund 5,3 Prozent in den neuen Ländern. Berück­sich­tigt wird demnach zudem die konkre­te Entgelt­ent­wick­lung der Versi­cher­ten. «Diese hat in diesem Jahr eine deutlich positi­ve Wirkung, weil auch Zeiten der Kurzar­beit verbei­tragt werden», so das Arbeits­res­sort. Wegen der Pande­mie waren die Zahlen der Beschäf­tig­ten in Kurzar­beit stark gestie­gen; der Staat hatte die Zugangs­re­geln erleichtert.

Das Renten­ni­veau beträgt nach der berech­ne­ten Renten­an­pas­sung 48,14 Prozent.

Von Basil Wegener, dpa