Auf dem Weg zu einer grund­sätz­li­chen Umgestal­tung der deutschen Kranken­haus­land­schaft will Baden-Württem­berg den Neubau oder Umbau von 14 Klini­ken im Südwes­ten mit einer hohen Millio­nen­sum­me fördern. Aus Sicht von Opposi­ti­on, Landkrei­sen und Klinik­ver­band ist die Inves­ti­ti­on aller­dings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Erst müssten die Kranken­häu­ser wirtschaft­lich stabi­li­siert werden, kriti­sier­te der Präsi­dent des Landkreis­tags, Landrat Joachim Walter (Tübin­gen). «Noch nie waren die Defizi­te der Kranken­häu­ser so hoch wie aktuell», sagte er am Diens­tag und nannte eine Finan­zie­rungs­lü­cke von bis zu 800 Millio­nen Euro.

Das Land plant, für Bauvor­ha­ben in Kranken­häu­sern und Pflege­schu­len dieses Jahr 248 Millio­nen Euro auszu­ge­ben und hat dies am Diens­tag im Kabinett beschlos­sen. Auch in Krisen­zei­ten müssten Kranken­häu­ser gut aufge­stellt sein, sagte Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) bei der Vorstel­lung des Moder­ni­sie­rungs­pro­gramms. Geför­dert werden sollen vor allem Neubau­ten, Renovie­run­gen und Umbau­ten. Außer­dem sollen zahlrei­che Notauf­nah­men moder­ni­siert werden.

«Wir müssen unsere Struk­tu­ren zukunfts­si­cher weiter­ent­wi­ckeln», sagte Kretsch­mann weiter. Man konzen­trie­re die Förder­mit­tel auf die Kranken­häu­ser, die in der Lage seien, auch in Zukunft die Menschen versor­gen zu können. Die Inves­ti­tio­nen würden alle in Stand­or­te fließen, die auch eine Zukunft hätten, beton­te Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha (beide Grüne) mit Blick auf die geplan­te Reform der Kranken­haus­land­schaft: «Die machen wir nicht zu.»

Unter anderem hat das Klini­kum Heiden­heim einen Förder­be­trag von 104 Millio­nen Euro angemel­det. Das Klini­kum Schorn­dorf rechnet mit Kosten von 96 Millio­nen Euro für eine Sanie­rung. Geld soll zudem in zwei Planungs­ra­ten fließen. Im nächs­ten Schritt finden nun die Förder­ge­sprä­che mit dem Sozial­mi­nis­te­ri­um statt.

Aller­dings warnen die baden-württem­ber­gi­schen Klini­ken angesichts dunkel­ro­ter Zahlen vor Kranken­haus-Insol­ven­zen und fordern ebenfalls schnel­le Finanz­hil­fen noch vor der geplan­ten großen Reform. Die Unsicher­heit bei den Kranken­häu­sern sei sehr groß, man gerate zuneh­mend in Schief­la­ge, warnte der Vorstands­vor­sit­zen­de der baden-württem­ber­gi­schen Kranken­haus­ge­sell­schaft (BWKG), Heiner Schef­fold. «Es droht ein kalter Struk­tur­wan­del.» Man könne nicht auf die geplan­te Reform warten. Die Kranken­häu­ser, die refor­miert werden sollen, seien dann mögli­cher­wei­se gar nicht mehr da.

Die Gesell­schaft vertritt nach eigenen Angaben Hunder­te von Kranken­häu­sern, Pflege­ein­rich­tun­gen und Rehabi­li­ta­ti­ons­an­ge­bo­ten mit 130.770 Betten und Plätzen sowie deren mehr als 250.000 Mitarbeiter.

Auch die SPD kriti­siert die Inves­ti­ti­ons­men­ge des Landes: «Die 248 Millio­nen Euro reichen hinten und vorne nicht für die notwen­di­gen Baumaß­nah­men für die Kranken­häu­ser im Land», sagte Flori­an Wahl, Gesund­heits­exper­te der SPD-Landtags­frak­ti­on. Es fehle auch als Grund­la­ge für die Mittel­ver­tei­lung in Baden-Württem­berg eine schrift­lich nieder­ge­leg­te zeitge­mä­ße Krankenhausplanung.

Wenig Verständ­nis kann Lucha auch bei der AfD erwar­ten. Die sozial­po­li­ti­sche AfD-Frakti­ons­spre­che­rin Carola Wolle nannte das Programm «völlig reali­täts­fern». «Er hat die Rolle des Sterbe­hel­fers der Klinik­land­schaft in Baden-Württem­berg übernom­men», sagte sie. Das Programm ignorie­re völlig die zu erwar­ten­den Baukos­ten­zu­nah­men. «Mit den veran­schlag­ten Beträ­gen ist wirklich nieman­dem gehol­fen. Hier muss deutlich nachge­legt werden», sagte Wolle.

Die Kranken­haus­land­schaft in Deutsch­land soll nach dem Willen von Bund und Ländern grund­le­gend umgestal­tet werden. Die Pläne des Bundes für eine Kranken­haus­re­form sehen bundes­weit eine einheit­li­che Eintei­lung der Klini­ken in drei Stufen vor, mit entspre­chen­der Förde­rung: Wohnort­na­he Klini­ken zur Grund- und Notfall­ver­sor­gung, Häuser mit weite­ren Leistun­gen und Maximal­ver­sor­ger wie Unikli­ni­ken. Auch inner­halb der Klini­ken wird eine stärke­re Spezia­li­sie­rung angestrebt. Zudem sollen die sogenann­ten Fallpau­scha­len abgesenkt werden — Klini­ken bekom­men pro Patient oder Behand­lungs­fall einen pauscha­len Betrag. Zum Ausgleich für abgesenk­te Pauscha­len sollen die Klini­ken «Vorhal­te­leis­tun­gen» bekom­men: feste Beträ­ge für das Vorhal­ten von Perso­nal, einer Notauf­nah­me oder notwen­di­ger Medizintechnik.