HAMBURG (dpa) — Von der «Miss Austria» zu einer der erotischs­ten Frauen des europäi­schen Kinos: Schau­spie­le­rin Nadja Tiller wurde zum Kinostar der 50er und 60er Jahre — und gemein­sam mit Ehemann Walter Giller zum Traumpaar.

Die Film- und Fernseh­welt trauert um Nadja Tiller: Im Alter von 93 Jahren starb die Schau­spie­le­rin in der Nacht zum Diens­tag in Hamburg, wie ein Freund der Familie der Deutschen Presse-Agentur unter Berufung auf Angehö­ri­ge bestätigte.

Zuerst hatte die «Bild»-Zeitung berich­tet. «Meine Mutter starb heute Nacht im “Augus­ti­num” in Hamburg. Sie schlief im Beisein eines Pflegers fried­lich ein», sagte Tillers Tochter demzu­fol­ge. Der Pfleger habe sie am frühen Morgen angeru­fen und über den Tod der Mutter infor­miert. Zu einem späte­ren Zeitpunkt werde es eine Seebe­stat­tung geben, «das war der Wunsch unserer Mutter. So wie es sich auch mein Vater gewünscht hatte. Das kann ein paar Monate dauern», sagte die Tochter demzu­fol­ge weiter.

Ihr Durch­bruch als Edelpro­sti­tu­ier­te Rosemarie

Zu Tillers bekann­tes­ten Filmen gehör­te «Das Mädchen Rosema­rie», in dem sie 1958 als Edelpro­sti­tu­ier­te Rosema­rie Nitri­bitt auf der Leinwand zu sehen war. Rolf Thieles Satire auf die Wirtschafts­wun­der­zeit galt damals als Skandal­film und lockte die Zuschau­er in Scharen in die Kinos. Er lief beim Filmfest in Venedig und bekam in den USA einen Golden Globe. Für Tiller brach­te die Rolle den inter­na­tio­na­len Durch­bruch: Sie drehte mit Kolle­gen wie Jean-Paul Belmon­do, Jean Gabin, Yul Brunner, Rod Steiger und Curd Jürgens. Nach zahlrei­chen Kinofil­men, unter anderem mit ihrem Ehemann Walter Giller, arbei­te­te sie ab den 60er Jahren verstärkt fürs Fernse­hen und am Theater.

Hamburgs Kultur­se­na­tor Carsten Brosda (SPD) bezeich­ne­te Tiller als «Grande Dame des Films». «Wir trauern um eine große Schau­spie­le­rin und sind in Gedan­ken bei ihren Lieben», schrieb er auf Twitter.

Sie war 55 Jahre mit Walter Giller verheiratet

Die gebür­ti­ge Wiene­rin hatte mit ihrem Mann bis 2008 ihren Haupt­wohn­sitz in Lugano. Nach rund 50 Jahren verkauf­ten sie ihr Haus dort und zogen 2008 gemein­sam in den hohen Norden — nach Hamburg, wo Giller aufge­wach­sen war. In einer luxuriö­sen Senio­ren­re­si­denz am Hambur­ger Elbufer lebte das Paar Tür an Tür. Giller («Rosen für den Staats­an­walt») starb 2011. Den letzten gemein­sa­men Filmauf­tritt auf der Leinwand hatte das Paar in Leander Haußmanns «Dinosau­ri­er» (2009). Vier Jahre zuvor war Tiller in Til Schwei­gers Kinofilm «Barfuss» zu sehen.

Seit ihrem ersten Theater­en­ga­ge­ment 1949 am Wiener Theater in der Josef­stadt arbei­te­te die einsti­ge «Miss Austria» (1949) als Schau­spie­le­rin und stand neben Film und Fernse­hen auch immer wieder auf der Bühne. Am Ende sollten es mehr als 120 Filme und Serien werden. Ihre letzte Rolle spiel­te sie mit 87 Jahren in «My Fair Lady» am Theater in Braunschweig.

55 Jahre lang waren Tiller und Giller bis zu dessen Tod verhei­ra­tet. Beim Dreh zu «Schla­ger­pa­ra­de» (1953) hatten sie sich kennen­ge­lernt. Nicht nur privat waren die beiden, die 1956 heira­te­ten, ein Traum­paar — in rund 30 Filmen traten sie zusam­men auf. Tiller mochte davon vor allem «Schloss Grips­holm» (1963). Giller und Tiller — immer wieder mussten die beiden Schau­spie­ler beteu­ern, dass sie keine Künst­ler­na­men tragen.

Er, der Komödi­ant und Charak­ter­dar­stel­ler, und sie, die Femme fatale. Auch als älteres Paar waren sie im Doppel­pack gefragt: im TV-Film «Liebe wie am ersten Tag» (2005) als Liebes­paar um die 70, im Henning-Mankell-Hörspiel «Begeg­nung am Nachmit­tag» (2008) als altes, getrennt leben­des Ehepaar.

Selbst Auszeich­nun­gen erhielt das Paar, das zwei erwach­se­ne Kinder hatte, zusam­men: das Bundes­ver­dienst­kreuz am Bande des Verdienst­or­dens, 2006 den Bambi für das Lebens­werk. In Neil Simons «Plaza Suite» stand das Ehepaar rund 600 Mal auf der Bühne. «Ich habe mich immer ein bisschen in Nadjas Schat­ten gesonnt, die in der ersten Reihe stand», sagte Giller mal in einem Inter­view. Das Geheim­nis ihrer langen Liebe lag für ihn in «Vertraut­schaft», wie er mal erklär­te — «ein Mittel­ding zwischen Vertrau­en und inniger Freundschaft».