PARIS/BRÜSSEL (dpa) — Mit einem überra­schen­den Kurztrip in drei europäi­sche Metro­po­len wirbt der ukrai­ni­sche Präsi­dent um weite­re Hilfe im zähen Krieg gegen Russland. Bekommt er Zusagen vom Westen für Kampfjets?

Erst London, dann Paris — und am Donners­tag nun beim EU-Gipfel in Brüssel:

Mit Besuchen in drei europäi­schen Macht­zen­tra­len wirbt der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj bei seinen westli­chen Verbün­de­ten um weite­re Militär­hil­fe für den Abwehr­kampf gegen die russi­sche Invasi­on — insbe­son­de­re um Kampf­jets. Bei einem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz und Frank­reichs Präsi­dent Emmanu­el Macron in Paris sagte Selen­skyj am Mittwoch­abend: «Es geht um Waffen, die für den Frieden notwen­dig sind. Der Krieg, den Russland entfacht hat, muss gestoppt werden.» Scholz versprach ihm Unter­stüt­zung solan­ge wie nötig, Macron «Unter­stüt­zung bis zum Sieg». Zuvor hatte Selen­skyj schon in Großbri­tan­ni­en um Kampf­jets geworben.

«Es bleibt dabei: Russland darf diesen Krieg nicht gewin­nen», beton­te der Kanzler. Zudem versi­cher­te er vor dem EU-Gipfel am Donners­tag in Brüssel, zu dem Selen­skyj als Gast erwar­tet wird: «Die Ukrai­ne gehört zur europäi­schen Familie.» Auf die Forde­run­gen nach Kampf­jets gingen weder er noch Macron in ihren knappen State­ments vor Beginn des Treffens im Elysé­e­pa­last ein.

Selen­skyj wirbt für Kampfflugzeuge

Selen­skyj hatte zuvor schon in London gesagt, die Armee seines Landes brauche insbe­son­de­re Kampf­flug­zeu­ge, um die Abwehr­schlacht gegen Russland zu gewin­nen. In Paris wandte er sich dann mit persön­li­chen Worten an Macron und Scholz: «Emmanu­el, je eher unsere Piloten moder­ne Flugzeu­ge erhal­ten, und Olaf, je stärker unsere Panzer­ko­ali­ti­on wird, umso schnel­ler endet diese Aggres­si­on Russlands. Und wir holen Europa einen siche­ren Frieden zurück.»

Die Ukrai­ne war vergan­ge­nes Jahr von der EU zum Beitritts­kan­di­da­ten erklärt worden — kurz nachdem Scholz und Macron gemein­sam Kiew besucht hatten. Das Treffen in Paris war nun die zweite persön­li­che Zusam­men­kunft der drei Politi­ker seit Beginn der russi­schen Invasi­on vor fast einem Jahr. Für Selen­skyj war der Besuch in den europäi­schen Haupt­städ­ten überhaupt erst die zweite Auslands­rei­se während des Kriegs — die erste hatte ihn Ende vergan­ge­nen Jahres nach Polen und in die USA geführt.

Selen­skyj traf auf König Charles III.

In London traf er diesmal neben Premier Rishi Sunak auch König Charles III. und hielt eine Rede vor dem Parla­ment. Selen­skyj bedank­te sich für die anhal­ten­de Unter­stüt­zung der Briten nach dem russi­schen Einmarsch und äußer­te zugleich die Hoffnung, dass nach den jüngst zugesag­ten Kampf­pan­zern bald auch Kampf­jets gelie­fert werden. Die briti­sche Regie­rung sagte eine Prüfung zu, sprach aber von einer langfris­ti­gen Lösung. Immer­hin: Die briti­schen Kampf­pan­zer vom Typ Challen­ger 2 sollen bereits im März in der Ukrai­ne zum Einsatz kommen, wie Premier­mi­nis­ter Sunak ankündigte.

Kanzler Olaf Scholz warnte dagegen erneut vor einem Überbie­tungs­wett­be­werb in punkto Waffen­lie­fe­run­gen nach dem Motto: «Kampf­pan­zer, U‑Boote, Flugzeu­ge — wer fordert noch mehr?» Deutsch­land werde sich daran nicht betei­li­gen, beton­te der SPD-Politi­ker am Mittwoch im Bundes­tag, bevor er nach Paris zum Dreier-Treffen im Élysée-Palast aufbrach.

