HANNOVER (dpa) — Hat der frühe­re Kanzler Gerhard Schrö­der mit seiner Nähe zu Russland gegen die Partei­ord­nung der SPD versto­ßen? Darauf gibt es nun eine erste Antwort. Endgül­tig beigelegt ist der Streit aber noch nicht.

Der frühe­re Bundes­kanz­ler Gerhard Schrö­der hat mit seinem Engage­ment für russi­sche Staats­kon­zer­ne nicht gegen die Partei­ord­nung der SPD versto­ßen. Ein Verstoß könne Schrö­der nicht nachge­wie­sen werden, entschied die Schieds­kom­mis­si­on des SPD-Unter­be­zirks Region Hanno­ver am Montag in erster Instanz. Die Kommis­si­on sieht damit keine Grund­la­ge für eine Rüge oder gar einen Partei­aus­schluss. Gegen die Entschei­dung kann binnen zwei Wochen Berufung einge­legt werden.

Gleich 17 SPD-Gliede­run­gen hatten das Partei­ord­nungs­ver­fah­ren gegen Schrö­der beantragt, hinzu kamen weite­re Anträ­ge, die den forma­len Vorga­ben nicht entspra­chen. Die Schieds­kom­mis­si­on in Hanno­ver hatte das Verfah­ren Mitte Juli partei­öf­fent­lich, aber unter Ausschluss der Medien verhan­delt. Schrö­der selbst war zu dem Termin weder persön­lich erschie­nen noch hatte er einen Anwalt geschickt.

Die Schieds­kom­mis­si­on des SPD-Unter­be­zirks Region Hanno­ver ist für das Verfah­ren zustän­dig, weil Schrö­der Mitglied des dazu gehören­den SPD-Ortsver­eins Oststadt-Zoo ist. Es sind jedoch noch bis zu zwei weite­re Instan­zen möglich: beim SPD-Bezirk Hanno­ver sowie bei der SPD-Bundes­schieds­kom­mis­si­on. Eine Berufung müsste inner­halb von zwei Wochen schrift­lich einge­legt und binnen eines Monats schrift­lich begrün­det werden.

Seit langem in der Kritik

Der heute 78 Jahre alte Schrö­der steht seit langem wegen seiner Nähe zu Russland in der Kritik. Er gilt als enger Freund von Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin und war über Jahre für russi­sche Energie­kon­zer­ne aktiv. Nach Kreml­an­ga­ben war Schrö­der Ende Juli in der russi­schen Haupt­stadt Moskau.

Mit Blick auf Russlands Angriff auf die Ukrai­ne erklär­te Schrö­der zwar, es liege in der Verant­wor­tung der russi­schen Regie­rung, den Krieg zu beenden. Aller­dings dürften die Verbin­dun­gen zu Russland nicht komplett gekappt werden. Im Juli erklär­te der Altkanz­ler zudem, er wolle seinen Draht zu Putin weiter aufrecht­erhal­ten und glaube nicht an eine militä­ri­sche Lösung in der Ukrai­ne. Die SPD-Vorsit­zen­de Saskia Esken hatte Schrö­der wegen dessen Äußerun­gen zum Ukrai­ne-Krieg bereits im April nahege­legt, aus der Partei auszutreten.

Kling­beil distan­ziert sich von Schröder

SPD-Chef Lars Kling­beil hat sich trotz der Entschei­dung der Schieds­kom­mis­si­on klar von Ex-Kanzler Gerhard Schrö­der distan­ziert. «Für uns steht fest: Politisch ist Gerhard Schrö­der mit seinen Positio­nen in der SPD isoliert», erklär­te Kling­beil. Aller­dings ist der Altkanz­ler in der SPD nicht komplett isoliert. Es gebe auch viele SPD-Mitglie­der, die sich mit Schrö­der solida­ri­sier­ten, sagte der Geschäfts­füh­rer des SPD-Bezirks Hanno­ver, Chris­toph Matter­ne, am Rande der Verhand­lung des Partei­ord­nungs­ver­fah­rens. «Die sagen: Wenn Gerhard Schrö­der ausge­schlos­sen wird, dann ist für mich nach 40 Jahren auch Schluss.»

Esken hatte Schrö­der für seine jüngs­ten Äußerun­gen über eine angeb­li­che Verhand­lungs­be­reit­schaft von Russlands Präsi­dent Wladi­mir Putin im Ukrai­ne-Krieg scharf kriti­siert. «Gerhard Schrö­der agiert nicht als Ex-Kanzler, sondern als Geschäfts­mann, und so sollten wir seine Äußerun­gen auch inter­pre­tie­ren», sagte sie den Zeitun­gen der Funke-Medien­grup­pe. «Mit allem, was er tut und sagt, handelt er im eigenen Inter­es­se und in dem seiner Geschäftspartner.»

Ende Juli war der Altkanz­ler erneut zu Besuch bei Putin in Moskau und gab anschlie­ßend dem Magazin «Stern» sowie den Sendern RTL und ntv ein Inter­view, in dem er mit Blick auf den Ukrai­ne-Krieg behaup­te­te: «Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhand­lungs­lö­sung.» Diese und andere Äußerun­gen in dem Inter­view stießen in Deutsch­land partei­über­grei­fend, aber auch inter­na­tio­nal auf massi­ve Kritik.