BERLIN (dpa) — Am Montag geht im öffent­li­chen Verkehr vielfach nichts mehr: Zwei Gewerk­schaf­ten rufen zu großan­ge­leg­ten Warnstreiks bei Bahnen, Flughä­fen und in der Schiff­fahrt auf. Worauf sich die Menschen einstel­len müssen.

Wer an diesem Montag zu Hause arbei­ten kann, hat Glück. Für Pendler und Reisen­de hinge­gen wird es ein anstren­gen­der Tag: Nahezu der gesam­te öffent­li­che Verkehr steht aufgrund eines Warnstreiks der Gewerk­schaf­ten Verdi und EVG weitge­hend still. Der Fern- und Regio­nal­ver­kehr auf der Schie­ne sind ebenso betrof­fen wie der öffent­li­che Nahver­kehr in mehre­ren Bundes­län­dern sowie fast alle Flughä­fen. Was Reisen­de wissen sollten und wie weiter geht:

In welchem Umfang ist die Bahn betroffen?

Die Eisen­bahn-und Verkehrs­ge­werk­schaft (EVG) ruft insge­samt rund 230.000 Beschäf­tig­te bei rund 50 Eisen­bahn-Unter­neh­men zum Arbeits­kampf auf. Der Eisen­bahn­ver­kehr in Deutsch­land wird daher nahezu vollstän­dig zum Erlie­gen kommen. Die Deutsche Bahn stellt den Fernver­kehr ein. Auch die meisten Regio­nal- und S‑Bahnen fallen aus — unabhän­gig für welches Unter­neh­men sie unter­wegs sind.

Welche Verkehrs­be­rei­che werden noch bestreikt?

Im Organi­sa­ti­ons­be­reich von Verdi liegt der öffent­li­che Nahver­kehr. Busse, Straßen- und U‑Bahnen in den Bundes­län­dern Hessen, Nordrhein-Westfa­len, Baden-Württem­berg, Sachsen, Nieder­sach­sen, Rhein­land-Pfalz und in weiten Teilen Bayerns sollen am Montag in den Depots bleiben.

Bestreikt werden von Verdi auch in großem Umfang die deutschen Flughä­fen — laut Flugha­fen­ver­band ADV können etwa 380.000 Geschäfts- und Privat­rei­sen­de nicht abheben. Etwa am größten Airport in Frank­furt kommt der Passa­gier­ver­kehr zum Erlie­gen. Am Flugha­fen München gibt es sogar am Sonntag und Montag keinen regulä­ren Flugbetrieb.

Einge­schränkt werden soll auch die Schiff­fahrt. Am Hambur­ger Hafen etwa sollen große Schif­fe nicht einlau­fen können. Zudem ist die Autobahn­ge­sell­schaft betrof­fen, die für den siche­ren Betrieb auf den bundes­ei­ge­nen Fernstra­ßen zustän­dig ist.

Was kommt auf Autofah­re­rin­nen und Autofah­rer zu?

Auf den Straßen dürfte es sehr voll werden, zumal in den Städten, in denen auch der Nahver­kehr bestreikt wird. Zunächst war befürch­tet worden, dass sogar Tunnel gesperrt werden müssten, weil diese nicht mehr überwacht werden könnten. Die Autobahn­ge­sell­schaft wies diese Befürch­tung zurück und verwies auf geplan­te Notdienstvereinbarungen.

Wann beginnt der Großstreik genau?

In der Nacht auf Montag um 00.00 Uhr soll es losge­hen — 24 Stunden soll der Ausstand andau­ern. EVG-Chef Martin Burkert empfahl Reisen­den ausdrück­lich, am Sonntag recht­zei­tig am Ziel zu sein. Auf offener Strecke sollen Reisen­de aber nicht stranden.

Wie geht es am Tag danach weiter?

Vieler­orts werden die Auswir­kun­gen des Warnstreiks auch am Diens­tag noch zu spüren sein. Im Fernver­kehr der Deutschen Bahn etwa wird es dauern, bis die ICE- und IC-Züge wieder dort sind, wo sie gebraucht werden. Es sei daher vor allem im Tages­an­lauf weiter mit Zugaus­fäl­len zu rechnen, teilte die Bahn mit. Auch an den Flughä­fen sind Auswir­kun­gen noch am Diens­tag möglich.

