Baden-Württem­berg ist das einzi­ge Bundes­land, das Anglern verbie­tet, nachts ihrem Hobby nachzu­ge­hen. Betrof­fe­ne sehen darin eine himmel­schrei­en­de Ungerech­tig­keit und ziehen in Stutt­gart vor den Kadi.

Das Nacht­an­gel­ver­bot in Baden-Württem­berg hat kurio­se Folgen. Am Rhein müssen die Angler aus dem Südwes­ten ihre Ruten einpa­cken, wenn ihre rhein­land-pfälzi­schen Kolle­gen am gegen­über­lie­gen­den Ufer ihr Gerät für nächt­li­ches Fischen auspa­cken. «Es sind dersel­be Fluss und diesel­ben Fische, und doch gelten völlig unter­schied­li­che Vorga­ben», sagt Olaf Lindner vom Deutschen Angel­fi­scher­ver­band (DAFV).

Der Grund: In Baden-Württem­berg herrscht das einzi­ge Nacht­an­gel­ver­bot Deutsch­lands. Die letzten Bundes­län­der mit ähnli­chen Reglun­gen — das Saarland und Bayern — haben diese längst aufgehoben.

Nach der Landes­fi­sche­rei­ver­ord­nung dürfen Angler bis eine Stunde nach Sonnen­un­ter­gang und ab einer Stunde vor Sonnen­auf­gang fischen. Nur das Fischen auf Wels, Fluss­krebs und Aal ist bis Mitter­nacht bezie­hungs­wei­se bis 1.00 Uhr nachts während der Sommer­mo­na­te möglich. Welse und Aale sind nacht­ak­ti­ve Tiere.

Die Tierrechts­or­ga­ni­sa­ti­on Peta schätzt die Regelung als bundes­wei­te Beson­der­heit mit Vorbild­cha­rak­ter und stellt fest: «Auch Fische brauchen Ruhepau­sen.» Die Umwelt­or­ga­ni­sa­ti­on Nabu findet das Nacht­an­gel­ver­bot ebenfalls richtig, denn gerade an den Ufern von Flüssen und Seen sei die Natur beson­ders sensi­bel. «Wo, wenn nicht hier, sollen Vögel sonst noch zur Ruhe kommen?»

Ganz anders sieht das Hans-Hermann Schock, der seit Jahren gegen die aus seiner Sicht unsin­ni­ge Verord­nung kämpft. Der Chef des Angler­ver­eins Württem­berg zeigt sich optimis­tisch, dass er mit seiner Feststel­lungs­kla­ge in dem am Diens­tag begon­ne­nen Verfah­ren vor dem Stutt­gar­ter Verwal­tungs­ge­richt Erfolg hat. «Ich möchte errei­chen, dass das Gericht die Verord­nung als für mich nicht anwend­bar und insge­samt nicht rechtens erklärt.»

Er und die anderen fünf Kläger empfin­den die Regelung als Schika­ne sowie Eingriff in Grund- und Eigen­tums­rech­te. Sie prophe­zei­en, bei einem Erfolg werde so viel Druck aufge­baut, dass die Politik nicht anders könne als die Verord­nung aufzu­he­ben. Dann könnten rund 150 000 Menschen im Südwes­ten mit einem Fische­rei­schein an Seen und Flüssen zwischen Main und Boden­see übernach­ten. Für dieses Vergnü­gen müssen sie bislang in ein anderes Bundes­land auswei­chen. Schock fühlt sich ungerecht behan­delt: «Schwim­men, baden, rudern, Radau machen oder Hunde baden ist rund um die Uhr möglich, aber wir sollen die Stören­frie­de sein?».

Das Stutt­gar­ter Minis­te­ri­um für Ländli­chen Raum kontert: Gegen solche nächt­li­chen Aktivi­tä­ten in und an Gewäs­sern könnten die Behör­den vorge­hen. Das täten sie aber nicht. Dies zeige, dass solche Nutzung bisher nicht in einem schäd­li­chen Umfang vorkom­me. «Demge­gen­über war die Nachfra­ge nach einem unein­ge­schränk­ten Fischen zur Nacht­zeit unter den Anglern von je her so groß, dass es hier stets klarer Regeln bedurft hat», heißt es in einer Stellung­nah­me des Ressorts von Peter Hauk (CDU).

Dessen Vertre­te­rin­nen beantrag­ten, die Klage abzuwei­sen. Es bestehe keine Rechts­ver­hält­nis zwischen Klägern und dem beklag­ten Land. Vielmehr sollten die Angler durch einen absicht­li­chen Verstoß gegen die Regelung und die darauf folgen­de Ahndung als Ordnungs­wid­rig­keit ihr Anlie­gen voranbringen.

«Unzumut­bar», hieß es dazu von den Anglern. Man gehe damit das Risiko ein, dass man seinen Fische­rei­schein und sein Gerät abgenom­men bekom­me. Die Vorsit­zen­de Richte­rin Julia Heiden­reich machte deutlich, dass auch sie diese Alter­na­ti­ve nicht als zielfüh­rend betrach­te. Sie verwies auf die Möglich­kei­ten des Natur­schutz- und Wasser­schutz­rechts hin, mit denen Dinge diffe­ren­ziert geregelt werden können. Damit wäre dann das pauscha­le Verbot obsolet.

Dieses trägt aber laut Minis­te­ri­um dem Bedürf­nis der Fische und anderer Tiere wie am Ufer leben­der Vögel nach ungestör­ter Nacht­ru­he Rechnung. Auch der Bestand der Fische werde dadurch geschont. Anders als das Landwirt­schafts­mi­nis­te­ri­um, das eine Störung der Natur befürch­tet, sieht der DAFV die Angler auch als Natur­schüt­zer und «Aufsicht»: Sie melde­ten den Behör­den Müll oder schlech­ten Gewässer-Zustand.

Der Tenor der 5. Kammer wird an diesem Mittwoch veröf­fent­licht. Wenn Kläger Schock Erfolg hat, wird er das mit einem 24-Stunden-Angeln an einem Stutt­gar­ter See feiern. «Da möchte ich einen möglichst über einen Meter langen Wels fangen und ihn in großer Runde verspei­sen.» Von Julia Giertz, dpa