BERLIN (dpa/tmn) — Das Grillen ist für viele Menschen eine große Leiden­schaft, aber auch nicht ganz ungefähr­lich. Das zeigen jährlich Tausen­de Grill­un­fäl­le. Etwa durch Spiri­tus oder nicht ganz ausge­kühl­te Kohlereste.

Grillen — das kann ich. Sagen sich viele, sie stehen ja auch schon seit Jahren am Grill und berei­ten jeden Sommer Berge an Fleisch zu.

Trotz­dem gibt es jedes Jahr nach Schät­zung der Deutschen Gesell­schaft der Plasti­schen, Rekon­struk­ti­ven und Ästhe­ti­schen Chirur­gen (DGPRÄC) auch etwa 5000 Grill­un­fäl­le. Die mögli­che Folgen von starken Verbren­nun­gen sind schwer­wie­gend, bleiben­de Beein­träch­ti­gun­gen sind möglich. Und beson­ders die Kleins­ten sind oft die Leidtra­gen­den — neugie­ri­ge Kinder, die sich der Flamme nähern.

Bei ihnen seien nach Grill­un­fäl­len mit Spiri­tus oft mehr als 50 Prozent der Körper­ober­flä­che verbrannt, berich­tet Adelheid Gottwald, stell­ver­tre­ten­de Vorsit­zen­de von der Initia­ti­ve «Paulin­chen» für brand­ver­letz­te Kinder aus Norder­stedt. Was läuft da schief?

Hefti­ge Verbren­nun­gen durch Grillanzünder

Der Grill will einfach nicht heiß werden? Wer greift da nicht schon mal schnell zum flüssi­gen Grill­an­zün­der und hilft nach. «Die häufigs­ten Verlet­zun­gen, die wir nach Grill­un­fäl­len erleben, entste­hen durch unsach­ge­mä­ßes Starten des Grills», sagt dazu Prof. Henrik Menke, DGPRÄC-Vizeprä­si­dent und Leiter des Referats Verbrennung.

Beschleu­ni­ger wie Spiri­tus, Alkohol oder gar Benzin erhöhen die Hitze im Grill extrem und können so unkon­trol­lier­bar werden für den Grillen­den. Sogar explo­si­ons­ar­ti­ge Verpuf­fun­gen sind möglich, so der Medizi­ner Menke. Beson­ders das Gesicht und unbedeck­te Hautstel­len am Körper können hier schnell großen Schaden nehmen. Die Alter­na­ti­ve? Prof. Menke rät, zerti­fi­zier­te Grill­an­zün­der zu nutzen. Zum Beispiel tragen diese das «DIN-Geprüft»-Zeichen.

Plastik verklebt mit der Haut

Einer der üblichen Sicher­heits­tipps lautet: Flattern­de Kleidung, vor allem aber Kunst­fa­sern sollten nicht am Grill getra­gen werden. Aber ist das eigent­lich so schlimm, wenn es sich entzün­det? Ja, denn synthe­ti­sche Beklei­dung schmilzt durch die Hitze des Grills, erklärt der Chirurg Prof. Menke.

Und durch den engen Kontakt, den das Materi­al mit der Haut hat, wird die extre­me Wärme in tiefe Hautschich­ten trans­por­tiert und richtet dort großen Schaden an. «Man darf das Materi­al dann nicht einfach abrei­ßen, wenn es mit der Haut verklebt ist, sondern muss es vorsich­tig ablösen, damit man nicht auch Hautan­tei­le abreißt», so Menke.

Kinder tapsen auf vermeint­lich ausge­kühl­te Kohle

Eltern kennen das — und trotz­dem passiert es immer wieder. Die neugie­ri­gen Kinder gehen an den Grill, wenn dieser leerge­räumt ist. «Alle freuen sich, essen zusam­men und trinken. Keiner achtet mehr darauf, was mit der glühend heißen Kohle passiert. Beson­ders hier muss man auch auf die Kinder schau­en», erzählt Prof Menke.

Doch der Grill allei­ne ist da nicht das Problem: Glut, etwa wenn sie im Sand, am Fluss­ufer oder im Park vergra­ben oder einfach nur in einer Garten­ecke entsorgt wird, kann noch tagelang heiß bleiben. «Wir haben wirklich schwe­re Verlet­zun­gen an Füßen oder auch an Händen bei Kindern, die dann einen Tag oder zwei Tage später barfuß da reintre­ten», berich­tet Gottwald von der Initia­ti­ve «Paulin­chen» für brand­ver­letz­te Kinder.

Verlet­zun­gen müssen oft jahre­lang behan­delt werden

Ein unacht­sa­mer Moment und Unbedacht­heit beim Grillen kann also für Erwach­se­ne wie Kinder lebens­lan­ge Konse­quen­zen haben. Bei schwe­ren Verbren­nun­gen folgen oft monate­lan­ge statio­nä­re Behand­lun­gen und fortlau­fen­de Reha-Maßnah­men, sagen beide Experten.

«Häufig entste­hen dauer­haf­te Vernar­bun­gen, die den Patien­ten sein Leben lang beglei­ten», ergänzt der Medizi­ner Menke. Gerade im Gesicht, an Hals und Händen seien diese oft ja auch auf den ersten Blick zu erken­nen und damit schwer belas­tend für den Betrof­fe­nen. Zudem könne die Bewegung bei struk­tur­ge­schä­dig­tem Gewebe einge­schränkt bleiben.

Neben dieser Belas­tung wiege bei verun­glück­ten Kindern auch der Schmerz der Angehö­ri­gen schwer, sagt Gottwald — auch durch die Zuwei­sung von Schuld. «So ein Unfall ist wahnsin­nig trauma­tisch — für das Kind, die Familie und alle, die es miterleben.»

Von Josefi­ne Kauke­mül­ler, dpa