Auch beim Instru­men­te-Lernen ist während der Pande­mie alles anders. Um im digita­len Musik­un­ter­richt dennoch weiter­zu­ma­chen, braucht es oft eins: die Eltern.

KARLSRUHE (dpa) — Den Weg zur Musik­schu­le kann Benja­min sich sparen. Das ist aber auch das einzi­ge, was der Neunjäh­ri­ge aus Karls­ru­he an der Situa­ti­on gerade gut findet. Seit Monaten hat er seinen Geigen-Lehrer nur noch digital getroffen.

«Wenn es zum Beispiel um die Finger­hal­tung geht, dann kann er mir das zwar zeigen. Aber schwie­ri­ge Anwei­sun­gen dann auch schnell umzuset­zen, das ist gar nicht so einfach», erzählt Benjamin.

Ob Kinder derzeit in der Musik­schu­le unter­rich­tet werden können und unter welchen Regeln, ist abhän­gig von den Verord­nun­gen der Bundes­län­der. Fest steht: Für viele findet der Unter­richt seit beinah einem Jahr meist digital statt. «Das klappt dann gut, wenn Schüler und Lehrer sich schon kennen», sagt Matthi­as Pannes. Er ist Bundes­ge­schäfts­füh­rer des Verbands deutscher Musikschulen.

Schwie­ri­ger sei es derzeit, neue Schüle­rin­nen und Schüler zu gewin­nen. Zwar liegen die aktuel­len Anmel­de­zah­len noch nicht vor. Pannes rechnet aber mit einem Rückgang. Den Anfän­gern fehlt die Erfah­rung, auf der sie aufbau­en können. «Den Umgang mit den Instru­men­ten rein zu beschrei­ben oder vorzu­spie­len, ist da einfach schwie­rig», sagt Pannes. Der Verbands­chef sieht gerade bei den jünge­ren Kindern Proble­me. «Für Kinder, die im Vorschul­be­reich und im Grund­schul­al­ter erreicht werden, ist das Lernen mit allen Sinnen einfach wichtig», sagt er. Musika­li­sche Früherzie­hung zu Hause? Unter bestimm­ten Umstän­den möglich, aber nicht ganz einfach.

Umso wichti­ger ist es, dieje­ni­gen bei der Stange zu halten, die schon dabei sind. An den mehr als 900 Musik­schu­len im Verband klappt das ganz gut, sagt Pannes. Mehr als 80 Prozent der Eltern, die ihre Kinder im Einzel- oder Partner-Unter­richt angemel­det haben, sind dabei geblie­ben. Oft haben die Eltern schon seit Jahren die Gebüh­ren für den Unter­richt bezahlt. Viele fürch­ten: Wenn die Kinder jetzt aufhö­ren, fangen sie vielleicht nie wieder an. Dann wären Zeit und finan­zi­el­ler Aufwand umsonst gewesen.

Motivie­ren, zum Üben überre­den: Das war auch schon vor der Corona-Krise oft Alltag vieler Eltern mit musizie­ren­den Kindern. Nun aber spielen sie oft eine noch größe­re Rolle. Das ist auch bei Benja­min aus Karls­ru­he so. Ein Problem mit der Motiva­ti­on hat er zwar nicht. Dennoch ist er froh, dass seine Mutter auch Geige spielt und ihm manch­mal helfen kann. «Zum Beispiel wenn meine Geige gestimmt werden muss», erklärt er.

«Ohne die Eltern geht gerade eigent­lich nichts», findet Sarah Leuch­ter. Die Mutter aus Köln hat ihre fünfjäh­ri­ge Tochter vor einigen Monaten zur musika­li­schen Früherzie­hung angemel­det. Beim digita­len Unter­richt ist sie immer mit dabei. Singt die Lehre­rin im Bildschirm etwas vor, schal­ten Eltern und Kinder auf der anderen Seite ihre Mikro­fo­ne stumm und singen jeder für sich mit. «Ein Mitein­an­der ist das natür­lich nicht wirklich. Aber es ist besser als nichts», sagt Sarah Leuchter.

«Eine Struk­tur im Tag zu haben und eine regel­mä­ßi­ge wie kreati­ve Beschäf­ti­gung sind beson­ders in diesen Zeiten für Kinder und Jugend­li­che wohltu­end», sagt auch Pannes. Wie motiviert und konse­quent die Kinder dabei bleiben, hänge vor allem von der Situa­ti­on ihrer Famili­en ab, meint Pannes. «Wie sind die Tage in den Famili­en organi­siert? Wie belas­tet sind die Eltern mit ihrer Arbeit? Welche Sorgen gibt es vielleicht in der Krise?» Er wünscht sich, dass beim Thema Öffnun­gen Musik­schu­len und Schulen gleich­be­rech­tigt behan­delt werden. «Bildung ist mehr als Schule», sagt er.

Von Rebec­ca Krizak, dpa