LONDON (dpa) — Trainer Thomas Tuchel steht wie in der Vorsai­son im Finale der Champi­ons League. Ein Jahr nach der Endspiel-Nieder­la­ge mit Paris Saint-Germain gegen den FC Bayern setzte sich Tuchels Club FC Chelsea gegen Real Madrid durch. Nun wartet ein Premier-League-Rivale.

Thomas Tuchel herzte nach dem Champi­ons-League-Coup gegen Real Madrid jeden seiner Spieler, Torschüt­ze Timo Werner und Vorbe­rei­ter Kai Havertz umarm­ten sich lange und innig.

Der FC Chelsea hat im Halbfi­na­le der Fußball-Königs­klas­se die König­li­chen von Real Madrid entzau­bert und erstmals seit 2012 wieder das Endspiel erreicht. DFB-Torjä­ger Werner (28. Minute) und Jungstar Mason Mount (85.) erziel­ten am Mittwoch die Tore zum 2:0 (1:0)-Erfolg.

«Das war eine großar­ti­ge Leistung und hochver­dient», sagte Tuchel nach der Partie. «Wir haben nie den Hunger verlo­ren, wir haben nie die Konzen­tra­ti­on verlo­ren. Heute ist keine Zeit für Kritik, das war fantas­tisch», sagte der frühe­re Bundes­li­ga-Coach. «Wir haben hart dafür gearbei­tet. Das Wichtigs­te ist, dass wir gewon­nen haben», sagte Mount. Mit einer dicken weißen Daunen­ja­cke war der gut 20 Minuten vor Schluss ausge­wech­sel­te Werner zuvor auf den Platz gerannt und hatte sich und seine Mitspie­ler ausge­las­sen gefeiert.

Nach dem 1:1 im Hinspiel zog das Star-Ensem­ble aus London mit dem deutschen Trainer Tuchel damit erstmals seit neun Jahren und dem Triumph im Elfme­ter­schie­ßen gegen den FC Bayern wieder in das Champi­ons-League-Endspiel ein. Dort kommt es am 29. Mai in Istan­bul zu einem reizvol­len rein briti­schen Duell mit dem Premier-League-Rivalen Manches­ter City und Chefcoach Pep Guardiola.

Der frühe­re Bayern-Trainer hatte sich tags zuvor mit Man City gegen Paris Saint-Germain durch­ge­setzt. Mit den Franzo­sen hatte Tuchel in der vergan­ge­nen Saison noch im Endspiel gegen den FC Bayern verlo­ren. Bis kurz vor Weihnach­ten trug Tuchel noch für PSG die Verant­wor­tung, ehe er dort beurlaubt wurde und wenig später nach London wechselte.

Engagiert dirigier­te der frühe­re Mainz- und Dortmund-Coach seine Elf, gab abwech­selnd Anwei­sun­gen auf Deutsch und Englisch, hader­te in der zweiten Halbzeit zunächst mit dem Chancen­wu­cher — durfte aber schließ­lich nach dem erlösen­den Treffer von Mount und dem Abpfiff des italie­ni­schen Schieds­rich­ters Danie­le Orsato jubeln.

Nach dem 1:1 im Hinspiel waren die Voraus­set­zun­gen klar: Real brauch­te an der Stamford Bridge zwingend ein Tor. Entspre­chend engagiert starte­ten die König­li­chen und hatten auch durch Natio­nal­spie­ler Toni Kroos die erste Möglich­keit. Doch der Fernschuss stell­te Chelsea-Torwart Edouard Mendy vor keiner­lei Proble­me (11.). Gleich zweimal glänzend reagier­te der Schluss­mann der Gastge­ber später aller­dings gegen Real-Angrei­fer Karim Benze­ma (26./35.).

Die Spani­er hatten in den ersten 45 Minuten zwar deutlich mehr Ballbe­sitz, doch Chelsea nutzte seine Chancen effek­tiv und eiskalt. In der 18. Minute hatte Werner seinen rechten Arm schon einmal zu einer verhal­te­nen Jubel­ges­te gehoben, musste aber schnell wieder abwin­ken. Vor seinem vermeint­li­chen Führungs­tref­fer stand der ehema­li­ge Leipzi­ger beim Zuspiel von Ben Chilwell knapp im Abseits.

Zehn Minuten später schau­te Werner wieder zum Assis­ten­ten an der Seiten­li­nie, diesmal aber blieb dessen Fahne unten. Nach feiner Kombi­na­ti­on über N’golo Kanté und Havertz überwand der frühe­re Lever­ku­se­ner Real-Keeper Thibaut Courtois mit einem Lupfer, der an der Latte lande­te. Werner musste aus kürzes­ter Distanz nur noch zu seinem vierten Treffer dieser Champi­ons-Leauge-Saison einköpfen.

«Wir sind mit ihm gefähr­li­cher und vertrau­en ihm, sonst würde er nicht spielen», hatte Tuchel unmit­tel­bar vor der Partie noch im TV-Sender Sky gesagt und den zuletzt immer mal wieder glück­lo­sen Stürmer gegen Kritik in Schutz genom­men. Tuchel vertrau­te in der Start­elf auch Havertz und Vertei­di­ger Antonio Rüdiger, der in der 12. Minute mit einem Schuss aus rund 30 Metern erstmals Courtois prüfte und ansons­ten als überra­gen­der Rückhalt die Abwehr organisierte.

Werners Arbeits­tag war nach 67 Minuten beendet. Für ihn kam der frühe­re Dortmun­der Chris­ti­an Pulisic, von dem sich Tuchel wohl auch mehr Effek­ti­vi­tät im Abschluss erhoff­te. Denn Havertz mit einem Kopfball an die Latte (47.), Mason Mount aus kurzer Distanz (53.), erneut Havertz gegen Courtois (59.) und Kanté (66.) verga­ben beste Torchan­cen. Real-Rückkeh­rer Sergio Ramos, der beim Hinspiel fehlte, mühte sich als Kapitän und Abwehr­chef zwar um Sicher­heit, doch Chelsea hätte in Hälfte zwei längst mit 2:0 oder 3:0 führen müssen.

So aber musste Tuchel zittern, sein Real-Kolle­ge Zinedi­ne Zidane durfte hoffen. Doch fünf Minuten vor Schluss besei­tig­te Mount die letzten Zweifel und schoss die Blues hochver­dient ins Finale.

Von Wolfgang Müller, dpa