BERLIN (dpa) — Schnee­witt­chen wird er zum Verhäng­nis. Auch Troja hat er quasi auf dem Gewis­sen. Und die Eidge­nos­sen stricken ein Sagen-Brimbo­ri­um um den Apfel. Es zeigt sich: Er ist mehr als nur eine Frucht.

Er ist ein Symbol für Liebe und Schön­heit. Den Deutschen ist er die liebs­te Frucht. Die Obst- und Gemüse-Erzeu­ger rufen jährlich am 11. Januar den «Tag des deutschen Apfels» aus, um «auf die Quali­tät und Vielfalt heimi­scher Sorten aufmerk­sam» zu machen.

Doch nimmt der Apfel nicht nur auf dem Obsttel­ler einen beson­de­ren Platz ein — sondern auch in der Kultur:

«Für die Schönste»

Eine golde­ne Frucht mit diesen eingra­vier­ten Worten wird zum Zankap­fel zwischen den griechi­schen Göttin­nen Hera, Athene und Aphro­di­te. Der junge Paris soll entschei­den, wem der Apfel gebührt. Aphro­di­te erhält den Preis, weil sie den troja­ni­schen Prinzen mit der Hand der schöns­ten Frau auf Erden, Helena, besticht. Das folgen­de Schick­sal ist seit Homers «Ilias» viel erzählt: Helenas geprell­ter Ehemann Menela­os und seine griechi­schen Verbün­de­ten ziehen gegen Troja, der Krieg dauert zehn Jahre. Am Ende ist die Stadt dem Erdbo­den gleich­ge­macht. Und das alles wegen eines einzi­gen Apfels.

Nicht weit vom Stamm

Der Legen­de nach grübel­te Isaac Newton darüber, warum Plane­ten unent­wegt umein­an­der kreisen. Erst durch einen vom Baum fallen­den Apfel (Sorte: «Flower of Kent») soll der briti­sche Physi­ker vor rund 350 Jahren erkannt haben, dass sich Massen gegen­sei­tig anzie­hen: sowohl die Erde die Frucht als auch umgekehrt. Nur ist das Gewicht der Erde so gewal­tig groß, dass man die Auswir­kung der Anzie­hung durch den Apfel nicht beobach­ten kann. Unabhän­gig vom Wahrheits­ge­halt der Anekdo­te: Newtons Geset­ze zu Schwer­kraft und Gravi­ta­ti­on erklä­ren Welt und Univer­sum seit jeher.

Zielge­rich­tet angelegt

Dritter Aufzug, dritte Szene: «Das war ein Schuss!», heißt es zum Höhepunkt des berühm­ten Theater­stücks von Fried­rich Schil­ler. «Davon wird man noch reden in den späts­ten Zeiten.» Wohl wahr. Regel­mä­ßig geht es am Schau­platz in Altdorf (Kanton Uri) erneut um den berühm­ten Apfel auf dem Kopf seines Sohnes, den der Schwei­zer Freiheits­kämp­fer Wilhelm Tell mit dem Pfeil aus der Armbrust treffen muss. Die nächs­ten Tellspie­le mit einer Neuin­sze­nie­rung des Dramas sind für 2024 geplant.

Adams Apfel

Es ist die Ursün­de im Garten Eden. Die nach bibli­scher Überlie­fe­rung ersten Menschen Adam und Eva übertre­ten das Verbot Gottes und naschen vom Baum der Erkennt­nis. Im Buch Genesis ist bloß von einer «Frucht» die Rede. Es wird davon ausge­gan­gen, die Veren­gung auf den Apfel gehe wohl auf ein Wortspiel mit dem latei­ni­schen Begriff «malum» zurück: Bei kurzem «a» bedeu­tet er «Unheil», mit langem Vokal «Apfel». Bei den Chris­ten ist die Frucht in Verbin­dung mit Jesus auch ein Symbol für die Hoffnung auf Erlösung.

Adams­ap­fel

Der hat natür­lich auch irgend­wie etwas mit dem Sünden­fall im Paradies zu tun. Dem Volks­glau­ben nach ist Adam das abgebis­se­ne Stück im Hals stecken geblie­ben und so zum Stigma der Männer gewor­den. Biolo­gisch gesehen ist es der Teil des Schild­knor­pels am Kehlkopf. Dieser Knorpel besteht aus zwei Gewebe­schich­ten, die bei Männern im Winkel von 90 Grad verbun­den sind, bei Frauen im Winkel von 120 Grad. Wegen des Testo­ste­rons wächst der Adams­ap­fel in der Puber­tät und tritt dann stärker hervor als bei Frauen.

Es war einmal ein Apfel

«Den roten Backen iss, den weißen will ich essen», säuselt die böse Stief­mut­ter. Es scheint das Todes­ur­teil für Schnee­witt­chen im Märchen der Brüder Grimm zu sein. Vom gifti­gen Teil der angebo­te­nen Frucht beißt sie ab und sinkt zu Boden. Bei den Grimms holt später aber nicht etwa der Kuss des Prinzen — wie bei Disney verklärt — das Mädchen ins Leben zurück, sondern ganz profan die Tollpat­schig­keit seiner Diener: Mit dem Sarg auf den Schul­tern stolpern sie, und «der gifti­ge Apfel­grütz» fährt aus dem Hals.

Der große Apfel

Warum New York überhaupt den Spitz­na­men «Big Apple» trägt, ist nicht mehr genau nachvoll­zieh­bar. Die Wortkom­bi­na­ti­on wurde bereits zuvor unabhän­gig von der Metro­po­le benutzt, um etwas als das Bedeu­tends­te seiner Art anzuse­hen, wie die New York Public Libra­ry schreibt. In Verbin­dung mit New York ist der Begriff 1909 in einem Buch dokumen­tiert: Der Mittle­re Westen neige zu der Ansicht, «dass der Big Apple einen unver­hält­nis­mä­ßig großen Anteil am natio­na­len Saft erhält». Doch erst als ein Sport­jour­na­list in den 1920er Jahren eine Kolum­ne über Pferde­ren­nen mit dem Titel «Around the Big Apple» startet, wird die Verwen­dung populär.

Von Sebas­ti­an Fischer, dpa