WASHINGTON (dpa) — Die Demokra­ten verlie­ren bei den US-Zwischen­wah­len knapp ihre Mehrheit im Reprä­sen­tan­ten­haus. Nancy Pelosi, eine der mächtigs­ten Frauen in der US-Politik, will die Führung in der Kongress­kam­mer abgeben.

Mit den neuen Macht­ver­hält­nis­sen im US-Reprä­sen­tan­ten­haus bahnt sich bei den Demokra­ten auch ein Genera­tio­nen­wech­sel an. Die Vorsit­zen­de der Parla­ments­kam­mer, Nancy Pelosi, gab gestern bekannt, ihre Frakti­on künftig nicht mehr anzuführen.

«Für mich ist es an der Zeit, dass eine neue Genera­ti­on die Demokra­ti­sche Frakti­on führt, die ich so sehr respek­tie­re», sagte die 82-Jähri­ge zu Beginn einer Sitzung der Kammer in Washing­ton. Sie werde aber weiter Abgeord­ne­te bleiben. Nach ihrer Rede kündig­te auch der 83-jähri­ge Steny Hoyer aus Pelosis Team an, künftig auf seine Führungs­auf­ga­ben zu verzichten.

Republi­ka­ner wollen Biden untersuchen

Die Demokra­ten hatten bei den Zwischen­wah­len die Mehrheit im Reprä­sen­tan­ten­haus verlo­ren. Die Abgeord­ne­ten der Frakti­on müssen nun einen neuen Vorsit­zen­den bestim­men, der sie künftig als Minder­heit in der Parla­ments­kam­mer anführt. Die Republi­ka­ner, die in dieser Kammer nun eine ganz knappe Mehrheit haben, kündig­ten gestern an, ihre neue Macht für parla­men­ta­ri­sche Unter­su­chun­gen gegen den US-Präsi­den­ten Joe Biden zu nutzen. Außer­dem können sie in den kommen­den zwei Jahren nach Belie­ben Geset­zes­in­itia­ti­ven aus dem Weißen Haus blockieren.

Als Vorsit­zen­de des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses war Pelosi bislang die Nummer drei in der staat­li­chen Rangfol­ge nach dem US-Präsi­den­ten und dessen Vize. Die US-Demokra­tin aus Kalifor­ni­en gilt als libera­le Schlüs­sel­fi­gur in der ameri­ka­ni­schen Politik — als eine, die Mehrhei­ten organi­sie­ren und Abweich­ler einfan­gen kann. Als erste Frau im Land hatte sie 2007 bis 2011 zum ersten Mal das Amt der Vorsit­zen­den in der Kammer übernom­men, seit 2019 ist sie wieder in dieser Positi­on. Seit 1987 vertritt sie in Washing­ton ihren Wahlkreis in San Francisco.

Angriff auf Pelosis Ehemann

Jüngst hatte ein bruta­ler Angriff auf Pelosis Ehemann Paul den aufge­heiz­ten Wahlkampf in den USA erschüt­tert. Wenige Tage vor den US-Zwischen­wah­len war ein Angrei­fer in das Haus des Paares in San Francis­co einge­drun­gen. Der Angriff galt Pelosi selbst, die zu diesem Zeitpunkt aber nicht Zuhau­se war, wie die Polizei später mitteil­te. Seit einiger Zeit zieht Pelosi den Hass vieler Rechte in den USA auf sich. Ex-Präsi­dent Donald Trump hatte die Politi­ke­rin immer wieder als «verrück­te Nancy» bezeich­net. Beim Sturm auf das US-Kapitol am 6. Januar 2021 wurde auch ihr Büro verwüstet.

US-Präsi­dent Biden würdig­te Pelosi als bedeu­tends­te Führungs­per­sön­lich­keit, die jemals an der Spitze des Reprä­sen­tan­ten­hau­ses gestan­den habe. Während Trumps Präsi­dent­schaft von 2017 bis 2021 entwi­ckel­te sich die fünffa­che Mutter und gläubi­ge Katho­li­kin zu einer wichti­gen Gegen­spie­le­rin des Rechts­po­pu­lis­ten. Auch in der inter­na­tio­na­len Politik bezog sie immer wieder deutlich Stellung, reiste erst kürzlich trotz der großen Spannun­gen zwischen den USA und China auch wegen Taiwan in die Inselrepublik.

Pelosi: Müssen kühn in die Zukunft gehen

In ihrer Rede gestern schil­der­te Pelosi vor den Abgeord­ne­ten mit emotio­na­len Worten ihren Weg durch die US-Politik der vergan­ge­nen Jahrzehn­te — und erläu­ter­te ihr politi­sches Vermächt­nis. Dann sagte sie: «Jetzt müssen wir kühn in die Zukunft gehen: geerdet durch die Prinzi­pi­en, die uns so weit gebracht haben, und offen für neue Möglich­kei­ten für die Zukunft.» Sie sei dankbar, dass so viele bereit und willens seien, «diese große Verant­wor­tung» zu übernehmen.

Der Ruf nach einem Genera­tio­nen­wech­sel war zuletzt auch inner­par­tei­lich lauter gewor­den. Immer wieder gab es Abgeord­ne­te aus den eigenen Reihen, die sich gegen Pelosi ausspra­chen und nach Verän­de­rung und Verjün­gung riefen. Kriti­ker sahen sie als Vertre­te­rin der alten Garde und forder­ten, sie solle nach so vielen Jahren im Kongress und an der Spitze ihrer Frakti­on Platz machen für jemand Jünge­ren. Ihr Nachfol­ger aller­dings wird weniger Macht haben. Denn er oder sie wird die US-Demokra­ten als Minder­heit im Reprä­sen­tan­ten­haus anfüh­ren — und nicht als «Speak­er of the House».