Für Wladi­mir Putin ist der Corona-Impfstoff Sputnik V das «beste Vakzin der Welt». Doch das Impfen geht im Riesen­reich nur schlep­pend voran. Selbst Deutsch­land hat inzwi­schen eine besse­re Impfquote.

MOSKAU (dpa) — Die tägli­chen Jubel­mel­dun­gen in Russland zum Corona-Impfstoff Sputnik V erinnern an die Tage, als die stolze Raumfahrt­na­ti­on als erste ins Weltall vordrang.

Deshalb ist das Vakzin auch nach dem ersten Satel­li­ten — dem Sputnik — benannt, wie der Chef des staat­li­chen russi­schen Direkt­in­vest­ment­fonds RDIF, Kirill Dmitri­jew, stolz hervor­hebt. Gerade erst hat Russlands obers­ter Vermark­ter des Präpa­rats die Weltpres­se zusam­men­ge­ru­fen, um von neuen Erfol­gen zu berich­ten. «Indien ist das 60. Land, das Sputnik V zugelas­sen hat. Ein Meilen­stein», freut er sich.

Doch eine EU-Zulas­sung ist weiter nicht in Sicht. Aktuell sind Exper­ten der Europäi­schen Arznei­mit­tel-Agentur (EMA) in Russland unter­wegs, weil sie viele Fragen haben zu den bisher vorge­leg­ten russi­schen Daten. Sie besuchen Klini­ken, in denen geimpft wird, Produk­ti­ons­stät­ten und Lager­räu­me. Eine Entschei­dung erwar­tet der Gesund­heits­exper­te Jérôme Lepeint­re bei der EU-Vertre­tung in Moskau aber erst im Juni oder Juli. Dann soll Sputnik auch in Deutsch­land einge­setzt werden, wenn es zugelas­sen wird.

Drei Milli­ar­den Menschen lebten in den 60 Ländern, die bisher Sputnik zugelas­sen hätten — ein riesi­ges Poten­zi­al, betont Dmitri­jew. Nun sehnt er noch die EU-Zulas­sung herbei. Sputnik soll zum Export­schla­ger werden. Doch im inter­na­tio­na­len Vergleich zu den Präpa­ra­ten etwa von Biontech/Pfizer und Moder­na fällt das Mittel deutlich ab. Auch Dmitri­jew lässt vielfach gestell­te Fragen zu konkre­ten Produk­ti­ons­zah­len unbeantwortet.

Russlands Impf-Funktio­nä­re sehen sich seit langem Kritik ausge­setzt, sie würden nicht trans­pa­rent mit Zahlen umgehen. Unabhän­gi­ge Exper­ten gehen davon aus, dass Russland nur einen kleinen Bruch­teil seiner bisher inter­na­tio­nal zugesag­ten Dosen überhaupt liefern kann. Gut eine Milli­on Sputnik-Dosen hat allein Ungarn erhal­ten nach offizi­el­len Angaben. Das Land hat als einzi­ges EU-Mitglied das Vakzin natio­nal zugelas­sen, ohne die EMA-Entschei­dung abzuwarten.

Wer im russi­schen Staats­fern­se­hen Repor­ta­gen von groß insze­nier­ten Sputnik-V-Trans­por­ten etwa nach Latein­ame­ri­ka sieht, bekommt rasch den Eindruck, dass der Impfstoff die Welt erobert. Westli­che Präpa­ra­te spielen da keine Rolle. Dabei klagen sogar viele Regio­nen in Russland über Liefer­eng­päs­se, wie selbst Kreml­chef Wladi­mir Putin einräu­men musste. Nach Putins Angaben haben erst 4,3 Millio­nen Menschen die beiden notwen­di­gen Sprit­zen erhal­ten. Das sind knapp drei Prozent der 146 Millio­nen Einwohner.

In Deutsch­land liegt die entspre­chen­de Impfquo­te doppelt so hoch. 6 Prozent der Bevöl­ke­rung bekamen nach Angaben des Robert Koch-Insti­tuts bisher die beiden notwen­di­gen Sprit­zen verab­reicht. Wie in der Raumfahrt vergleicht sich Russland aber am liebs­ten mit den USA, wo die Impfquo­te bei über 20 Prozent liegt — das sind mehr als 70 Millio­nen komplett Geimpf­te. Die offizi­el­len Statis­ti­ken in Russland weisen ledig­lich die Neuin­fek­tio­nen von täglich unter 10.000 Fällen und die Todes­zah­len von über 300 am Tag aus. Keine Impfzahlen.

Russland hat neben dem inter­na­tio­nal bekann­ten Impfstoff Sputnik zwei weite­re: EpiVac­Co­ro­na und CoviVac; es seien «die besten Vakzi­ne der Welt», sagte Putin. Der 68-Jähri­ge hat sich zwar seine erste Sprit­ze verpas­sen lassen, ließ aber nicht mittei­len, für welchen Impfstoff er sich entschied. Aller­dings machte er zuletzt immer wieder Dampf, dass bei der Produk­ti­on zugelegt werden solle. Abseits von Moskau, wo Impfun­gen sogar beim Shoppen im Einkaufs­zen­trum möglich sind, gibt es in der Provinz oft lange Wartezeiten.

RDIF-Chef Dmitri­jew kündigt nun an, dass Indien bald der inter­na­tio­na­le Haupt­pro­duk­ti­ons­stand­ort für Sputnik V werden solle. Fünf Produk­ti­ons­stät­ten seien schon fest verein­bart. Weite­re sollen hinzu­kom­men. «Vom Sommer an können dort 50 Millio­nen Dosen monat­lich abgefüllt werden.» Auch in China und in Korea wolle Russland den von Moskau­er Gamale­ja-Insti­tut entwi­ckel­ten Impfstoff produ­zie­ren lassen.

Angekün­digt hat das russi­sche Pharma-Unter­neh­men R‑Pharm auch, dass im schwä­bi­schen Iller­tis­sen von Juni oder Juli an monat­lich Millio­nen Dosen vom Band laufen könnten. «Wir unter­neh­men alle Anstren­gun­gen, damit es im Sommer losge­hen kann», sagte der R‑Pharm-Manager Alexan­der Bykow der Deutschen Presse-Agentur in Moskau. «Wir haben die Ausrüs­tung schon dort und die Kader.» Bayern sicher­te sich noch vor einer mögli­chen EU-Zulas­sung 2,5 Millio­nen Dosen. «Es handelt sich um einen hochwirk­sa­men Impfstoff», meinte Bayerns Gesund­heits­mi­nis­ter Klaus Holet­schek (CSU).

Von Ulf Mauder, dpa