MOSKAU (dpa) — Wann wieder Gas durch Nord Stream 1 fließt, ist ungewiss. Doch Deutsch­land sei auf einen Ausfall vorbe­rei­tet, sagen Behör­den und Regie­rung. Und auch die Speicher sollen sich weiter füllen.

Drei Tage Wartungs­ar­bei­ten waren angekün­digt, danach sollte wieder Gas durch die Pipeline Nord Stream 1 fließen. Doch dann kam alles anders: Am Freitag­abend teilte Gazprom überra­schend mit, dass der Gasdurch­fluss vorerst gestoppt bleibe.

Der Grund sei ein Ölaus­tritt in der Kompres­sor­sta­ti­on Porto­wa­ja. Bis dieser gestoppt sei, könne kein Gas mehr fließen, so der russi­sche Energiekonzern.

Reaktio­nen

Bundes­re­gie­rung und Bundes­netz­agen­tur reagier­ten prompt: Die Lage auf dem Gasmarkt sei zwar angespannt, die Versor­gungs­si­cher­heit aber gewähr­leis­tet, sagte eine Spreche­rin des Bundes­wirt­schafts­mi­nis­te­ri­ums. Die Meldun­gen von Gazprom habe man zur Kennt­nis genom­men. «Wir kommen­tie­ren diese in der Sache nicht, aber die Unzuver­läs­sig­keit Russlands haben wir in den vergan­ge­nen Wochen bereits gesehen und entspre­chend haben wir unsere Maßnah­men zur Stärkung der Unabhän­gig­keit von russi­schen Energie­im­por­ten unbeirrt und konse­quent fortge­setzt. Dadurch sind wir jetzt wesent­lich besser gerüs­tet als noch vor einigen Monaten.»

Ähnlich äußer­te sich die Bundes­netz­agen­tur. «Aufgrund der verstärk­ten Maßnah­men der vergan­ge­nen Monate ist Deutsch­land auf einen Ausfall der russi­schen Liefe­run­gen mittler­wei­le besser vorbe­rei­tet», teilte die Behör­de mit. «Es sind aber weite­re Anstren­gun­gen erfor­der­lich.» Bundes­netz­agen­tur-Chef Klaus Müller verwies per Twitter unter anderem auf die geplan­ten LNG-Termi­nals, die wachsen­de Gas-Einspei­che­rung und Einspar­maß­nah­men. «Gut, dass Deutsch­land inzwi­schen besser vorbe­rei­tet ist, jetzt kommt es aber auf jede/n an», schrieb Müller weiter.

Einspei­che­rung

Trotz des anhal­ten­den Liefer­stopps kann in Deutsch­land weiter Erdgas einge­spei­chert werden, sagte der Geschäfts­füh­rer des Branchen­ver­ban­des Initia­ti­ve Energien Speichern (INES), Sebas­ti­an Blesch­ke, der Deutschen Presse-Agentur. Der vergan­ge­ne Mittwoch als erster Tag der Liefer­un­ter­bre­chung habe dies bereits gezeigt.

Unterm Strich seien an diesem Tag bundes­weit 611 Gigawatt­stun­den Gas hinzu­ge­kom­men, sagte Blesch­ke. Zum Vergleich: Am Montag, dem letzten Tag vor der angekün­dig­ten Liefer­re­duk­ti­on, trans­por­tier­te Nord Stream 1 rund 348 Gigawatt­stun­den russi­sches Erdgas.

«Ich gehe davon aus, dass Einspei­che­run­gen auf diesem Niveau aufrecht­erhal­ten werden können, so dass das 85-Prozent-Ziel in wenigen Tagen erreicht werden wird», sagte Blesch­ke weiter. «Sollte der komplet­te Ausfall russi­scher Gastrans­por­te sich bis in den Novem­ber fortset­zen, wird ein Errei­chen des 95-Prozent-Ziels aller­dings große Anstren­gun­gen erfor­dern.» Laut einer neuen Verord­nung sollen die Speicher in Deutsch­land am 1. Novem­ber zu mindes­tens 95 Prozent gefüllt sein. 85 Prozent sind die Zielmar­ke für den 1. Oktober.

Die Bundes­re­gie­rung will mit verschie­de­nen Maßnah­men errei­chen, dass die Gasspei­cher in Deutsch­land zu Beginn der Heizpe­ri­ode fast voll sind. Deutsch­land soll damit im Winter besser gegen einen Total­aus­fall russi­scher Liefe­run­gen gewapp­net sein. Die bei einem Füllstand von 95 Prozent gespei­cher­te Gasmen­ge entspricht etwa dem bundes­wei­ten Verbrauch der beiden Monate Januar und Febru­ar 2022.

«Die Nutzung von Gas als Waffe wird an der Entschlos­sen­heit der EU nichts ändern», schrieb EU-Ratsprä­si­dent Charles Michel auf Twitter. «Wir werden unseren Weg zur Energie-Unabhän­gig­keit beschleunigen.»

Das weitaus meiste Erdgas erhält Deutsch­land inzwi­schen aus Norwe­gen, den Nieder­lan­den und Belgi­en. Am Donners­tag flossen nach Angaben der Bundes­netz­agen­tur rund 2900 Gigawatt­stun­den Erdgas aus diesen Ländern nach Deutsch­land. Zum Vergleich: Am Montag, noch vor der angekün­dig­ten Liefer­re­duk­ti­on, trans­por­tier­te Nord Stream 1 rund 348 Gigawatt­stun­den russi­sches Erdgas.