BERLIN/ISTANBUL (dpa) — In der ersten Runde der Wahl stimm­ten 65 Prozent der türki­schen Wähler in Deutsch­land für Erdogan. Jetzt können sie wieder an die Urne treten. Auch Heraus­for­de­rer Kilicda­ro­g­lu wendet sich an die Auslandstürken.

Die Stimm­ab­ga­be für die Stich­wahl um das türki­sche Präsi­den­ten­amt hat in Deutsch­land begon­nen. Bis zum 24. Mai sind die 1,5 Millio­nen Wahlbe­rech­tig­ten hierzu­lan­de dazu aufge­ru­fen, sich an den Urnen zwischen dem amtie­ren­den Präsi­den­ten Recep Tayyip Erdogan und seinem Heraus­for­de­rer Kemal Kilicda­ro­g­lu von der CHP zu entschei­den. Erdogan gilt vor der zweiten Runde im Inland wie im Ausland als Favorit, nachdem er die absolu­te Mehrheit in der ersten Runde am 14. Mai nur knapp verpasst hat.

Dass er vor seinem Heraus­for­de­rer lande­te, hat auch mit den Stimmen aus dem Ausland zu tun. Von insge­samt 3,4 Millio­nen wahlbe­rech­tig­ten Ausland­s­tür­ken ging zwar nur etwa die Hälfte zur Wahl. 57,7 Prozent davon stimm­ten aber für den amtie­ren­den Staats­chef. Kemal Kilicda­ro­g­lu kam auf knapp 40 Prozent der Stimmen. Auch in Deutsch­land gab nur etwa jeder zweite Wahlbe­rech­tig­te seine Stimme ab, 65 Prozent davon aber für Erdogan nach vorläu­fi­gen Zahlen. Die Abstim­mung zum Parla­ment konnte die regie­ren­de AKP gemein­sam mit den Stimmen ihres ultra­na­tio­na­lis­ti­schen Partners MHP bereits am vergan­ge­nen Sonntag für sich entscheiden.

Ähnli­ches Wahlver­hal­ten der Auslands­wäh­ler erwartet

Auch bei den nun anste­hen­den Wahlen erwar­ten Beobach­ter ein ähnli­ches Wahlver­hal­ten der Wähler im Ausland. Die meisten der türki­schen Auslands­wäh­ler leben in Deutsch­land. In Berlin stieß die Möglich­keit zur Stimm­ab­ga­be am Samstag auf großes Inter­es­se. Hunder­te türki­sche Wahlbe­rech­tig­te kamen seit dem Morgen zum General­kon­su­lat an der Heerstra­ße im Bezirk Charlot­ten­burg-Wilmers­dorf. Vor dem Gebäu­de bilde­ten sich lange Schlangen.

Erdogan wandte sich am Freitag an seine Anhän­ger, bedank­te sich für deren Stimmen in der ersten Runde und forder­te sie zur erneu­ten Stimm­ab­ga­be auf. «Jeder von Ihnen hat seinen Namen bereits mit golde­nen Buchsta­ben in unsere politi­sche Geschich­te eingra­viert», schrieb Erdogan auf Twitter. «Ich bitte Sie, Ihr demokra­ti­sches Recht unbedingt wahrzunehmen.»

Kilicda­ro­g­lu ruft Ausland­s­tür­ken zur Wahlbe­tei­li­gung auf

Heraus­for­de­rer Kilicda­ro­g­lu rief die Ausland­s­tür­ken eindring­lich zur Wahlbe­tei­li­gung auf. Die Stimme für die Stich­wahl abzuge­ben, sei «natio­na­le Pflicht» für die Bürger, wo immer sie auf der Welt seien, sagte er in einer auf Twitter veröf­fent­lich­ten Anspra­che am Freitagabend.

Türken im Ausland konnten erstmals 2014 in eigens dafür einge­rich­te­ten Wahllo­ka­len abstim­men. Die Regelung geht auf Erdogan zurück. Sie sei eine der syste­ma­ti­schen Maßnah­men des heuti­gen Staats­chefs, die auf Migran­ten aus der Türkei und ihre im Ausland gebore­nen Kinder abzie­len, schreibt Sinem Adar für die Stiftung Wissen­schaft und Politik. Anders als die Opposi­ti­on mache Erdogan Politik für die Türken im Ausland, was sich an der Wahlur­ne für ihn auszah­le. In der Türkei wird die Möglich­keit der Wahl an der Urne im Ausland immer wieder kriti­siert, beson­ders von Oppositionellen.

Bei den Wahlen 2018 hatte etwa die Hälfte der stimm­be­rech­tig­ten Türken in Deutsch­land ihr Wahlrecht genutzt. Dabei stimm­ten rund 65 Prozent für Erdogan. Er schnitt auch damals in der Bundes­re­pu­blik deutlich besser ab als im Gesamt­ergeb­nis (rund 53 Prozent).