BERLIN (dpa) — Nach der «Sofort­hil­fe» für Dezem­ber greifen ab März die Energie­brem­sen: Die Preise werden für einen Basis­be­darf gedeckelt. Sie sind aber weiter höher als vor Beginn der Krise.

Die Rechnun­gen für Millio­nen von Gas- und Strom­kun­den werden günsti­ger. Seit Mitter­nacht greifen die milli­ar­den­schwe­ren staat­li­chen Preis­brem­sen zur Dämpfung der drastisch gestie­ge­nen Energie­kos­ten. Die Abschlags­zah­lun­gen verrin­gern sich. Rückwir­kend gibt es auch eine Entlas­tung für Januar und Febru­ar. Das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um spricht von einer «Art Versi­che­rung gegen allzu hohe Energiepreise».

Warum kommen die Preisbremsen?

Die Bundes­re­gie­rung hatte die Deckel im vergan­ge­nen Herbst angesichts der gestie­ge­nen Energie­prei­se beschlos­sen — eine zuvor heftig umstrit­te­ne Gasum­la­ge, die alle Gaskun­den bezahlt hätten, war damit vom Tisch. Die Preis­brem­sen werden aus einem bis zu 200 Milli­ar­den Euro schwe­ren «Abwehr­schirm» des Bundes bezahlt, das ist ein über Schul­den finan­zier­ter Sonder­topf. Wieviel die Bremsen am Ende kosten, hängt von der Entwick­lung der Energie­prei­se ab. Zum Teil gibt es eine Gegen­fi­nan­zie­rung, weil krisen­be­ding­te «Überschuss­er­lö­se» bei Strom­erzeu­gern abgeschöpft werden.

Zwar sind die Großhan­dels­prei­se an den Märkten zuletzt wieder deutlich gesun­ken. Das Instru­men­te der Gas- und Strom­preis­brem­se seien aber weiter wichtig, um die Preise zu stabi­li­sie­ren, erklär­te das Bundes­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­um. Entwick­lun­gen bei den Großhan­dels­prei­sen kämen immer erst nachge­la­gert beim Endkun­den an.

Für Kritik sorgte, dass viele Versor­ger ihre Preise in den vergan­ge­nen Wochen und Monaten erhöht haben. Die Energie­bran­che verwies auf höhere Beschaf­fungs­kos­ten. Der Bundes­ver­band der Energie- und Wasser­wirt­schaft (BDEW) wehrt sich gegen «pauscha­le Verdachtsäußerungen».

Beim Stadt­wer­ke­ver­band VKU heißt es, die Energie­prei­se seien zwar im Großhan­del gesun­ken, aber das aktuel­le Preis­ni­veau sei im Vergleich zum Vorkri­sen­ni­veau immer noch mindes­tens doppelt so hoch. Die Behör­den hätten ausrei­chend Befug­nis­se, um missbräuch­li­ches Verhal­ten zu unter­su­chen und zu ahnden.

Karsten Neuhoff, Leiter der Abtei­lung Klima­po­li­tik im Deutschen Insti­tut für Wirtschafts­for­schung in Berlin, sagte: «Die meisten Gasver­sor­ger haben das Gas bereits letztes Jahr — zu den damals noch viel höheren Preisen — einge­kauft oder sie haben Langfrist­ver­trä­ge, zum Beispiel mit Norwe­gen, die meist auf Preise des Vorjah­res indexiert sind.» Diese spiege­le sich in den Tarifen für Gaskunden.

Wie funktio­nie­ren die Energiepreisbremsen?

Für indus­tri­el­le Großver­brau­cher gelten die Deckel schon. Für priva­te Haushal­te, kleine und mittle­re Unter­neh­men wird der Gaspreis von Anfang März an auf 12 Cent brutto pro Kilowatt­stun­de begrenzt werden. Das gilt für 80 Prozent des im Septem­ber prognos­ti­zier­ten Jahres­ver­brauchs. Wer also mehr als 12 Cent zahlt, für den sinken die monat­li­chen Abschläge.

Für jede über die 80 Prozent hinaus­ge­hen­de Kilowatt­stun­de müssen Kunden den festge­leg­ten Arbeits­preis des jewei­li­gen Tarifs zahlen. Das soll einen Anreiz geben zum Energie­spa­ren: Je weniger Gas man nutzt, desto gerin­ger ist der Verbrauch, der über der Preis­brem­se liegt — und desto weniger zahlt man. Die Botschaft ist auch: Die Energie­kri­se ist noch nicht vorbei.

Der Strom­preis für priva­te Verbrau­cher sowie kleine und mittle­re Firmen wird bei 40 Cent pro Kilowatt­stun­de brutto begrenzt. Auch hier gilt dies für einen Bedarf von 80 Prozent des prognos­ti­zier­ten Verbrauchs.