Wird es schon bald weite­re große Streik­ta­ge geben?

Der große gemein­sa­me Streik­tag ist eine länger geplan­te, aber zunächst einma­li­ge Aktion der betei­lig­ten Gewerk­schaf­ten. Verdi will mit dem Warnstreik pünkt­lich zum Start der dritten Verhand­lungs­run­de für den öffent­li­chen Dienst am Montag in Potsdam den Druck auf die Kommu­nen und den Bund erhöhen. Wenn sich beide Seiten nun in Potsdam einigen, könnte die Eisen­bahn­ge­werk­schaft EVG mögli­che weite­re Bahnstreiks ohnehin nicht mehr im Schul­ter­schluss mit Verdi machen. Aber angesichts der konfron­ta­ti­ven Situa­ti­on sind weite­re Ausstän­de auch im öffent­li­chen Dienst längst nicht vom Tisch.

Worum geht es bei der Bahn?

Die EVG kämpft mit rund 50 Eisen­bahn-Unter­neh­men um mehr Geld — beson­ders im Blick: die Deutsche Bahn. Bei den Eisen­bah­nen beginnt die zweite Verhand­lungs­run­de kommen­de Woche. Mit der Deutschen Bahn will die EVG in diesem Rahmen Ende April wieder zusam­men kommen. Zeit für weite­re Bahn-Warnstreiks ist also vorhanden.

Könnte es dann den Oster­ver­kehr treffen?

EVG-Chef Martin Burkert schließt Warnstreiks zu Ostern grund­sätz­lich nicht aus. Gleich­wohl gab die Gewerk­schaft zuletzt zu verste­hen, sie habe die Inter­es­sen von Oster­rei­sen­den im Blick.

Ist der gemein­sa­me Streik­tag rechtens?

Das Recht zur Bildung von Gewerk­schaf­ten ist im Grund­ge­setz festge­schrie­ben, Arbeits­kämp­fe sind recht­lich geschützt. Auch die Bundes­re­gie­rung verwies auf das Grund­recht auf Streik. Warnstreiks im öffent­li­chen Dienst und bei der Bahn sind also nach dem Ende der Friedens­pflicht rechtens — Kritik gibt es aber daran, dass die Gewerk­schaf­ten beide verschrän­ken. Die Verhand­lungs­füh­re­rin der Kommu­nen, Karin Welge, sagt: «Am Ende kann keiner mehr nachvoll­zie­hen, wegen welcher Tarif­run­de wo genau gestreikt wird.» Arbeit­ge­ber­prä­si­dent Steffen Kampe­ter meint: «Großstreiks, die ein Land lahmle­gen sollen, sind keine Warnstreiks.»

Erschwert der Super­streik­tag die Verhandlungen?

Die kommu­na­le Topver­hand­le­rin Welge ist jeden­falls «ein bisschen sauer», wie sie sagt. Den Gewerk­schaf­ten wirft die Oberbür­ger­meis­te­rin von Gelsen­kir­chen vor, so zu tun, als seien keine Kompro­mis­se denkbar. Dabei solle nun in Potsdam ein Ergeb­nis gefun­den werden. Aller­dings sind Gewerk­schaf­ten und Arbeit­ge­ber weit vonein­an­der entfernt: So wollen die Gewerk­schaf­ten für die 2,5 Millio­nen Beschäf­tig­ten der Kommu­nen und des Bundes wegen der hohen Infla­ti­on 10,5 Prozent mehr Einkom­men über 12 Monate heraus­ho­len, mindes­tens 500 Euro mehr. Die Arbeit­ge­ber wollen keinen Mindest­be­trag — und bieten 5 Prozent mehr Lohn über 27 Monate.

Welche Szena­ri­en sind denkbar?

Verdi-Chef Frank Werne­ke stellt auf Kundge­bun­gen im ganzen Land seit Wochen Speku­la­tio­nen über ein mögli­ches vorläu­fi­ges Schei­tern an. Die mögli­chen Szena­ri­en umfas­sen eine Einigung in Potsdam, ein Schlich­tungs­ver­fah­ren, eine Verab­re­dung zu einer weite­ren Runde oder auch Urabstim­mung und Erzwingungsstreik.

Von Matthi­as Arnold und Basil Wegener, dpa