BERLIN (dpa) — «Wir erleben eine Zeiten­wen­de.» So läutet der Kanzler vor einem Jahr einen sicher­heits­po­li­ti­schen Paradig­men­wech­sel ein. Anders als damals wird er heute wohl keinen Applaus mehr aus der Opposi­ti­on kommen.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) hat in einer Regie­rungs­er­klä­rung bekräf­tigt, Deutsch­land werde das 2‑Pro­zent-Ziel der Nato bei den Vertei­di­gungs­aus­ga­ben dauer­haft errei­chen. «Diese Zusage, die ich hier am 27. Febru­ar vergan­ge­nen Jahres gegeben habe, gilt», sagte Scholz am Donners­tag im Bundes­tag. Er sprach von einem «Aufwuchs des Vertei­di­gungs­haus­halts insge­samt», um dieses Ziel zu errei­chen. In der Ampel-Koali­ti­on und auch inner­halb der SPD wird noch disku­tiert, ob zusätz­lich zum 100-Milli­ar­den-Euro-Topf für die Bundes­wehr — einem sogenann­ten Sonder­ver­mö­gen — auch der regulä­re Vertei­di­gungs­haus­halt um weite­re Milli­ar­den erhöht werden soll.

Scholz: Kein Friedens­schluss über die Köpfe der Ukrai­ner hinweg

Scholz wies Kritik an Waffen­lie­fe­run­gen zur Abwehr des russi­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne deutlich zurück. Es werde keinen Friedens­schluss über die Köpfe der Ukrai­ner hinweg geben, sagte Scholz am Donners­tag in einer Regie­rungs­er­klä­rung im Bundes­tag zu einem Jahr Zeitenwende.

«Man schafft auch keinen Frieden, wenn man hier in Berlin “Nie wieder Krieg” ruft — und zugleich fordert, alle Waffen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne einzu­stel­len», sagte er. «Friedens­lie­be heißt nicht Unter­wer­fung unter einen größe­ren Nachbarn. Würde die Ukrai­ne aufhö­ren, sich zu vertei­di­gen, dann wäre das kein Frieden, sondern das Ende der Ukraine.»

Am 27. Febru­ar 2022 — drei Tage nach Kriegs­be­ginn — hatte Scholz in einer Sonder­sit­zung des Bundes­tags ein 100-Milli­ar­den-Programm zur Aufrüs­tung der Bundes­wehr ankün­digt. Bereits am Vortag waren die ersten Waffen­lie­fe­run­gen an die Ukrai­ne für den Abwehr­kampf gegen Russland beschlos­sen worden — ein Tabubruch.

Scholz zu China: «Nutzen Sie Ihren Einfluss in Moskau!»

Der Bundes­kanz­ler kriti­sier­te China im Zusam­men­hang mit dem russi­schen Angriff auf die Ukrai­ne und rief Peking dazu auf, sich gegen­über Moskau für einen Truppen­ab­zug im Nachbar­land einzu­set­zen. «Nutzen Sie Ihren Einfluss in Moskau, um auf den Rückzug russi­scher Truppen zu drängen! Und: Liefern Sie keine Waffen an den Aggres­sor Russland!», sagte Scholz am Donners­tag bei seiner Regie­rungs­er­klä­rung im Bundes­tag ein Jahr nach seiner Zeiten­wen­de-Rede kurz nach Beginn des Krieges.

Scholz lobte zwar, dass sich Chinas Präsi­dent Xi Jinping «unmiss­ver­ständ­lich gegen jede Drohung mit Atomwaf­fen oder gar deren Einsatz im Krieg Russlands gegen die Ukrai­ne» gestellt habe. Das habe zur Deeska­la­ti­on beigetra­gen. Es sei gut, dass China die klare Botschaft gegen den Einsatz von Nukle­ar­waf­fen jüngst in seinem 12-Punkte-Plan wieder­holt habe. Er nannte es aber «enttäu­schend», dass Peking beim jüngs­ten Treffen der G20-Finanz­mi­nis­ter in Indien nicht mehr bereit gewesen sei, zu bekräf­ti­gen, was noch beim G20-Gipfel im vergan­ge­nen Jahr auf Bali Konsens gewesen sei: «eine klare Verur­tei­lung des russi­schen Angriffs.»