STOCKHOLM (dpa) — Nie waren die weltwei­ten Militär­aus­ga­ben so hoch wie 2022. Angetrie­ben vom Ukrai­ne-Krieg stiegen sie vor allem in Europa. Friedens­for­scher sehen das als Anzei­chen für eine zuneh­mend unsiche­re Welt.

Die weltwei­ten Militär­aus­ga­ben haben einen neuen Höchst­stand erreicht. Vor allem wegen des russi­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne stiegen sie im Jahr 2022 infla­ti­ons­be­rei­nigt um 3,7 Prozent auf 2,24 Billio­nen Dollar (rund 2,04 Billio­nen Euro), wie das Stock­hol­mer Friedens­for­schungs­in­sti­tut Sipri in einem neuen Bericht mitteilte.

Die Staaten der Erde steck­ten somit auch im achten Jahr in Folge mehr Geld ins Militär als im jewei­li­gen Vorjahr. Ohne Infla­ti­ons­be­rei­ni­gung würde der Anstieg gar bei 6,5 Prozent liegen. Die USA bleiben klarer Spitzen­rei­ter, Deutsch­land Siebter.

«Der konti­nu­ier­li­che Anstieg der weltwei­ten Militär­aus­ga­ben in den vergan­ge­nen Jahren ist ein Zeichen dafür, dass wir in einer zuneh­mend unsiche­ren Welt leben», erklär­te der Sipri-Forscher Nan Tian. Als Reakti­on auf das sich verschlech­tern­de Sicher­heits­um­feld stärk­ten Staaten ihr Militär — und sie rechne­ten auch nicht damit, dass sich an diesem Umfeld in naher Zukunft etwas zum Besse­ren ändern werde.

Ukrai­ne-Krieg und russi­sche Bedro­hung als Ausgabentreiber

Den mit Abstand stärks­ten Ausga­ben­an­stieg verzeich­ne­te Europa mit einer infla­ti­ons­be­rei­nig­ten Zunah­me um 13 Prozent, dem höchs­ten jährli­chen Anstieg der Zeit nach dem Kalten Krieg. Im Wesent­li­chen lag das an den stark gestie­ge­nen Militär­aus­ga­ben Russlands und der Ukrai­ne, doch die militä­ri­schen Hilfen für die Ukrai­ne und Sorgen vor einer stärke­ren Bedro­hung durch Russland haben nach Sipri-Angaben auch die Ausga­ben­ent­schei­dun­gen vieler anderer Staaten beeinflusst.

Die Russland-Sorgen hätten sich dabei schon seit langem aufge­baut. Viele frühe­re Ostblock­staa­ten hätten ihre militä­ri­schen Ausga­ben seit 2014 — dem Jahr der russi­schen Krim-Annexi­on — mehr als verdoppelt.

Die Staaten in Mittel- und Westeu­ro­pa verwen­de­ten 2022 insge­samt 345 Milli­ar­den Dollar (315 Mrd. Euro) für das Militär. Damit übertra­fen sie infla­ti­ons­be­rei­nigt erstmals das Jahr 1989, als der Kalte Krieg endete. Russlands Einmarsch in die Ukrai­ne im Febru­ar 2022 habe sich unmit­tel­bar auf die Entschlüs­se dieser Länder ausge­wirkt, was sich etwa in mehrjäh­ri­gen Plänen zur Ausga­ben­stei­ge­rung gezeigt habe, sagte Sipri-Exper­te Diego Lopes da Silva. Infol­ge­des­sen könne man in den kommen­den Jahren mit weite­ren Anstie­gen rechnen.

USA unange­foch­ten an der Spitze — Rekordan­stieg durch Ukraine

Ganz klarer Spitzen­rei­ter bei den Militär­aus­ga­ben bleiben die USA. Nach einem Anstieg um 0,7 Prozent lande­ten sie bei Ausga­ben in Höhe von 877 Milli­ar­den Dollar (800 Mrd. Euro), darun­ter 19,9 Milli­ar­den an Militär­hil­fe für die Ukrai­ne. Damit kommen sie auf einen Anteil an den globa­len Ausga­ben von 39 Prozent und auf das Dreifa­che von China (geschätz­te 292 Mrd. Dollar) auf Rang zwei. Russland steiger­te seine militä­ri­schen Aufwen­dun­gen um 9,2 Prozent auf geschätz­te 86,4 Milli­ar­den Dollar, womit es vom fünften auf den dritten Platz sprang.

Indien und Saudi-Arabi­en komplet­tie­ren die Top fünf, Deutsch­land folgt dann nach Zuwäch­sen um 2,3 Prozent mit 55,8 Milli­ar­den Dollar auf Rang sieben hinter Großbri­tan­ni­en. Mit Blick auf das ausge­wie­se­ne Sonder­ver­mö­gen für die Bundes­wehr in Höhe von 100 Milli­ar­den Euro rechnet Sipri mit einem erheb­li­chen Anstieg der deutschen Militär­aus­ga­ben in den kommen­den Jahren. Vom Nato-Ziel, zwei Prozent des Brutto­in­lands­pro­dukts (BIP) in die Vertei­di­gung zu stecken, ist die Bundes­re­pu­blik demnach Stand jetzt mit 1,4 Prozent weiter­hin weit entfernt. Die weltwei­ten Militär­aus­ga­ben entspra­chen 2,2 Prozent des globa­len Bruttoinlandsprodukts.

Und die Ukrai­ne? Die verzeich­ne­te einen Anstieg um satte 640 Prozent — dem höchs­ten, den Sipri jemals für ein Land in einem einzel­nen Jahr regis­triert hat. Mit Militär­aus­ga­ben von nun 44 Milli­ar­den Dollar ohne Berück­sich­ti­gung finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung und Rüstungs­spen­den aus dem Ausland springt die Ukrai­ne somit von Platz 36 schlag­ar­tig auf Rang 11. Angesichts dieses Kosten­an­stiegs und der immensen Kriegs­fol­gen für die ukrai­ni­sche Wirtschaft entspra­chen die Ausga­ben geschätz­ten 34 Prozent des BIP des Landes — nach 3,2 Prozent 2021.

Spannun­gen auch in Fernost

Neben dem Ukrai­ne-Krieg machte Sipri noch einen weite­ren Grund für den globa­len Anstieg aus: Spannun­gen in Ostasi­en. Die militä­ri­schen Gesamt­aus­ga­ben in Asien und Ozeani­en stiegen infla­ti­ons­be­rei­nigt um 2,7 Prozent auf 575 Milli­ar­den Dollar an, stärker dabei jedoch in China (4,2 Prozent), Indien (6,0 Prozent) und in Japan (5,9 Prozent), die zusam­men fast drei Viertel der regio­na­len Ausga­ben ausmachten.

Japan hatte 2022 eine neue Sicher­heits­stra­te­gie ausge­ge­ben, um seine militä­ri­schen Fähig­kei­ten mit Blick auf die wahrge­nom­me­nen Bedro­hun­gen durch China, Nordko­rea und Russland im kommen­den Jahrzehnt auszu­bau­en. «Japan erlebt einen tiefgrei­fen­den Wandel bei seiner Militär­po­li­tik», stell­te der Sipri-Exper­te Xiao Liang fest.

Der jährlich erschei­nen­de Sipri-Bericht zu den Militär­aus­ga­ben in aller Welt gilt als weltweit umfas­sends­te Daten­samm­lung dieser Art. Die Friedens­for­scher zählen auch Aufwän­de für Perso­nal, Militär­hil­fen sowie militä­ri­sche Forschung und Entwick­lung zu den Ausgaben.

Von Steffen Trumpf, dpa