LONDON (dpa) — Schrä­ge Brillen und bunte Outfits sind sein Marken­zei­chen. Nach über 50 Jahren im Musik­ge­schäft will Elton John sich zurück­zie­hen. Doch seine Abschieds­tour­nee dauert nun schon einige Jahre.

Nächs­tes Jahr soll endgül­tig Schluss sein. Wenn nichts mehr dazwi­schen kommt, wird sich Elton John 2023 von der großen Bühne verabschieden.

Er wird ein letztes Mal am Klavier Platz nehmen, wie immer auf der linken Seite der Bühne, und Klassi­ker wie «Bennie And The Jets» und «Tiny Dancer» zum Besten geben. Oder «I’m Still Standing», was mittler­wei­le wie das Lebens­mot­to des Musikers wirkt.

Krank­heits- und coronabe­dingt musste seine Abschieds­tour­nee «Farewell Yellow Brick Road» bereits mehrfach unter­bro­chen werden, Auftrit­te wurden verscho­ben. Aber wie ein Stehauf­männ­chen meldet sich Sir Elton, der an diesem Freitag 75 Jahre alt wird, immer wieder zurück.

Auf wenige Musiker trifft die Bezeich­nung Pop-Ikone so sehr zu wie auf den Mann, der am 25. März 1947 als Reginald Kenneth Dwight im Londo­ner Vorort Pinner zur Welt kam. Dass ausge­fal­le­ne Brillen und bunte Bühnen­out­fits eines Tages sein Marken­zei­chen werden würden und er sich nach dem Ritter­schlag der Queen Sir Elton nennen darf, war damals wahrlich noch nicht abzusehen.

«Bevor Elvis kam, bevor es Rock ’n’ Roll gab, war das Großbri­tan­ni­en der 50er Jahre ein ziemlich düste­rer Ort», erinnert er sich in seiner 2019 veröf­fent­lich­ten Autobio­gra­fie «Me, Elton John». «Es war hinter­häl­tig, angst­er­füllt und verur­tei­lend. Es war eine Welt, in der Leute mit grimmi­gem Gesicht hinter dem Vorhang linsten.»

Bis er zum ersten Mal Elvis Presley hörte, war die Pianis­tin Winif­red Atwell das größte Idol des schüch­ter­nen Reggie. Seine Begeis­te­rung für die Musike­rin aus Trini­dad war es wohl auch, die ihn dazu bewegt, als kleiner Junge das Klavier­spie­len zu lernen. Sein stren­ger Vater, ein Royal-Air-Force-Soldat, der nichts vom Rock ’n’ Roll hielt, war erwar­tungs­ge­mäß wenig angetan von den Plänen seines Sohnes, eine Karrie­re als Popmu­si­ker anzustreben.

«Meine Finger sind zu kurz für einen Pianisten»

Mit elf Jahren wurde er an der Royal Acace­my of Music angenom­men, wo er die Lehrer schnell beein­druck­te. Dennoch wurde ihm bald klar, dass er kein klassi­scher Musiker sein wollte. «Meine Finger sind zu kurz für einen Pianis­ten», so John. «Wenn du Konzert­pia­nis­ten auf Fotos siehst, die haben alle Hände wie Taran­teln. Außer­dem war es nicht das, was ich von der Musik wollte — kein Raum für Improvisation.»

Für mehre­re Jahre spiel­te er mit der von ihm gegrün­de­ten Gruppe Blueso­lo­gy, doch zufrie­den war er nicht. «Ich wusste, dass ich singen und Klavier spielen konnte, aber ich war defini­tiv kein Popstar-Typ», erinnert er sich in seiner Autobio­gra­fie. «Ich sah nicht wie ein Popstar aus. Außer­dem hieß ich Reg Dwight. Das ist kein Popstar-Name.» Dies sollte sich aller­dings ändern.

Bernie Taupin tritt in sein Leben

Nach der schick­sal­haf­ten Begeg­nung mit dem genia­len Songwri­ter Bernie Taupin, den er bis heute zu seinen engsten Freun­den zählt, änder­te er seinen Namen zu Elton John. Dafür bedien­te er sich bei seinem Bandkol­le­gen Elton Dean und dem Musiker Long John Baldry. «Ich fand, dass es gut klang. Ungewöhn­lich. Auffäl­lig.» Von seinen Bandkol­le­gen sei er ausge­lacht worden, als er seinen Ausstieg verkündete.