Polen drängt nach Panzern auf Kampfjets

Unter anderem Polen hatte die Nato-Partner zuletzt gedrängt, nach Kampf­pan­zern nun auch die Liefe­rung von Kampf­jets zu bewil­li­gen. Scholz hatte sich dazu skeptisch geäußert. Deutsch­land hat bislang die Liefe­rung von 14 Leopard-2-Panzern zugesagt und der Rüstungs­in­dus­trie die Geneh­mi­gung für den Export von bis zu 178 Exempla­ren des älteren Modells Leopard 1 erteilt.

Vertei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pisto­ri­us rief weite­re europäi­sche Partner auf, sich dem deutsch-polni­schen Projekt zur Liefe­rung von Leopard-2-Panzern an die Ukrai­ne anzuschlie­ßen. Dazu werde er gemein­sam mit dem polni­schen und ukrai­ni­schen Vertei­di­gungs­mi­nis­ter kommen­de Woche zu einem Treffen einla­den, sagte er am Mittwoch in Warschau.

Auch Nato-General­se­kre­tär Stolten­berg rief die Alliier­ten bei einem Besuch in Washing­ton auf, der Ukrai­ne weite­re Waffen zu liefern. «Leider sehen wir keine Anzei­chen dafür, dass Russland sich auf Frieden vorbe­rei­tet. Im Gegen­teil, Moskau berei­tet sich auf neue militä­ri­sche Offen­si­ven vor», sagte er.

EU-Gipfel in Brüssel mit Selenskyj

In Brüssel wird Selen­skyj zu Gast sein bei einem EU-Gipfel der Staats- und Regie­rungs­chefs. Zudem soll er eine Rede im EU-Parla­ment halten. Der genaue Ablauf wird aus Sicher­heits­grün­den geheim­ge­hal­ten. Deshalb wurde der Besuch bis zuletzt auch nicht offizi­ell bestätigt.

Erwar­tet wird, dass sich der ukrai­ni­sche Präsi­dent auch in Brüssel für die Unter­stüt­zung im Krieg gegen Russland bedankt, gleich­zei­tig aber mehr Tempo bei weite­ren Waffen­lie­fe­run­gen und dem Weg seines Landes in die EU fordert. Kiew will in diesem Jahr mit Verhand­lun­gen über den EU-Beitritt begin­nen — das müssen aber die 27 Mitglied­staa­ten einstim­mig beschließen.

Bei dem Gipfel soll zudem über die EU-Reakti­on auf Subven­tio­nen in dreistel­li­ger Milli­ar­den­hö­he für grüne Indus­trie­pro­jek­te in Ländern wie den USA sowie über die zuneh­men­de Zahl unerwünsch­ter Migran­ten gespro­chen werden. Bei kaum einem Thema liegen die EU-Staaten so sehr über Kreuz wie bei der gemein­sa­men Asyl- und Migra­ti­ons­po­li­tik — und nun droht neuer Streit.

Asylan­trä­ge steigen um 50 Prozent

Die Zahl der Asylan­trä­ge ist 2022 im Vergleich zum Vorjahr um fast 50 Prozent auf 924.000 gestie­gen. Etliche Länder sind überfor­dert. Großer Streit­punkt beim Gipfel dürfte die Frage sein, ob Zäune oder Mauern entlang der EU-Außen­gren­ze aus dem EU-Haushalt finan­ziert werden sollten. Länder wie Öster­reich, Griechen­land und Ungarn fordern das vehement. Deutsch­land wieder­um will den Eindruck von zu viel Abschot­tung vermei­den und lehnt das ab. Auch die EU-Kommis­si­on ist dazu bislang nicht bereit.

Grund­sätz­lich wird es beim Gipfel vor allem darum gehen, unerwünsch­te Migra­ti­on in die EU von vornhin­ein zu verhin­dern bezie­hungs­wei­se unattrak­ti­ver zu machen — unter anderem durch einen verstärk­ten Kampf gegen Menschen­schmugg­ler und durch schnel­le­re Abschie­bun­gen. Dem Entwurf der Gipfel-Erklä­rung zufol­ge soll dazu auch der Druck auf Herkunfts- und Transit­län­der verstärkt werden.