BERLIN (dpa) — Nach fast zehn Monaten Krieg sieht Scholz Putins Strate­gie geschei­tert. Russlands Präsi­dent habe sich in vieler­lei Hinsicht getäuscht.

Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin hat sich nach Ansicht von Bundes­kanz­ler Olaf Scholz mit seinem Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne «funda­men­tal» verrech­net. «Kein einzi­ger von Putins Plänen ist aufge­gan­gen», sagte Scholz am Mittwoch in einer Regie­rungs­er­klä­rung im Bundestag.

Der russi­sche Präsi­dent habe sowohl den Mut der Ukrai­ner als auch den Willen ihrer europäi­schen Verbün­de­ten unter­schätzt, gemein­sam gegen «Großmacht­wahn und Imperia­lis­mus» einzu­ste­hen. «Das ist die wirkli­che Geschich­te dieses Jahres 2022», sagte Scholz. Heute stehe Russland so isoliert da, wie nie zuvor.

Der Kanzler warf Putin vor, nun mit einer «furcht­ba­ren und zugleich völlig verzwei­fel­ten Strate­gie der verbrann­ten Erde» auf seine Erfolg­lo­sig­keit im Krieg zu reagie­ren, indem er die Infra­struk­tur des Landes angrei­fe. «Aber auch damit kommt Putin nicht durch. Weil die Ukrai­ne­rin­nen und Ukrai­ner zusam­men­ste­hen und standhalten.»

Merz fordert von Scholz Liefe­rung von Kampfpanzern

Der Kanzler sagte der Ukrai­ne erneut weite­re — auch militä­ri­sche — Unter­stüt­zung zu, solan­ge dies nötig sei. Die Liefe­rung neuer Waffen­sys­te­me versprach er aber nicht. Opposi­ti­ons­füh­rer Fried­rich Merz hält das aber für dringend notwen­dig. Der CDU/C­SU-Frakti­ons­chef forder­te von Scholz, der Ukrai­ne die gewünsch­ten Leopard-2-Kampf­pan­zer und Marder-Schüt­zen­pan­zer zur Verfü­gung zu stellen. «Auch fast zehn Monate nach Beginn dieses Krieges verste­cken Sie sich immer noch hinter den Nato-Partnern, die angeb­lich auch nicht liefern wollen. Wir wissen mittler­wei­le, dass dies falsch ist», sagte Merz. «Es liegt vor allem an Ihnen ganz persön­lich, dass die Ukrai­ne diese Hilfe nicht bekommt.»

Scholz hat mehrfach betont, dass es bei den Waffen­lie­fe­run­gen in die Ukrai­ne keine deutschen Allein­gän­ge geben werde. Bisher hat kein Nato-Staat Kampf­pan­zer westli­cher Bauart gelie­fert. Die USA haben aller­dings erklärt, dass sie nichts dagegen hätten, wenn Deutsch­land die Panzer im Allein­gang liefert. «Je mehr wir helfen, umso schnel­ler ist dieser Krieg vorüber», sagte Merz.

Scholz rechnet mit pragma­ti­scher Lösung bei Gaspreisdeckel

Scholz wollte noch am Vormit­tag nach Brüssel zum EU-Asien-Gipfel weiter­rei­sen, an den sich am Donners­tag der turnus­mä­ßi­ge Dezem­ber-Gipfel der Europäi­schen Union anschließt. Dabei wird es um die Unter­stüt­zung der Ukrai­ne, aber auch um die Bekämp­fung der Energie­kri­se im Zuge des Kriegs gehen.

Scholz bekräf­tig­te die skepti­sche Haltung Deutsch­lands zu einem europäi­schen Gaspreis­de­ckel. «Einfa­che Sofort­lö­sun­gen gibt es nicht. Zum Beispiel können wir nicht so in Preise eingrei­fen, dass dann zu wenig Gas nach Europa gelie­fert wird», sagte er. Er sei aber sicher, dass es eine gute und pragma­ti­sche Verstän­di­gung geben werde.

Deutsch­land geht es in den Verhand­lun­gen darum, dass die Versor­gungs­si­cher­heit durch den Gaspreis­de­ckel nicht gefähr­det wird. Ein Sonder­tref­fen der Energie­mi­nis­ter hat am Diens­tag noch keinen Kompro­miss erzielt. Die EU-Kommis­si­on hat unter dem Druck einer Vielzahl von Staaten vorge­schla­gen, unter bestimm­ten Umstän­den den Preis für Gas bei 275 Euro pro Megawatt­stun­de zu deckeln.

Dobrindt zu Scholz’ Europa­po­li­tik: «Sie bauen keine Brücken»

Die Union warf Scholz im Bundes­tag vor, sich in Europa zu isolie­ren und für die Störun­gen im deutsch-franzö­si­schen Verhält­nis verant­wort­lich zu sein. Merz sagte zur Europa­po­li­tik des Kanzlers: «Ihnen fehlt fast völlig der Blick auf die Statik dieses Hauses, auf das Funda­ment dieses Hauses und Ihnen fehlt die Fanta­sie eines Archi­tek­ten und der entschlos­se­ne Wille eines Baumeis­ters, dieses Haus in Europa jetzt wetter­fest und zukunfts­fä­hig zu machen.» CSU-Landes­grup­pen­chef Alexan­der Dobrindt ergänz­te: «Sie bauen keine Brücken, Sie reißen sie ein.»

AfD fordert Ende der Russland-Sanktionen

Der AfD-Vorsit­zen­de Tino Chrup­al­la forder­te ein Ende der Russland-Sanktio­nen. Deutsch­land als ein Land ohne Rohstof­fe und mit hoher Infla­ti­on könne es sich gar nicht erlau­ben, ständig wirtschaft­li­che Sanktio­nen zu erlas­sen. «Dieses Instru­ment schadet Deutsch­land ebenso nachhal­tig wie seinen Bürgern. Und genau das muss ein Ende haben.»

Scholz kündig­te in seiner Regie­rungs­er­klä­rung eine Fortset­zung des Sankti­ons­kur­ses an. Der Druck auf Russland werde so lange erhöht, so lange der Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne anhalte.