Klar, beque­me Sessel und ein schwe­rer Vorhang gehören bei vielen Kinos dazu. Doch einige punkten auch noch mit etwas ganz Beson­de­rem, wie einer origi­nel­len Innen­ein­rich­tung oder einem hübschen Design.

BERLIN (dpa) — Nach einem monate­lan­gen Dornrös­chen­schlaf werden auch bei uns hoffent­lich schon bald wieder die Kinos öffnen. Viele Filmfreun­de warten schon sehnsüch­tig auf den Neustart — und darauf, endlich das Lieblings­ki­no wiederzusehen.

Bundes­weit gibt es solche Kino-Schät­ze, die etwas Beson­de­res bieten: indus­tri­el­len Charme oder prunk­vol­le Säulen, Jugend­stil-Elemen­te oder Neugotik.

KINO INTERNATIONAL IN BERLIN: Wer gerade «Das Damen­gam­bit» bei Netflix geschaut hat, könnte manches wieder­erken­nen. Einige Szenen sind im Berli­ner Kino Inter­na­tio­nal gedreht. Das Gebäu­de liegt ein paar Gehmi­nu­ten vom Alexan­der­platz entfernt. Eröff­net wurde es 1963 im Ostteil der Stadt, in der DDR wurden hier viele Filmpre­mie­ren gefei­ert. Am 9. Novem­ber 1989 feier­te hier noch Heiner Carows «Coming Out» Premie­re. Und die Berli­ner Mauer fiel. Bis heute wird das Kino neben Filmvor­füh­run­gen auch für Veran­stal­tun­gen genutzt. Vertä­fel­te Wände. Eine große Front. Kristall­leuch­ter. Wer seinen Besuch beein­dru­cken will, nimmt die Tanten und Bekann­te mit hierher.

FILMTHEATER WELTSPIEGEL IN COTTBUS: In der Innen­stadt von Cottbus schlum­mert derzeit das Filmthea­ter Weltspie­gel — es gilt als ältes­ter Kinobau Branden­burgs. Das unter Denkmal­schutz stehen­de Gebäu­de wurde 1911 eröff­net. Widder­köp­fe und Putten schmü­cken das Portal; im Inneren ist das mit Rosémar­mor gestal­te­te Jugend­stil­trep­pen­haus noch gut erhal­ten. Der Saal mit seiner blatt­ver­gol­de­ten Kasset­ten­de­cke und dem schwung­vol­len Rang zeugt noch immer von der luxuriö­sen Ausstat­tung zu Beginn des vergan­ge­nen Jahrhun­derts. 1998 wurde der Spiel­be­trieb einge­stellt und der Weltspie­gel bis 2002 ledig­lich für das jährlich statt­fin­den­de Cottbu­ser Filmfes­ti­val des jungen Osteu­ro­päi­schen Films genutzt. Zur Wieder­eröff­nung im Mai 2011 kam dann ein Hauch von Holly­wood nach Cottbus: Regis­seur Wim Wenders präsen­tier­te seinen 3D-Dokumen­tar­film «Pina» und war begeis­tert vom Kino, wie es auf der Websei­te des Filmthea­ters hieß.

FILMTHEATER SENDLINGER TOR IN MÜNCHEN: Zur Eröff­nung der «Sendlin­ger­tor-Licht­spie­le» am 18. Oktober 1913 gab es für die Ehren­gäs­te goldbe­druck­te Einla­dun­gen. 1915 schau­te sogar der bayeri­sche König Ludwig III. vorbei. Bis heute lieben viele Menschen in München das Filmthea­ter Sendlin­ger Tor. Mit seinen roten Sesseln, dem Samtvor­hang, dem geschwun­ge­nen Balkon, den Säulen und einer Loge erinnert es an Zeiten, als die Bilder gerade Laufen gelernt hatten. Viele Filmpre­mie­ren fanden in dem histo­ri­schen Saal schon statt.

Die Zukunft ist aber nicht ungetrübt. Mit einem Teil der Eigen­tü­mer des Gebäu­des tobt ein Rechts­streit. Doch Betrei­ber Chris­toph Press­mar gibt die Hoffnung nicht auf. «Das Kino ist 107 Jahre alt und es ist ein Zeitdo­ku­ment.» Die Zeiten seien schwie­rig, auch wegen Corona. «Aber wir wollen das Kino retten.» Notfalls über den Denkmal­schutz, denn nach Ansicht Press­mars ist nicht nur das Gebäu­de schutz­wür­dig, sondern auch das mehr als 100 Jahre alte Kino.

SAVOY IN HAMBURG: In Hamburg gibt es ebenfalls kleine Kinoschät­ze, die von Filmlieb­ha­bern gern besucht werden, darun­ter mehr als ein Dutzend kleine­re Programm­ki­nos. Dabei bleiben der Filmför­de­rung Hamburg Schles­wig-Holstein FFHSH vor allem das «Savoy» und die «Passa­ge» in Erinne­rung. «Mit seinen 70mm-Projek­tio­nen und den Filmen im Origi­nal­ton sticht das wunder­schö­ne Savoy beson­ders hervor. Beina­he jede Vorfüh­rung findet auf Englisch statt — und in gemüt­li­chen Sesseln.» Auch der Schau­spie­ler Peter Lohmey­er (59) kann und will sich nicht entschei­den, wenn er sein Lieblings­ki­no in der Hanse­stadt benen­nen soll. «Das Schöne ist, jedes hat eine andere Atmosphä­re. Manch­mal gehe ich auch wegen dem einen Film in das Kino und wegen eines anderen Films in das andere. (…) Manch­mal habe ich so Vorlie­ben», sagte der Wahlham­bur­ger der Deutschen Presse-Agentur.

