WASHINGTON/LIVERMORE (dpa) — Eine wissen­schaft­li­che Sensa­ti­on: Zum ersten Mal ist Forschern eine Kernfu­si­on gelun­gen, bei der mehr Energie gewon­nen als verbraucht wurde. Dies könnte die Welt grund­le­gend verändern.

Wissen­schaft­le­rin­nen und Wissen­schaft­lern in den USA ist ein histo­ri­scher Durch­bruch auf dem Feld der Kernfu­si­on gelun­gen. Erstmals wurde beim Verschmel­zen von Atomker­nen mehr Energie gewon­nen als verbraucht, wie US-Energie­mi­nis­te­rin Jenni­fer Granholm am Diens­tag in Washing­ton verkün­de­te. «Einfach ausge­drückt ist dies eine der beein­dru­ckends­ten wissen­schaft­li­chen Leistun­gen des 21. Jahrhunderts.»

Die Ergeb­nis­se wurden von einem Forscher­team der staat­li­chen Natio­nal Igniti­on Facili­ty (NIF) am Lawrence Liver­mo­re Natio­nal Labora­to­ry in Kalifor­ni­en erzielt und bedeu­ten einen Meilen­stein auf dem Weg zur Erschlie­ßung einer neuen Energie­quel­le. In Zukunft könnte mithil­fe der Kernfu­si­on womög­lich klima­neu­tral und sicher Strom in riesi­gen Mengen erzeugt werden. Aller­dings dürfte es bis zur kommer­zi­el­len Nutzung des Verfah­rens wegen weiter­hin großer techni­scher Hürden noch ein weiter Weg sein.

Kernfu­si­on gilt als sicher und sauber

Wenn es gelin­ge, die Kernfu­si­on weiter voran­zu­brin­gen, könne sie zur Erzeu­gung von saube­rem Strom und Kraft­stof­fen für den Verkehr, von Energie für die Schwer­indus­trie und vieles mehr genutzt werden, sagte Energie­mi­nis­te­rin Granholm. Es sei ein «Meilen­stein». «Und jeder, der an diesem Durch­bruch in der Kernfu­si­on betei­ligt war, wird in die Geschichts­bü­cher einge­hen», so die Minis­te­rin weiter. Das Experi­ment war der US-Regie­rung zufol­ge am 5. Dezem­ber gelungen.

Sowohl Kernkraft als auch Kernfu­si­on gewin­nen Energie aus den Bindungs­kräf­ten von Atomker­nen. Bei der Kernkraft werden jedoch große Atome gespal­ten, es entsteht unter anderem radio­ak­ti­ver Abfall und es drohen schwe­re Unfäl­le. Bei der Kernfu­si­on hinge­gen werden kleine Atomker­ne zu größe­ren verschmol­zen — fusio­niert -, die Techno­lo­gie gilt als sauber und sicher. Diese Form der Energie­ge­win­nung ähnelt den Vorgän­gen in Sternen wie der Sonne.

Die Forschen­den in Kalifor­ni­en nutzten für ihre Experi­men­te die weltstärks­te Laser­an­la­ge, um winzi­ge Mengen von schwe­rem und überschwe­rem Wasser­stoff (Deute­ri­um und Triti­um) in Millio­nen Grad heißes Plasma zu wandeln. Dabei erhit­zen knapp 200 Laser das Innere eines wenige Milli­me­ter großen Behälters.

Ein weiter Weg zur Energiegewinnung

Bei dem Experi­ment wurde — wie in der Forschung üblich — nur die Energie­bi­lanz des Plasmas selbst angege­ben. Dabei wird nicht berück­sich­tigt, wie viel Strom zum Beispiel in die Laser geflos­sen ist, also die Gesamt­bi­lanz. Für eine künfti­ge Strom­erzeu­gung ist entschei­dend, dass die Gesamt­bi­lanz der Fusion positiv ist — was sie weiter­hin bisher noch längst nicht ist. Zudem ist zu berück­sich­ti­gen, dass die erzeug­te Energie thermisch anfällt, bei der Übertra­gung in Strom kommt es hier in der Regel zu großen Verlusten.

Kimber­ly Budil, Direk­to­rin des Lawrence Liver­mo­re Natio­nal Labora­to­ry, sagte, die Anlage benöti­ge etwa 300 Megajoule Energie, um zwei Megajoule Laser­en­er­gie zu liefern, die drei Megajoule Fusions­aus­beu­te erzeug­ten. Berech­nun­gen weisen demnach darauf hin, dass es mit einem Laser­sys­tem im größe­ren Maßstab möglich ist, eine Ausbeu­te von Hunder­ten Megajoule zu erzie­len. «Es gibt also einen Weg zu einem Ziel, das genügend Ertrag bringt — aber davon sind wir im Moment noch sehr weit entfernt.»

Nun komme es auch darauf an, den Prozess zu verfei­nern sowie einfa­cher zu machen, so Budil weiter. Vor allem an der Wieder­ho­lungs­ra­te müsse gearbei­tet werden, damit der Prozess um ein vielfa­ches öfter als einmal am Tag durch­ge­führt werden könne. «Die Entzün­dung (des Plasmas) ist ein erster Schritt, ein wirklich monumen­ta­ler Schritt.» Er schaf­fe die Voraus­set­zun­gen für ein Jahrzehnt der Trans­for­ma­ti­on. «Und ich kann es kaum erwar­ten zu sehen, wohin es uns führt.»