Wegen der Corona-Pandemie müssen die US-Demokraten experimentieren. Ihr weitgehend virtueller Parteitag erinnert bisweilen an den Eurovision Song Contest. Der Sieger: Joe Biden. Die Demokraten machen ihn offiziell zum Herausforderer von Donald Trump.
Milwaukee (dpa) — «It’s Joe Time» — Voller Enthusiasmus lässt die schwarze Krankenschwester Scheena Iyande Tannis die Showtime für Joe Biden beginnen.
Auf dem ersten weitgehend virtuellen Parteitag der US-Demokraten erhielt der 77-Jährige am Dienstag (Ortszeit) die erwartet deutliche Mehrheit aller 4000 Delegiertenstimmen.
«Ich freue mich, bekannt zu geben, dass Vizepräsident Joe Biden offiziell von der Demokratischen Partei als unser Kandidat für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten nominiert wurde», sagte der Parteitagsvorsitzende, Bennie Thompson. Im Hintergrund lief das Lied «Celebration» von Kool & The Gang.
Der ehemalige US-Vizepräsident zieht am 3. November gegen den republikanischen Amtsinhaber Donald Trump in die Wahl. «Es bedeutet die Welt für mich und meine Familie», sagte Biden nach der Nominierung im Beisein seiner Frau Jill und seinen Enkeln, eingerahmt von Luftballons in den Nationalfarben.
«Es ist die Ehre meines Lebens», die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten anzunehmen, schrieb Biden noch auf Twitter. Formell geschieht das erst zum Abschluss des Parteitags am Donnerstag (Ortszeit), wenn Biden in Wilmington (Delaware) seine Nominierungsrede hält. Amtsinhaber Trump soll kommende Woche bei dem Parteitag der Republikaner zum Kandidaten gekürt werden.
Die Corona-Pandemie hatte alle Pläne für den Parteitag umgeworfen. Wie in Corona-Zeiten besondere Anlässe gefeiert werden, haben viele in den vergangenen Monaten selbst erlebt — und so wurde auch Biden gezeigt: nur im Kreis von Familienangehörigen, die Masken trugen. Die übrigen Gratulanten applaudierten in einem Mosaik aus Bewegtbildern in ihren Wohnzimmern.
Ursprünglich war das Treffen in einer großen Halle in Milwaukee (Wisconsin) geplant. Das viertägige traditionelle Mega-Event wurde auf zwei Stunden Programm pro Tag im Stil einer TV-Show reduziert, das im Fernsehen und online übertragen wird. Nach Eva Longoria Bastón zum Auftakt führte am zweiten Abend mit Tracee Ellis Ross wieder eine Schauspielerin durchs Programm. Nur wenige Vertreter der Demokraten sind überhaupt nach Milwaukee gereist.
Die Abstimmung zur Nominierung erinnerte an die Punktevergabe beim Eurovision Song Contest. Pro Staat oder Gebiet der USA wurde ein Video — live oder aufgezeichnet — gezeigt, in denen die Vertreter der einzelnen Landesteile die Zahl der Delegiertenstimmen für Biden verkündeten.
Biden verspricht, das Land als Präsident zu einen. Er will aus der Corona-Pandemie führen und die Wirtschaft wieder aufbauen, die durch die Krise erheblichen Schaden genommen hat. Zudem verspricht er, sich für mehr Gerechtigkeit einzusetzen und gegen systematischen Rassismus einzutreten.
Der 77-Jährige war acht Jahre lang Vizepräsident unter Barack Obama. In die Wahl ziehen will er mit der kalifornischen Senatorin Kamala Harris, die im Fall eines Sieges die erste schwarze Vizepräsidentin der USA wäre. Harris soll am Mittwoch (Ortszeit) nominiert werden und anschließend ihre Nominierungsrede halten.
US-Präsident Trump versucht indes, Biden als «Marionette der radikalen linken Bewegung» zu stilisieren. Bei einem Auftritt am Dienstag in Arizona warnte Trump vor unkontrollierter Einwanderung im Fall seiner Wahlniederlage. «Sie wollen die Mauer nie