LICHTHAUS KINO IN WEIMAR: Früher wurde auf dem Gelän­de an Straßen­bah­nen gewer­kelt, nun gehört es zu den origi­nel­len Kinos in Thürin­gen — das Licht­haus Kino in Weimar. Der Clou: Es befin­det sich in einem alten Straßen­bahn­de­pot. Von außen erinnert der rote Backstein­bau mit den großen Toren noch immer an die indus­tri­el­le Vergan­gen­heit. Auch im Inneren setzt man mit unver­putz­ten Wänden auf einen eher rusti­ka­len Charme, was für eine einzig­ar­ti­ge Atmosphä­re beim Kinobe­such sorgt. Das Programm ist von Arthouse-Filmen geprägt. Außer­dem ist die Zusam­men­ar­beit mit der Bauhaus Univer­si­tät eine Beson­der­heit — so organi­sier­ten sie gemein­sam zum Kunst­fest Weimar etwa schon eine Stummfilm-Retrospektive.

CALIGARI IN WIESBADEN: Schon der Name des Wiesba­de­ner kommu­na­len Kinos «Caliga­ri» stammt aus der Welt des Films — er bezieht sich auf das Werk des expres­sio­nis­ti­schen Stumm­films «Das Cabinet des Dr. Caliga­ri» von Robert Wiene aus dem Jahr 1920. Die imposan­te Filmbüh­ne wurde 1926 als «Ufa im Park» als Stumm­film­thea­ter im neogo­ti­schen Stil erbaut — aber seitdem mehrfach umgebaut und saniert. Der Kinosaal bietet auf Parkett und Rang insge­samt 425 Besuche­rin­nen und Besuchern Platz. «Im Caliga­ri wird Filmge­schich­te präsent gehal­ten», heißt es bei der Stadt Wiesba­den. Der deutsche Film, das europäi­sche Kino würden ebenso gepflegt wie inter­na­tio­na­le Arthouse-Produk­tio­nen, Dokumen­tar- und Kurzfil­me. Das Caliga­ri ist Spiel­ort mehre­rer Film-Festi­vals, darun­ter das Deutsche Fernsehkrimi-Festival.

ORFEOS ERBEN IN FRANKFURT/MAIN: Das Programm­ki­no befin­det sich auf dem ehema­li­gen Gelän­de einer Schrift­gie­ße­rei und will Raum bieten für Kunst und Kultur, für Debat­ten und Kulina­rik. Schon im Vorgän­ger-Kino «Orfeos» haben berühm­te Filme­ma­cher aus der ganzen Welt ihre Werke präsen­tiert. «Jim Jarmusch, Emir Kustu­rica, Aki Kauris­mä­ki, Sally Potter und Andrei Tarkow­ski gingen hier ein und aus», heißt es auf der Homepage. Nachdem das «Orfeos» Ende der 1990er Jahre schlie­ßen musste, wurde es später unter dem Namen «Orfeos Erben» wieder­eröff­net. In dem vielleicht gemüt­lichs­te Kino der Stadt, zu dem auch ein Restau­rant und eine Bar gehören, sitzen Besucher beson­ders stilvoll: die Kinoses­sel sind First-Class-Plätze der Lufthan­sa aus den 1970er-Jahren. Dort können auch Weine oder Drinks aus der Bar genos­sen werden, denn alle Geträn­ke dürfen mit ins Kino.

BURGTHEATER IN SCHLESWIG-HOLSTEIN: In Schles­wig-Holstein gibt es vor allem drei Kinos, die durch ihre Archi­tek­tur, ihre Moder­ne oder ihre jahrzehn­te­lan­gen Tradi­tio­nen aus der Masse der Kinos heraus­ra­gen — das Burgthea­ter Ratze­burg, das Schau­burg-Filmthea­ter in Rends­burg und das Savoy in Bordes­holm. Der Haupt­saal des Burgthea­ters Ratze­burg ist ein ehema­li­ger, klassi­zis­ti­scher Theater­saal. «Ein archi­tek­to­ni­sches Sahne­stück mitten in der Stadt», heißt es von der Filmför­de­rung FFHSH dazu. Im Moment renoviert und moder­ni­siert der Betrei­ber das Kino mit den vier Sälen komplett. «Es wird darauf angelegt sein, dass es sehr persön­lich bleibt», verspricht Betrei­ber Martin Turowski.

DAS NEUE OFF IN BERLIN: Von außen kommt das Kino erstmal unschein­bar daher — das Neue Off liegt im Stadt­teil Neukölln, an der viel befah­re­nen Hermann­stra­ße. Aber drinnen taucht man ab in eine andere Zeit. Schwarz-weiße Kacheln im Foyer, türkis­far­be­ne Sitze und vieles im Stil der 1950er Jahre. Schon vor einem Jahrhun­dert war hier ein Filmthea­ter, in den 1970ern ein Sexki­no. Dann wurde renoviert. Auch jetzt wird die Zwangs­pau­se für Renovie­rungs­ar­bei­ten genutzt. Und selbst wenn das Kino geschlos­sen ist, lohnt ein Blick auf die Fassa­de. Denn auf den Anzei­ge­ta­feln stehen derzeit zwar keine neuen Filmti­tel, dafür aber Durch­hal­te­pa­ro­len. Oder politi­sche Botschaften.

Von Aliki Nassou­fis, Julia Kilian und Silke Nauschütz, dpa