Nur zwei Jahre später, 1969, erschien sein erstes Album «Empty Sky». An Songs wie «Val-Hala» oder «Lady Saman­tha» erinnern sich heute vermut­lich nur langjäh­ri­ge Fans. Doch schon seine zweite Platte, die einfach nur «Elton John» hieß und die Balla­de «Your Song» enthielt, machte den schüch­ter­nen Jungen zum Star.

Die Jahre von 1970 bis 1976 waren der Höhepunkt seines Schaf­fens und brach­ten Album­klas­si­ker wie «Honky Chateau» mit der Leadsin­gle «Rocket Man» hervor — oder «Goodbye Yellow Brick Road», auf dem «Candle In The Wind» enthal­ten war.

Die Balla­de über Marilyn Monroe nahm er 1997 mit neuem Text als Tribut an die verstor­be­ne Prinzes­sin Diana, eine enge Freun­din, neu auf. Diese Versi­on wurde eine der meist­ver­kauf­ten Singles der Musik­ge­schich­te. Er sang das Lied auch bei Dianas Beerdi­gung in der Westmins­ter Abbey.

Zwölf Alben in den 70er Jahren

Insge­samt veröf­fent­lich­te Elton John in den 70ern unglaub­li­che zwölf Studio­al­ben, wobei die Quali­tät gegen Ende des Jahrzehnts, als Taupin immer weniger invol­viert war, nachließ. Das Disco­al­bum «Victim Of Love» geriet 1979 zum Flop.

Doch in den 80ern liefer­te Elton John trotz schwe­rer Drogen­pro­ble­me weite­re Hits mit und ohne Taupin. «Blue Eyes», «I’m Still Standing», «Sad Songs (Say So Much)» oder «Nikita» laufen auch heute noch regel­mä­ßig im Radio. Der Tod eines Bekann­ten veran­lass­te ihn 1990 schließ­lich zu einem Entzug.

1991 toppte die Neuauf­nah­me seines Songs «Don’t Let The Sun Go Down On Me», live gesun­gen im Duett mit George Micha­el, in vielen Ländern die Charts. Auch der Sound­track für den Disney-Film «Der König der Löwen» (1994) wurde ein riesi­ger Erfolg. Für seinen Song «Can You Feel the Love Tonight» erhielt Elton John einen Oscar. Die Liste der Auszeich­nun­gen, die er erhal­ten hat, ist lang und umfasst Grammys, Brit Awards, Golden Globes und den renom­mier­ten Ivor Novel­lo Award.

Sein wohl nicht ganz zutref­fen­des Image als Diva nahm Elton John vor einigen Jahren im Werbe­spot für einen Schoko­rie­gel aufs Korn. Er mag als Popstar in anderen Sphären schwe­ben und zu den reichs­ten Musikern der Welt gehören, aber er engagiert sich seit Jahrzehn­ten für wohltä­ti­ge Zwecke, insbe­son­de­re für die Belan­ge von HIV-Infizierten.

Das Privat­le­ben des Fußball­fans, der von 1976 bis 1990 Besit­zer des engli­schen Vereins FC Watford war, ist nicht ganz so bunt wie seine Bühnen­shows. 1984 heira­te­te er seine enge Freun­din, die deutsche Tontech­ni­ke­rin Renate Blauel. «Ich habe mehr als einmal darüber nachge­dacht, dass sie alles verkör­per­te, was ich mir von einer Frau gewünscht hätte, wenn ich hetero­se­xu­ell wäre», so John. «Was wäre, wenn ich nur deshalb 14 Jahre mit Männern geschla­fen habe, weil ich nicht die richti­ge Frau gefun­den habe? Und was, wenn sie das jetzt ist?» Sie war es nicht. Die Ehe hielt nur ein paar Jahre.

Eine Familie

Erst seit 1988 lebt Elton John offen als schwu­ler Mann. 1993 fand er sein Glück mit dem kanadi­schen Filme­ma­cher David Furnish. Das Paar wohnt mit den Söhnen Zacha­ry und Elijah in Los Angeles, es ist seit 2014 verhei­ra­tet. Seiner Familie will sich Sir Elton in Zukunft ausgie­big widmen.

Eine Corona-Infek­ti­on setzte ihn im Januar nur kurz außer Gefecht. Nach kurzer Pause ging die Tournee weiter, die sogar noch ausge­dehnt wurde. In diesem Sommer sind Stadi­on­kon­zer­te in Frankfurt/Main und Leipzig geplant, im April und Mai 2023 eine Serie von Hallen­shows in Hamburg, Berlin und München, wo er dem deutschen Publi­kum eigent­lich schon 2019 Lebewohl gesagt hatte. Seinen voraus­sicht­lich letzten großen Auftritt wird Elton John in Finnland haben.

Von Philip Dethlefs, dpa