BERLIN/FRANKFURT (dpa) — Es war eine Frage der Zeit: Im Tarif­kon­flikt des Öffent­li­chen Diens­tes greift Verdi zu einer ihrer schärfs­ten Waffen — und will mehre­re Airports lahmle­gen. Passa­gie­re müssen mit Ausfäl­len rechnen.

Zehntau­sen­de Flugpas­sa­gie­re müssen sich am Freitag in Deutsch­land auf Ausfäl­le und Verspä­tun­gen gefasst machen. Die Gewerk­schaft Verdi kündig­te in der Nacht zu Mittwoch an, dann die Airports in München, Frank­furt, Hamburg, Stutt­gart, Dortmund, Hanno­ver und Bremen ganztä­gig lahmle­gen zu wollen — und weitet damit den Tarif­streit im Öffent­li­chen Dienst auf Flughä­fen aus. Die Beschäf­tig­ten der Betrei­ber­ge­sell­schaf­ten werden häufig nach den Tarif­ver­trä­gen der Kommu­nen bezahlt.

Der Warnstreik soll am frühen Freitag­mor­gen begin­nen und in der Nacht auf Samstag enden. Hilfs­lie­fe­run­gen zu den Erdbe­ben­op­fern in die Türkei und nach Syrien sollen vom Streik ausge­nom­men sein.

Forde­run­gen bislang abgewiesen

Mit den nun fortge­setz­ten Warnstreiks wollen die Beschäf­tig­ten ihren Forde­run­gen im laufen­den Tarif­streit des öffent­li­chen Diens­tes von Bund und Kommu­nen Nachdruck verlei­hen. Bis zur zweiten Runde der Tarif­ver­hand­lun­gen am 22. und 23. Febru­ar sind weite­re Warnstreiks unter anderem in Hessen, Baden-Württem­berg und Nordrhein-Westfa­len angekündigt.

In den laufen­den Tarif­ver­hand­lun­gen fordern Verdi und der Beamten­bund dbb 10,5 Prozent mehr Einkom­men, mindes­tens aber 500 Euro mehr für die rund 2,5 Millio­nen Beschäf­tig­ten im öffent­li­chen Dienst von Bund und Kommu­nen. Die Laufzeit des neuen Tarif­ver­trags soll zwölf Monate betra­gen. Die Arbeit­ge­ber haben die Forde­run­gen bislang zurückgewiesen.

Die stell­ver­tre­ten­de Verdi-Vorsit­zen­de Chris­ti­ne Behle sagte, bei den Beschäf­tig­ten der Boden­ver­kehrs­diens­te herrsche nach wie vor ein katastro­pha­ler Arbeits­kräf­te­man­gel. Um diese Situa­ti­on zu ändern, müsse für sie eine attrak­ti­ve Lohner­hö­hung erfol­gen. Die Beschäf­tig­ten der Luftsi­cher­heit hätten Anspruch auf eine Erhöhung der Zuschlä­ge in den Mantel­ta­rif­ver­trä­gen. Im «Handels­blatt» (Mittwoch) warnte sie: «Wir brauchen dringend besse­re Arbeits­be­din­gun­gen für die Beschäf­tig­ten im Luftver­kehr, sonst droht der nächs­te Chaossommer.»

«Deutlich mehr Geld, um Lebens­un­ter­halt zu bestreiten»

«Infla­ti­on, hohe Energie- und Lebens­mit­tel­prei­se treiben die meisten Beschäf­tig­ten in eine unsiche­re Situa­ti­on», sagte Behle laut Verdi-Mittei­lung und fügte hinzu: «Viele wissen nicht mehr, wie sie ihre Mieten bezah­len und den Kühlschrank füllen sollen. Sie brauchen deutlich mehr Geld, um ihren Lebens­un­ter­halt zu bestrei­ten.» Das müssten die Arbeit­ge­ber einse­hen und dementspre­chend reagieren.

Wegen des Streiks ist der Gewerk­schaft zufol­ge mit starken Auswir­kun­gen vor allem im inner­deut­schen Flugver­kehr zu rechnen — von Verspä­tun­gen, über Ausfäl­le bis hin zum teilwei­se Erlie­gen des Luftver­kehrs. Behle wies darauf hin, Hilfs­lie­fe­run­gen für die Erdbe­ben­op­fer in die Türkei und nach Syrien würden nicht bestreikt. Viele Hilfs­lie­fe­run­gen würden zudem über das Zentrum für Auslands­lo­gis­tik des THW in Mainz erfolgen.

Verdi hatte im Januar bereits in zwei anderen Tarif­kon­flik­ten die Flughä­fen in Berlin und Düssel­dorf bestreikt. In der NRW-Haupt­stadt ging es um einen neuen Abschluss beim Boden­ab­fer­ti­ger Aviapart­ner, in Berlin streik­ten die Beschäf­tig­ten der Betrei­ber­ge­sell­schaft, der Boden­ver­kehrs­diens­te sowie die Luftsi­cher­heits­kon­trol­leu­re. In Berlin wurde nach dem Warnstreik eine Einigung erzielt.

Letzter großer Streik 2018

Der Luftver­kehr ist wegen der zersplit­ter­ten Dienst­leis­ter extrem streik­an­fäl­lig, weil viele kleine, sicher­heits­re­le­van­te Gruppen streik­mäch­tig genug sind, den Betrieb lahm zu legen. Im Grunde reicht der Streik der Flugha­fen­feu­er­wehr, um den gesam­ten Betrieb stillzulegen.

In der Vergan­gen­heit haben beispiels­wei­se die Kräfte an der Passa­gier­kon­trol­le, die Piloten, Techni­ker, Flugbe­glei­ter, Vorfeld­lot­sen oder das Boden­per­so­nal gestreikt. Sie werden teilwei­se von Sparten­ge­werk­schaf­ten vertre­ten. Verdi hat unter anderem über den hier im Streit stehen­den Tarif­ver­trag des Öffent­li­chen Diens­tes, nach dem viele Beschäf­tig­te der Flugha­fen­ge­sell­schaf­ten bezahlt werden, Zugriff auf die Fluginfrastruktur.

Der bisher letzte große Warnstreik mit ähnli­chen Folgen liegt bereits einige Jahre zurück: Im April 2018 mussten deutsch­land­weit Hunder­te Flüge annul­liert werden, weil die Tarif­ver­hand­lun­gen für die Beschäf­tig­ten der Kommu­nen und des Bundes nicht voran­ka­men. In acht Bundes­län­dern legten daher bei einem Warnstreik Zehntau­sen­de Beschäf­tig­te die Arbeit nieder. Neben Flughä­fen waren vieler­orts auch der städti­sche Nahver­kehr, Kitas, Klini­ken, Verwal­tun­gen und Hallen­bä­der betroffen.