Die Preis­brem­sen laufen nach derzei­ti­gen Regelun­gen am 31. Dezem­ber 2023 aus. Eine Verlän­ge­rung maximal bis zum 30. April 2024 ist im Gesetz angelegt, hängt aber nach Angaben des Wirtschafts­mi­nis­te­ri­ums von europäi­schen Vorga­ben ab.

Was bedeu­tet das für die Verbraucher?

Verbrau­cher müssten sich um nichts kümmern, heißt es zum Beispiel bei Vatten­fall oder Eon. Die Abschlags­zah­lung wird entspre­chend verrin­gert, die Kunden werden infor­miert. Mieter sollen die Entlas­tung in der Regel über die Heizkos­ten­ab­rech­nung erhal­ten, die dann im kommen­den Jahr kommt.

VKU-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Ingbert Liebing sagte, alle Unter­neh­men arbei­te­ten seit Monaten gemein­sam mit ihren IT-Dienst­leis­tern mit Hochdruck an einer frist­ge­rech­ten Umset­zung der Preis­brem­sen. Viele Kundin­nen und Kunden hätten von ihren Energie­ver­sor­gern bereits Infor­ma­ti­ons­schrei­ben mit detail­lier­ten Angaben zu Entlas­tun­gen erhal­ten. «Selbst wenn es zu ungewoll­ten Verzö­ge­run­gen bei der Umset­zung der Energie­preis­brem­sen kommen sollte: Alle Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher werden ihre Entlas­tun­gen bekommen.»

BDEW-Haupt­ge­schäfts­füh­re­rin Kerstin Andreae sagte, die Geset­ze zu den Energie­preis­brem­sen seien so komplex geraten, dass ihre prakti­sche Umset­zung eine «Mammut-Aufga­be» sei. IT-Syste­me für über 40 Millio­nen Haushal­te sowie für tausen­de Firmen müssten umgestellt werden. Die Umset­zung der Entlas­tun­gen über die Energie­ver­sor­ger sei ein absolu­tes Novum.

Die Energie­bran­che habe in einer Ausnah­me­si­tua­ti­on die Abwick­lung der Entlas­tun­gen zugewie­sen bekom­men — weil der Staat derzeit keine rechts­si­che­re und prakti­ka­ble Grund­la­ge habe, mit denen er solche Preis­brem­sen oder finan­zi­el­len Hilfen direkt an die Bürger auszah­len kann. Das müsse sich schleu­nigst ändern.

Wie hoch ist die Entlastung?

Wie hoch die Entlas­tung ausfällt, richtet sich nach dem jewei­li­gen Verbrauch und Tarif. Bei viele Versor­gern gibt es im Inter­net Entlas­tungs­rech­ner, mit denen die indivi­du­el­le Entlas­tung ausge­rech­net werden kann. Nach Berech­nun­gen des Vergleichs­por­tals Verivox wird eine Familie, die im örtli­chen Grund­ver­sor­gungs­ta­rif ist, im Bundes­durch­schnitt um rund 718 Euro bei Gas und um rund 216 Euro bei Strom entlas­tet — bei einem Verbrauch von 20.000 Kilowatt­stun­den Gas und 4000 Kilowatt­stun­den Strom.

Der bundes­wei­te Neukun­den­preis liege bei 35,9 Cent/kWh beim Strom und 11,2 Cent beim Gas. Haushal­te könnten durch einen Wechsel in einen günsti­gen Tarif die Preis­brem­sen unnötig machen. Das sei aber nicht immer möglich, so Verivox-Energie­ex­per­te Thors­ten Storck. «Wer beispiels­wei­se im vergan­ge­nen Jahr einen Vertrag zu hohen Preisen mit länge­rer Laufzeit abgeschlos­sen hat, muss erst das Ende der Vertrags­lauf­zeit abwar­ten. Daher sind die Preis­brem­sen immer noch wichtig.»

Die Energie­prei­se entwi­ckel­ten sich für Verbrau­che­rin­nen und Verbrau­cher derzeit positiv, sagte der Energie­ex­per­te des Vergleichs­por­tals Check24, Steffen Suttner. Erwar­tet werde, dass die Preise für Neukun­den in den kommen­den Wochen weiter sinken. «Dann werden auch die Preis­brem­sen weniger gebraucht.» Die Entwick­lung bleibe aller­dings abhän­gig von den weltpo­li­ti­schen Ereig­nis­sen sowie den Füllstän­den der Gasspeicher.

Was ist mit Öl und Pellets?

Der Bund hat auch eine Härte­fall­re­gel angekün­digt für priva­te Verbrau­cher, die andere Heizmit­tel verwen­den, also etwa Öl oder Pellets — Voraus­set­zung sind massi­ve Preis­sprün­ge. Seit Wochen aber verhan­deln Bund und Länder über die Einzel­hei­ten. Der Bund will bis zu 1,8 Milli­ar­den Euro zur Verfü­gung stellen, die Länder sollen sich um die Anträ­ge und Auszah­lung kümmern.

Von Andre­as Hoenig, dpa