STRASSBURG (dpa) — In Europa tobt Krieg, hohe Energie­prei­se setzen Wirtschaft und Verbrau­chern zu. Wie steuert die EU durch die kommen­den Monate? Die Chefin der Europäi­schen Kommis­si­on gibt Antworten.

EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen hat die Bürge­rin­nen und Bürger der Europäi­schen Union vor dem Hinter­grund des Ukrai­ne-Kriegs auf schwe­re Monate eingeschworen.

«Die bevor­ste­hen­den Monate werden nicht leicht», sagte die deutsche Politi­ke­rin bei ihrer Rede zur Lage der EU im Europa­par­la­ment in Straß­burg. «Weder für Famili­en, die nur schwer über die Runden kommen, noch für Unter­neh­men, die schwie­ri­ge Zukunfts­ent­schei­dun­gen treffen müssen.»

Es stehe nicht nur für die Ukrai­ne, sondern auch für Europa und die ganze Welt viel auf dem Spiel. «Wir werden auf die Probe gestellt werden», sagte von der Leyen. Russlands Krieg sei nicht nur ein Krieg gegen die Ukrai­ne. «Dies ist ein Krieg gegen unsere Energie­ver­sor­gung, ein Krieg gegen unsere Wirtschaft.»

Von der Leyen schlägt Überge­winn­ab­ga­ben für Energie­fir­men vor

Zur Entlas­tung der Verbrau­cher sollen übermä­ßi­ge Gewin­ne von Energie­fir­men in der EU künftig abgeschöpft und umver­teilt werden. EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen kündig­te am Mittwoch im Straß­bur­ger Europa­par­la­ment einen Geset­zes­vor­schlag gegen die hohen Energie­prei­se an, der sowohl Produ­zen­ten von erneu­er­ba­rem Strom als auch Gas- und Ölkon­zer­ne treffen würde. «Unser Vorschlag wird mehr als 140 Milli­ar­den Euro für die Mitglied­staa­ten bringen, um die Not unmit­tel­bar abzufe­dern», sagte von der Leyen.

Der Geset­zes­vor­schlag sieht von der Leyen zufol­ge vor, dass übermä­ßi­ge Gewin­ne vieler Strom­pro­du­zen­ten an Verbrau­cher verteilt werden sollen, um sie bei den hohen Kosten zu entlas­ten. Der Strom­preis wird derzeit vom hohen Gaspreis getrie­ben und auch Produ­zen­ten von billi­ge­rem Strom — etwa aus Sonne, Wind, Atomkraft oder Kohle — können diesen zu den hohen Preisen verkau­fen. Firmen, die Elektri­zi­tät nicht aus Gas herstel­len, sollen einen Teil dieser Gewin­ne abgeben. Laut einem Entwurf sollen Einnah­men ab 180 Euro pro Megawatt­stun­de an den Staat gehen. Aus diesem Geld sollten Entlas­tungs­maß­nah­men finan­ziert werden. Die Bundes­re­gie­rung hat ähnli­che Maßnah­men unterstützt.

Aber auch Gas- und Ölkon­zer­ne sollten von der Leyen zufol­ge ihren Beitrag leisten über eine Krisen­ab­ga­be. Laut dem Entwurf sollen sie auf Profi­te des laufen­den Jahres, die 20 Prozent über dem Durch­schnitt der vergan­ge­nen drei Jahre lagen, eine Solida­ri­täts­ab­ga­be von 33 Prozent zahlen.

EU-Sanktio­nen gegen Russland werden von Dauer sein

Russland kann nach den Worten der EU-Kommis­si­ons­che­fin auf abseh­ba­re Zeit nicht mit einer Aufhe­bung der EU-Sanktio­nen rechnen. «Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass die Sanktio­nen von Dauer sein werden», sagte sie. Moskau trage die Verant­wor­tung dafür, dass die russi­sche Wirtschaft den Anschluss verlie­re. «Dies ist der Preis für Putins Spur des Todes und der Vernich­tung.» Die Straf­maß­nah­men der EU gegen Russland seien die schärfs­ten Sanktio­nen, die die Welt je gesehen habe.

Zudem sagte sie, Europa habe seit dem ersten Tag an der Seite der Ukrai­ne gestan­den und werde dies auch auf lange Sicht tun. Mit Waffen, finan­zi­el­ler Unter­stüt­zung und der Aufnah­me von Flücht­lin­gen habe man dem Land gehol­fen. «Bislang hat Team Europa finan­zi­el­le Hilfe von mehr als 19 Milli­ar­den Euro bereit­ge­stellt», sagte von der Leyen. Dabei sei militä­ri­sche Unter­stüt­zung noch nicht mit eingerechnet.

Von der Leyen reist erneut nach Kiew

Zur Unter­stüt­zung der Ukrai­ne will von der Leyen erneut in das von Russland angegrif­fe­ne Land reisen. Sie werde heute für Gesprä­che mit Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj nach Kiew reisen, sagte die deutsche Politi­ke­rin. Man müsse darauf hinar­bei­ten, dass die Ukrai­ne einen Zugang zum europäi­schen Binnen­markt habe und umgekehrt.

«Unser Binnen­markt ist eine der größten Erfolgs­ge­schich­ten Europas. Nun ist es an der Zeit, ihn auch für unsere ukrai­ni­schen Freun­din­nen und Freun­de zu einer Erfolgs­ge­schich­te zu machen», sagte von der Leyen.

Es wäre bereits von der Leyens dritte Reise in die Ukrai­ne seit Russland das Land am 24. Febru­ar angegrif­fen hatte. Im April besuch­te sie unter anderem den Kiewer Vorort Butscha, in dem kurz zuvor Kriegs­ver­bre­chen öffent­lich gewor­den waren. Im Juni sprach sie mit Selen­skyj und Minis­ter­prä­si­dent Denys Schmyhal in Kiew über noch offene Punkte des ukrai­ni­schen EU-Aufnah­me­ge­suchs. Mittler­wei­le haben die 27 EU-Staaten der Ukrai­ne den Status als EU-Kandi­dat erteilt.