TUTTLINGEN — Erste Nachwei­se in der Region

Am 24. Dezem­ber 2020 hat das Landrats­amt des Schwarz­wald-Baar-Kreises den Ausbruch der Hochpa­tho­ge­nen Aviären Influ­en­za (Geflü­gel­pest) bei Wildvö­geln amtlich festge­stellt. Ein mit schwe­ren Krank­heits­sym­pto­men in der Region aufge­fun­de­ner Mäuse­bus­sard war vom Veteri­när­amt des Landrats­am­tes Schwarz­wald-Baar-Kreis im Hinblick auf Aviäre Influ­en­za beprobt worden. Der positi­ve Geflü­gel­pest-Befund des Chemi­schen und Veteri­när­un­ter­su­chungs­amts (CVUA) Freiburg wurde an Heilig­abend durch das Fried­rich-Loeff­ler-Insti­tut (FLI) bestä­tigt. Nachge­wie­sen wurde hier das H5N8-Virus.

Bei einem am 23. Dezem­ber 2020 wegen Anzei­chen einer Gehirn­er­kran­kung auf Kreis­ge­biet Tuttlin­gen erleg­ten Höcker­schwans war der Befund des CVUA Freiburg ebenfalls positiv; hier steht eine Bestä­ti­gung des FLI noch aus. Weite­re Totfun­de von Vögeln aus dem Kreis­ge­biet Tuttlin­gen werden derzeit noch untersucht.

Für sämtli­che Geflü­gel­hal­tun­gen im Schwarz­wald-Baar-Kreis und im Landkreis Tuttlin­gen gilt ab sofort die Stallpflicht
An der oberen Donau mit ihren Neben­flüs­sen und Rieden überwin­tern viele Wasser­vö­gel verschie­de­ner Arten. Es ist deshalb davon auszu­ge­hen, dass das Virus sich bereits in der Umgebung ausge­brei­tet hat. Aus diesem Grund haben die Landkrei­se Schwarz­wald-Baar-Kreis und Tuttlin­gen am 28. Dezem­ber 2020 jeweils per Allge­mein­ver­fü­gung eine kreis­wei­te Stall­pflicht für alle Arten der Geflü­gel­hal­tung verfügt. Diese gilt für gewerb­li­che Haltun­gen genau­so wie für Hobby­hal­tun­gen. Kontak­te von Hausge­flü­gel mit Wildvö­geln, insbe­son­de­re wildle­ben­den Wasser­vö­geln, müssen unbedingt verhin­dert werden.

Worauf Geflü­gel­hal­ter jetzt achten müssen
Dazu ist alles Geflü­gel in geschlos­se­nen Ställen auf zu stallen. Wo kein Stall verfüg­bar ist, muss die Haltung mindes­tens unter einer überste­hen­den, nach oben gegen Einträ­ge gesicher­ten dichten Abdeckung und einer gegen das Eindrin­gen von Wildvö­geln gesicher­ten Seiten­be­gren­zung erfol­gen. Gitter oder Netze als Überda­chung reichen nicht aus. Futter, Wasser und Geräte, die im Geflü­gel­be­stand einge­setzt werden, dürfen nicht mit Wildvö­geln in Berüh­rung kommen. Außer­dem ist auf eine strik­te Zugangs­be­schrän­kung zu achten. An den Eingän­gen zu den Geflü­gel­hal­tun­gen ist eine Schuh­des­in­fek­ti­on durch­zu­füh­ren. Beim Betre­ten der Geflü­gel­hal­tung ist Schutz­klei­dung (einschließ­lich Stiefel) anzule­gen, Einweg­klei­dung ist anschlie­ßend unver­züg­lich im Hausmüll zu entsor­gen. Es ist eine Möglich­keit zum Waschen der Hände vor und nach Betre­ten des Stalles vorzusehen.

Übertrag­bar­keit auf den Menschen oder auf andere Tiere
Bei den derzeit kursie­ren­den Virus­ty­pen H5N8, H5N5 und H5N3 wurde bisher keine Übertra­gung auf den Menschen oder auf andere Tiere wie beispiels­wei­se Hunde oder Katzen festge­stellt. Für Hunde- und Katzen­hal­ter ist jedoch immer eine gewis­se Vorsicht geboten. Der Kontakt mit Kadavern sollte vermie­den oder soweit möglich unter­bun­den werden (z.B. beim Ausfüh­ren von Hunden oder bei der Jagd). Es sollte stets die Möglich­keit der leich­ten und folgen­schwe­ren Übertra­gung auf Geflü­gel­be­stän­de bedacht werden —  ob über die eigene Kleidung, die Schuhe oder auch über den Hund, der an einem Kadaver zu Gange war.

