Einzel­han­del, Verbrau­cher­schüt­zer und Wissen­schaft­ler sind sich einigt: Deutsch­lands Innen­städ­te müssen sich verän­dern. Doch wie soll die Fußgän­ger­zo­ne der Zukunft aussehen?

Immer lauter wird deshalb die Forde­rung nach neuen Ideen für die Innenstädte.

«Nur zu sagen: Kommt und kauft bei uns Strumpf­bän­der und nehmt noch ein paar Stifte mit — das wird es nicht mehr sein», sagte der Chef des Verbrau­cher­zen­tra­le Bundes­ver­bands (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Notwen­dig seien kreati­ve Lösun­gen für «neue Innen­städ­te», bei denen neben dem Handel auch Gastro­no­mie und Veran­stal­tun­gen eine viel größe­re Rolle spiel­ten als bisher.

Tatsäch­lich brauchen die Innen­städ­te wohl dringend neue Impul­se. Denn schon vor Corona lösten die Einkaufs­stra­ßen in den meisten Städten bei den Verbrau­chern allen­falls lauwar­me Begeis­te­rung aus. Bei einer im vergan­ge­nen Jahr veröf­fent­lich­ten Befra­gung von mehr als 59 000 Innen­stadt­be­su­chern in 116 Städten durch das Kölner Insti­tut für Handels­for­schung (IFH) gaben die Verbrau­cher den Stadt­zen­tren im Durch­schnitt nur die Schul­no­te «Drei plus».

Und seitdem hat sich die Lage eher noch zugespitzt. «Die Innen­städ­te haben es mit einem dreifa­chen Tsuna­mi zu tun: dem Struk­tur­wan­del im Einzel­han­del, der Digita­li­sie­rung und der Corona-Pande­mie», sagte kürzlich IFH-Geschäfts­füh­rer Boris Hedde. Der Handels­ver­band warnte bereits, dass die Corona-Krise das Aus für rund 50 000 Geschäf­te bedeu­ten könne.

Beson­ders beim Modehan­del schril­len die Alarm­glo­cken. «Der statio­nä­re Textil‑, Schuh- und Leder­wa­ren­han­del verliert weiter­hin jede Woche Millio­nen Euro an Umsatz», klagen die Branchen­ver­bän­de. Die Existenz tausen­der Mode‑, Schuh- und Leder­wa­ren­ge­schäf­te stehe auf dem Spiel. Die Waren­haus­ket­te Galeria Karstadt Kaufhof will bundes­weit fast 50 ihre Kaufhäu­ser schlie­ßen. Die Modeket­te Esprit plant Schlie­ßun­gen in ähnli­cher Größenordnung.

Und auch abseits des Modehan­dels sind Einschnit­te abseh­bar. Die Parfü­me­rie­ket­te Douglas stellt angesichts der wachsen­den Bedeu­tung des Online-Geschäfts, auf das inzwi­schen in Deutsch­land 40 Prozent der Umsät­ze entfal­len, das Laden­netz auf den Prüfstand. Media­Markt­Sa­turn will drei Märkte in Deutsch­land aufgeben.

Doch nicht der Handel in den Innen­städ­ten schwä­chelt. Der Deutsche Hotel- und Gaststät­ten­ver­band Dehoga klagte am Diens­tag, die Lage in der Stadt­ho­tel­le­rie und bei den Disko­the­ken und Clubs, für die es immer noch keine Öffnungs­per­spek­ti­ve gebe», sei drama­tisch. Nach einer Umfra­ge des Verban­des fürch­ten mehr als die Hälfte aller Betrie­be um die Existenz.

Ideen, um den Innen­städ­ten neues Leben einzu­hau­chen, sind also dringend gefragt. Tatsäch­lich gibt es einige davon. Bei manchen geht es einfach darum, das Einkau­fen in den Innen­städ­ten wieder attrak­ti­ver zu machen, damit die Schere zum Online-Handel nicht noch weiter ausein­an­der­geht. Wichtig seien hier etwa eine gute Erreich­bar­keit der der Innen­städ­te auch mit dem Auto, Inves­ti­tio­nen in die Aufent­halts­qua­li­tät, etwa in Optik und Sicher­heit, mehr Möglich­kei­ten für verkaufs­of­fe­ne Sonnta­ge und und ein gutes City- Marke­ting, meint der Handels­ver­band Textil. Außer­dem müsse der Neubau von Verkaufs­stät­ten auf der grünen Wiese einge­dämmt werden.

Verbrau­cher­zen­tra­len-Chef Müller geht das aller­dings nicht weit genug. In der Innen­stadt sollte in Zukunft nicht nur geshop­pt werden, meint er. Nötig seien «Klein­kunst­flä­chen, Auftritts­mög­lich­kei­ten, vielleicht auch Räumlich­kei­ten, wo sich Verei­ne, Verbän­de, andere treffen können — wo es von Modeschau­en bis hin zu Messen alles geben kann». Hier sei die Politik gefor­dert, den Kommu­nen finan­zi­ell unter die Arme zu greifen, um die nötige Infra­struk­tur zu schaffen.

Der Präsi­dent des Deutschen Städte­ta­ges, Leipzigs Oberbür­ger­meis­ter Burkhard Jung (SPD), plädier­te kürzlich dafür, «wieder mehr Wohnen und Arbei­ten» in der Innen­stadt ermög­li­chen. Und auch die Läden, die dort zu finden sind, werden sich wandeln, glaubt Handels­exper­te Hedde. Er ist überzeugt: «Handwerk, Dienst­leis­tun­gen, Möbel- oder Baumärk­te und Lebens­mit­tel­dis­coun­ter werden wieder in die Innen­städ­te zurückkehren.»