Kirch­li­che und weltli­che Chorver­bän­de im Land protes­tier­ten im Sommer gegen das geplan­te Gesangs­ver­bot an Schulen. Das Kultus­mi­nis­te­ri­um sperr­te sich zunächst — und gibt nun teilwei­se nach.

Stutt­gart (dpa/lsw) — Die Forde­rung «Rettet die Schul­mu­sik» prangt nach wie vor in großen Lettern auf der baden-württem­ber­gi­schen Inter­net­sei­te des Bundes­ver­bands Musik­un­ter­richt. Schrill tönten die Alarm­glo­cken der Chöre und Musiker im Sommer, weil das Singen und das Spielen von Blasin­stru­men­ten in geschlos­se­nen Räumen aus Angst vor dem Corona­vi­rus an den Schulen verbo­ten werden sollten. Nun schlägt das Kultus­mi­nis­te­ri­um recht­zei­tig vor dem Schul­start am 14. Septem­ber andere Töne an. Nach der jüngs­ten Corona-Verord­nung für Schulen werden das Singen und das Musizie­ren mit Blasin­stru­men­ten trotz der stren­gen Corona-Aufla­gen erlaubt. Für Schul­chö­re und ‑orches­ter gilt diese Zusage aller­dings nicht — noch nicht.

Nach Angaben des Minis­te­ri­ums von Donners­tag müssen beim Musizie­ren im Unter­richt und in geschlos­se­nen Innen­räu­men aber mehre­re Voraus­set­zun­gen erfüllt sein. Vor allem darf nur im Klassen­ver­band oder einer Lerngrup­pe der Jahrgangs­stu­fe musiziert werden, wie es in der neuen Corona-Verord­nung «über den Schul­be­trieb unter Pande­mie­be­din­gun­gen» heißt. Auch muss ein Mindest­ab­stand von zwei Metern in alle Richtun­gen einge­hal­ten werden. Außer­dem wird empfoh­len, dass zwischen Lehrern und Schülern eine durch­sich­ti­ge Schutz­wand instal­liert wird. Es muss regel­mä­ßig gelüf­tet werden, zudem müssen Instru­men­te nach dem Unter­richt desin­fi­ziert und Einmal­tü­cher benutzt werden. Anderer­seits ist laut Verord­nung «die Mitwir­kung außer­schu­li­scher Perso­nen am Schul­be­trieb […] zuläs­sig», es wären also zum Beispiel Musik­schul­leh­rer erlaubt.

Völlig überra­schend kommt der neue Taktschlag aus dem Kultus­mi­nis­te­ri­um nicht. Landes­mi­nis­te­rin Susan­ne Eisen­mann (CDU) hatte bereits Ende Juli angekün­digt, eine Rückkehr der Musik in die Klassen­räu­me prüfen zu lassen. Ihre Sorge: Beim Singen können Wissen­schaft­lern zufol­ge sogenann­te Aeroso­le, also Gemische aus festen oder flüssi­gen Schwe­be­teil­chen, bis zu einein­halb Meter nach vorne ausge­sto­ßen werden. Das kann eine Anste­ckung mit dem Corona­vi­rus begünstigen.

Nicht zuletzt deshalb erteil­te Eisen­mann den Schul­chö­ren und ‑orches­tern nun auch zunächst eine Absage: Wegen der Dynamik des Infek­ti­ons­ge­sche­hens seien keine jahrgangs­über­grei­fen­den Angebo­te und Aktivi­tä­ten zugelas­sen. «Mir ist völlig bewusst, dass der Verzicht auf gerade diese Angebo­te für musik­be­geis­ter­te Schüle­rin­nen und Schüler sowie die Musik­lehr­kräf­te eine heraus­for­dern­de Situa­ti­on darstellt», bedau­er­te die Minis­te­rin. Sie versprach aber, dass vor den Herbst­fe­ri­en die Lage erneut bewer­tet werde.

Chor- und Musik­ver­bän­de hatten im Sommer wieder­holt gegen das geplan­te Musik-Verbot in Schulen protes­tiert, es gab Online-Petitio­nen und offene Protest­brie­fe. Die FDP hatte sogar das Musik­land Baden-Württem­berg in Gefahr gesehen.

In ersten Reaktio­nen zeigten sich baden-württem­ber­gi­sche Musik­ver­bän­de vorsich­tig zufrie­den mit den neuen Vorga­ben. «Als erster Schritt ist das sehr gut», hieß es beim Landes­mu­sik­rat, dem Dachver­band der Musik­ver­bän­de und ‑Insti­tu­tio­nen im Land. Tilman Heiland, Präsi­dent des Landes­ver­bands im Bundes­ver­band Musik­un­ter­richt, hält die Entschei­dung des Minis­te­ri­ums für nachvoll­zieh­bar, «weil wir sehr vorsich­tig sein müssen». Er sieht aller­dings in der Verord­nung noch etliche Fragen unbeant­wor­tet. «Das gibt den Schulen die Möglich­keit, kreativ zu sein, wenn sie mit den Aufla­gen umgehen müssen», sagte er. Musik­un­ter­richt bleibe aber ein Pflicht­un­ter­richt und müsse auch als ein solcher geschätzt werden.

Der Schwä­bi­sche Chorver­band warnte vor den Proble­men für kleine­re Schulen. «Bei den Abstands­re­geln wird die benötig­te Fläche schnell sehr groß», sagte Sprecher Johan­nes Pfeffer. Vor allem für Schulen mit kleine­ren Jahrgän­gen werde es kaum möglich sein, bei der vorge­schrie­be­nen Auftei­lung der Schulen in Kohor­ten Chöre oder Orches­ter zu bilden.

Die angekün­dig­te neue Bewer­tung vor den Herbst­fe­ri­en sei ein Hoffnungs­schim­mer. Denn das gemein­sa­me Singen in Schulen stelle nach wie vor eine existen­zi­el­le Grund­la­ge für die Chorar­beit in Kirchen und Verei­nen dar. «Wird in Schulen nicht gesun­gen, bricht den Chören irgend­wann der Nachwuchs weg», sagte Pfeffer. Außer­dem sei der positi­ve emotio­na­le und sozia­le Effekt auf Kinder und Jugend­li­che aus dem Schul­all­tag nicht wegzudenken.