Was beim Auffin­den veren­de­ter oder erkrank­ter Wildvö­gel zu tun ist
Die Veteri­när­äm­ter bitten, veren­de­te oder erkrank­te Wildvö­gel nicht anzufas­sen und nicht mitzu­neh­men, sondern sich direkt an das Veteri­när­amt, Landrats­amt Tuttlin­gen, Telefon: 07461/926‑5403 oder das Veteri­när­amt, Landrats­amt Schwarz­wald-Baar-Kreis, Telefon: 07721/913 5050 bzw. am Wochen­en­de an die Leitstel­le Tuttlin­gen, Telefon: 07461/75656 oder die Leitstel­le Schwarz­wald-Baar-Kreis, Telefon: 07721/991580  zu wenden. Zu melden sind veren­de­te, verun­fall­te oder erkrank­te Wasser­vö­gel jeder Art, außer­dem Greif­vö­gel, Eulen und Raben­vö­gel (einschließ­lich Elstern und Eichel­hä­her), außer­dem Häufun­gen von Totfun­den und Erkran­kun­gen von Vögeln jeder Art.

Ausbruch­ge­sche­hen der Geflü­gel­pest seit Ende Septem­ber in Norddeutschland
Seit Ende Septem­ber grassiert vor allem an der deutschen Nordsee­küs­te, aber auch in anderen Teilen von Norddeutsch­land sowie an der nieder­län­di­schen und belgi­schen Küste auf sehr dynami­sche Weise die Geflü­gel­pest. Dabei zeich­nen sich im Beson­de­ren hohe Verlus­te bei wildle­ben­den Wasser­vö­geln deutlich ab. Allein in Schles­wig-Holstein wurden bis Weihnach­ten fast 16.000 tote und sterben­de Wasser­vö­gel erfasst. Betrof­fen sind überwie­gend Wildgän­se, aber auch Wildenten, einzel­ne Schwä­ne, viele Limiko­len (Watvö­gel), ferner Möwen, Reiher und immer wieder auch Greif­vö­gel und einzel­ne Eulen. Greif­vö­gel infizie­ren sich oftmals durch das Fressen von Aas veren­de­ter Vögel.

Bislang konnten die Virus­ty­pen H5N8 und H5N5 nachge­wie­sen werden. Der Virus­typ H5N3 kommt neuer­dings hinzu. In Norddeutsch­land kommt es außer­dem vermehrt zu Seuchen­aus­brü­chen in Hausge­flü­gel­be­stän­den, das heißt betrof­fen sind u. a. Hobby­hal­tun­gen als auch große gewerb­li­che Haltun­gen. Weiter südlich gab es bisher nur wenige Einzel­nach­wei­se bei Wildvö­geln am Nieder­rhein, in Hessen, Sachsen und bei Passau. Aus der Boden­see­re­gi­on liegen bisher keine Seuchen­fest­stel­lun­gen vor.

Defini­ti­on: Hochpa­tho­ge­ne Aviäre Influenza
Die Aviäre Influ­en­za ist eine Infek­ti­on von Vögeln (latei­nisch avis= Vogel) mit Influ­en­za-A-Viren. Nach der Schwe­re der Krank­heits­er­schei­nun­gen unter­schei­det man die Hochpa­tho­ge­ne Aviäre Influ­en­za (Highly patho­ge­nic influ­en­za, HPAI), auch Geflü­gel­pest oder umgangs­sprach­lich „Vogel­grip­pe“ genannt, und die Niedrig­pa­tho­ge­ne Aviäre Influ­en­za (Low patho­ge­nic influ­en­za, LPAI). Die Erreger werden nach bestimm­ten Oberflä­chen­an­ti­ge­nen als HxNy benannt. In der Region wurde nun aktuell der auch in Norddeutsch­land haupt­säch­lich auftre­ten­de Virus­typ H5N8 nachge­wie­sen. Seuchen­aus­brü­che mit Influ­en­za-A-Viren der Subty­pen H5 und H7 werden auf der Basis der Geflü­gel­pest­ver­ord­nung staat­lich bekämpft. Die Haupt­sym­pto­me der Geflü­gel­pest sind zunächst ein drasti­scher Rückgang der Futter­auf­nah­me bei anstei­gen­dem, später nachlas­sen­dem Wasser­be­darf, bei Legetie­ren Einbruch der Legeleis­tung. Es folgen Apathie, Atemnot, Schwel­lung und Blauver­fär­bung der Kopfre­gi­on, Durch­fall und Verhal­tens­stö­run­gen als Anzei­chen einer Gehirn­be­tei­li­gung. Die Sterb­lich­keit ist enorm hoch. Bei Wildvö­geln werden die Tiere meist bereits tot aufge­fun­den. In der Regel erkran­ken Hühner­vö­gel wie Haushüh­ner und Puten schwer, während Enten, Gänse und Schwä­ne symptom­los infizier­te Überträ­ger sein können. Wie das aktuel­le Seuchen­ge­sche­hen zeigt, können jedoch auch Enten, Gänse und Schwä­ne schwer erkran­ken und an der Tierseu­che sterben. Die Boden­see­re­gi­on verzeich­net aktuell keine nennens­wer­ten Sterbe­ra­ten von Wildvö­geln und Nutzge­flü­gel. Alle Maßnah­men dienen der Präven­ti­on, um ein drama­ti­sches Seuchen­sze­na­rio wie in Norddeutsch­land zu verhindern.

Das letzte schwe­re Geflü­gel­pest­ge­sche­hen war im Winter 2016/2017 zu verzeich­nen und wurde durch den Virus­typ H5N8 verur­sacht. Diese Pest gilt bei Wildvö­geln wie bei Hausge­flü­gel als eine der folgen­schwers­ten Seuchen in der Geschichte.