STUTTGART (dpa) — Baden-Württem­bergs Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann macht keine Anstal­ten, sein Amt vorzei­tig abzuge­ben. Dennoch wird bei den Grünen die Nachfol­ge­fra­ge immer inten­si­ver diskutiert.

Es gibt so Sätze, die hört man von Winfried Kretsch­mann immer wieder, sie sind eine Art Signa­tur. «Geburts­tag hat doch jede Kuh» — das ist zum Beispiel so ein Satz. Den hört man jedes Jahr von ihm. Will man dabei eine Botschaft unter­stel­len, dürfte die wohl Uneitel­keit lauten.

Aber nun wartet ein beson­de­rer Tag auf den baden-württem­ber­gi­schen Minis­ter­prä­si­den­ten. Er wird am Mittwoch (17. Mai) 75 Jahre alt. «So alt werden Kühe nicht», räumte der Grüne nun ein. Deshalb wolle er auch «gebüh­rend» feiern, mit einem offizi­el­len Empfang im Neuen Schloss in Stutt­gart, dann am Wochen­en­de mit der Familie. «Das ist es dann.»

Knapp drei Jahre Amtszeit hat der Regie­rungs­chef des Autolands noch vor sich. Auch wenn man ihm das Alter gelegent­lich anmerkt, und auch wenn Regie­ren «kein Ponyhof» ist, wie er stets gerne betont, sieht Kretsch­mann nicht danach aus, als würde er vorzei­tig abtre­ten wollen.

Einer der größten Tage seines Lebens

Mit Bürokra­tie­ab­bau und Energie­wen­de hat er sich noch mal richti­ge dicke Bretter im Ländle vorge­nom­men, auch wenn die Bohrtie­fe auch nach zwölf Jahren im Amt mitun­ter beschei­den bleibt. Er wolle es sich selbst noch mal bewei­sen, heißt es in seinem Umfeld. Und manch­mal, bei gewis­sen Themen, blüht der gern knorri­ge Kretsch­mann regel­recht auf. Als vor wenigen Tagen im Stutt­gar­ter Natur­kun­de­mu­se­um eine neu entdeck­te Wespen­art nach ihm getauft wird, spricht er, studier­ter Biolo­ge, von «einem der größten Tage» seines Lebens.

Nirgend­wo sonst führen die Grünen eine Regie­rung. Trotz­dem ist klar: Im Frühjahr 2026 soll Schluss sein. Zur Landtags­wahl tritt er nicht mehr an, dann wird Kretsch­mann 77 sein und sich um den Garten kümmern, ums Holzbas­teln und seine Frau. Je näher das Datum rückt, desto mehr richtet sich der Blick auf die Frage, wer den König beerben könnte.

Es wird jeden­falls kein «gmähds Wiesle» für die Grünen, wie der Schwa­be oft schon vor Wahlen beton­te. Bei der Landtags­wahl 2021 erreich­ten die Grünen fast 33 Prozent — eine große Porti­on wurde dabei aber auf den Kretsch­mann-Faktor zurück­ge­führt. «Wir bleiben auf dem Teppich, auch wenn der Teppich fliegt» — den Satz hörte man damals fast täglich vom Ministerpräsidenten.

Damit der grüne Teppich keine Bruch­lan­dung erlei­det, sucht die Partei ein Verfah­ren, um einen Nachfol­ger zu bestim­men. Er selbst, auch ein gern wieder­hol­ter Spruch Kretsch­manns, mische sich da keines­falls ein, er sei schließ­lich kein Monarch. Klar ist: Viele Manda­te hängen an dem Mann. Öffent­li­che Kritik ist deshalb Fehlan­zei­ge — von gelegent­li­chen Kommen­ta­ren der Grünen Jugend abgese­hen. «Der Kretsch­mann-Effekt schwin­det», sagt Landes­spre­che­rin Aya Krkout­li. «Die Partei braucht eigenes Profil, damit wir eine Chance für die Wahl haben.»

Inter­ne Gesprä­che über die Nachfolge

In der Partei hält man sich bedeckt, die Vorsit­zen­de will zur Nachfol­ge­fra­ge nicht mal ans Telefon gehen. «Das ist kein Thema, das wir außer­halb der Partei disku­tie­ren», schreibt sie. Aber intern wird gespro­chen. Und bei den Südwest-Grünen gibt es gewich­ti­ge Stimmen, die der Meinung sind, Kretsch­mann müsse frühzei­tig abtre­ten, damit sich ein poten­zi­el­ler Nachfol­ger profi­lie­ren und mit Amtsbo­nus in die Wahl gehen kann. Aber wer kann in seine Fußstap­fen treten, wer kann auch konser­va­ti­ve Wähler­schich­ten so anspre­chen wie er?

Man hört immer häufi­ger den Namen eines Mannes, von dem es heißt, dass sich ihm, wenn er denn nur wolle, keiner in den Weg stellen würde: Cem Özdemir. Immer häufi­ger lässt sich der Bundes­land­wirt­schafts­mi­nis­ter im Ländle presse­wirk­sam blicken, natür­lich stets demons­tra­tiv schwäbisch.

Nun gibt es dieje­ni­gen, die das darauf zurück­füh­ren, dass es in Baden-Württem­berg eben viele Agrar­the­men zu beackern gibt. Oder dass sich Özdemir um seinen Stutt­gar­ter Wahlkreis kümmern muss. Es gibt aber auch jene, die sagen, Özdemir bringe sich als Kretsch­mann-Erbe in Stellung. Den Grünen im Bund bläst derzeit viel Wind entge­gen. Nächs­te Stati­on: «The Länd»?

Özdemir werden jeden­falls die besten Karten zugeschrie­ben im Bewer­ber­feld. Er ist ebenso Realo wie Kretsch­mann, er ist redege­wandt — und vor allem ist Özdemir im Gegen­satz zu den anderen Aspiran­ten bekannt beim Volk.

Gemein­sam auf einer Wiese

Vor einer guten Woche steht Özdemir mit Kretsch­mann auf einer safti­gen Wiese in Kupfer­zell im Norden des Landes, sie reden über Landwirt­schaft und Arten­viel­falt. Ortster­min, Presse­state­ments. Özdemir lobt den Landes­va­ter über den Klee, er habe das Herz am rechten Fleck, sei unglaub­lich belesen. «Man lernt viel von ihm.» Und, ja, Özdemir wieder­holt: Kretsch­mann sei sein Vorbild. Später, auf einer Konfe­renz, wird er von «Maß und Mitte» reden — auch so ein Kretsch­mann-Wording. Distanz sieht anders aus.

Dennoch: Die Nachfol­ge­de­bat­te kommt für die Grünen noch zu früh. Bewegung wird erst im kommen­den Jahr erwar­tet, irgend­wann nach der Europa­wahl im Frühjahr und vor der Aufstel­lung der Listen­plät­ze für die Bundes­tags­wahl im Herbst. Auch Kretsch­mann hält eine Debat­te für viel zu verfrüht. Nach Ablauf von zwei Dritteln einer Legis­la­tur sei ein vernünf­ti­ger Zeitpunkt, hat er vor kurzem mal gesagt. Oder, um einen weite­ren seiner Sprüche zu zitie­ren: «Das Gras wächst nicht schnel­ler, wenn man daran zieht.»

Von Nico Point­ner, dpa