STUTTGART (dpa/lsw) — In Baden-Württem­berg gibt es noch keine Klinik­in­sol­ven­zen, aber auch hier melden die Kranken­häu­ser nach einer Umfra­ge die schlech­tes­te finan­zi­el­le Situa­ti­on jemals. Die Unter­fi­nan­zie­rung hat gravie­ren­de Folgen für kranke Menschen.

Die Warte­lis­ten für planba­re Eingrif­fe in den Südwest­kli­ni­ken werden immer länger: Nicht nur Patien­ten mit Hüft- oder Kniepro­ble­men, sondern mittler­wei­le auch Krebs­kran­ke müssen mit OP-Verschie­bun­gen rechnen. Dies ist das Ergeb­nis einer am Diens­tag vorge­stell­ten Umfra­ge der Baden-Württem­ber­gi­schen Kranken­haus­ge­sell­schaft (BWKG). Darin gaben 66 Prozent der Geschäfts­füh­rer an, dass die Warte­lis­ten im Vergleich zu 2019 länger ausfal­len. «Das ist mit viel Leid für die Patien­ten verbun­den», sagte BWKG-Chef Heiner Schef­fold. Länge­rer Schmerz und Unsicher­heit belas­te­ten die Betrof­fe­nen psychisch. Die drama­ti­sche Situa­ti­on sei dem Fachkräf­te­man­gel geschul­det, der dazu führe, dass 10 bis 15 Prozent der Betten im Land nicht genutzt werden können. Das entspre­che 5000 bis 8000 Betten.

Um die verblie­be­nen Pflege­kräf­te hat sich ein harter Konkur­renz­kampf entwi­ckelt. Leihar­beits­fir­men böten für einen Wechsel von höheren Löhnen über günsti­ge Arbeits­zei­ten bis hin zum Dienst­wa­gen an, sagte BWKG-Haupt­ge­schäfts­füh­rer Matthi­as Einwag. Laut BWKG-Indika­tor finden 74,8 Prozent der Kranken­haus-Geschäfts­füh­rer es schwie­rig oder eher schwie­rig, freie Stellen im ärztli­chen Dienst neu zu beset­zen, im Pflege­dienst sind dies sogar 90,8 Prozent. Überbor­den­de Bürokra­tie reduzie­re die Zeit für die Pflege am Bett. Die viel zu detail­lier­te Daten­er­fas­sung, die 30 bis 40 Prozent der Arbeits­zeit binde, müsse ein Ende haben, forder­te Scheffold.

Nach seinen Worten versu­chen die Kranken­häu­ser, trotz Corona-Belas­tun­gen, Fachkräf­te­man­gel und Krank­heits­wel­len die Menschen bestmög­lich zu versor­gen. Aber dafür müssten Finan­zie­rung und Rahmen­be­din­gen stimmen. Dass dies nicht der Fall sei, zeige die Umfra­ge, nach der drei Viertel der Klini­ken rote Zahlen schrei­ben und 84 Prozent eine schlech­te­re Lage im kommen­den Jahr befürch­ten. Insol­ven­zen wie in anderen Bundes­län­dern gebe es an den Klini­ken zwischen Main und Boden­see noch nicht, seien aber gerade bei freige­mein­nüt­zi­gen, also von Kirchen oder Stiftun­gen getra­ge­nen Häusern, sowie bei priva­ten Kranken­häu­sern nicht auszu­schlie­ßen. Sie sind für 18.000 von 54.000 Betten zustän­dig. Der Rest entfällt auf die Träger wie Landkrei­se und Städte.

Die Hilfe des Bundes in Höhe von bundes­weit sechs Milli­ar­den Euro wird nach Schef­folds Einschät­zung die Lage nicht entspan­nen. Denn davon seien 4,5 Milli­ar­den Euro zum Ausgleich für die steigen­den Energie­prei­se und 1,5 Milli­ar­den Euro für erhöh­te Kosten für Lebens­mit­tel, Dienst­leis­tun­gen und medizi­ni­schen Produk­te vorge­se­hen. In der Praxis stelle sich aber der Schwer­punkt des Bedarfs umgekehrt dar. «Die Infla­ti­ons­ri­si­ken abseits der Energie­kos­ten drohen zum großen Teil bei den Kranken­häu­sern hängen zu bleiben», sagte Scheffold.

Der Landrat des Alb-Donau-Kreises forder­te, dass die Regie­rungs­kom­mis­si­on zur grund­le­gen­den Reform der Kranken­haus­land­schaft die Bundes­län­der, Kranken­häu­ser und Kranken­kas­sen in ihre Arbeit einbe­zie­he. Die Kranken­haus­ver­sor­gung dürfe nicht von Berlin aus zentral gesteu­ert werden. Entschei­dend für die Bewer­tung der Reform werde auch sein, inwie­weit die baden-württem­ber­gi­sche Beson­der­hei­ten — überdurch­schnitt­li­ches Lohnni­veau und ein bereits günsti­ges Verhält­nis zwischen Betten und Einwoh­ner­zah­len — in dem refor­mier­ten Vergü­tungs­sys­tem berück­sich­tigt würden. Wichtig sei jetzt, dass alle Betei­lig­ten ins Gespräch kämen und eine Hänge­par­tie vermie­den werden.

SPD und FDP im Landtag forder­ten Gesund­heits­mi­nis­ter Manne Lucha (Grüne) auf, die Kranken­häu­ser im Land zukunfts­fest aufzu­stel­len. Dazu müsse er klarzu­stel­len, wie viele Betten und Behand­lungs­plät­ze auf welchem Niveau im Land und den Regio­nen gebraucht würden.

Zugleich kündig­te Lucha an, für die bereits vom Land geför­der­ten Baupro­jek­te weite­re 108 Millio­nen Euro bereit­zu­stel­len. Grund: enorm gestie­ge­ne Bauprei­se. Die Finanz­sprit­ze solle sicher­stel­len, dass begon­ne­ne und bewil­lig­te Baumaß­nah­men auch wirklich fertig­ge­stellt werden. Welche der bereits laufen­den Projek­te konkret geför­dert werden, wird laut Gesund­heits­mi­nis­te­ri­um aktuell geprüft. Im Länder­ver­gleich zahlt Baden-Württem­berg laut BWKG mit 515 Milli­on Euro 2022 im Länder­ver­gleich überdurch­schnitt­lich viel für Inves­ti­tio­nen. Benötigt würden aber 800 Millio­nen Euro.