Wer muss die milli­ar­den­schwe­ren Mehrkos­ten von Stutt­gart 21 bezah­len? Um diese Frage geht es seit Montag vor dem Verwal­tungs­ge­richt Stutt­gart. Dort wird über mehre­re Klagen der Deutschen Bahn gegen die Projekt­part­ner von Stutt­gart 21 verhan­delt (13 K 9542/16). Die Bahn will errei­chen, dass sich das Land Baden-Württem­berg, die Landes­haupt­stadt Stutt­gart, der Verband Region Stutt­gart und der Flugha­fen Stutt­gart finan­zi­ell an den Mehrkos­ten für die Neuord­nung des Stutt­gar­ter Bahnkno­tens beteiligen.

Am ersten Termin disku­tier­ten die beiden Seiten zunächst Verfah­rens­fra­gen. Der Vorsit­zen­de Richter Wolfgang Kern beton­te, dass das Gericht das Verfah­ren möglichst verein­fa­chen wolle. «Wir möchten dieses Verfah­ren so rasch wie möglich in der ersten Instanz abschlie­ßen», sagte Kern. Er gehe davon aus, dass es nicht bei der Entschei­dung der Stutt­gar­ter Kammer bleiben werde, sondern dass die Betei­lig­ten vermut­lich Rechts­mit­tel einle­gen würden.

Verfah­ren äußerst kompli­ziert und umfangreich

Das Verfah­ren ist äußerst kompli­ziert und umfang­reich. Einge­reicht wurde die Klage bereits im Jahr 2016. Laut Gericht will die Bahn bis zu 100 verschie­de­ne Klage­an­trä­ge stellen. Am ersten Tag wurde daher vor allem darüber disku­tiert, was die Bahn mit diesen Anträ­gen überhaupt genau errei­chen will — und welche wirklich notwen­dig sind. Das war dem Vorsit­zen­den Richter nicht ganz klar, er versuch­te, die Anträ­ge zu durch­drin­gen und fragte präzi­se nach. Nach einer länge­ren Debat­te, wie ein bestimm­tes Proto­koll zu verste­hen sei, kam er zu dem Ergeb­nis: «Ach du Schan­de! So kompli­ziert ist das?»

Die Deutsche Bahn, die offizi­ell Bauher­rin von Stutt­gart 21 ist, bezif­fert die Gesamt­kos­ten für das Projekt derzeit auf 9,15 Milli­ar­den Euro und hat zusätz­lich einen Puffer von 640 Millio­nen Euro einkal­ku­liert. In einem Finan­zie­rungs­ver­trag aus dem Jahr 2009 ist jedoch nur die Vertei­lung von Kosten bis zu einer Höhe von gut 4,5 Milli­ar­den Euro geregelt. Das Land sicher­te damals eine Betei­li­gung in Höhe von 931 Millio­nen Euro zu, die Stadt Stutt­gart gab 292 Millio­nen, der Flugha­fen betei­lig­te sich mit 227 Millio­nen, und der Verband Region Stutt­gart sicher­te 100 Millio­nen Euro zu.

Mehrkos­ten von mehr als 4,5 Milli­ar­den Euro

Wer die Mehrkos­ten von mehr als 4,5 Milli­ar­den Euro trägt, ist derzeit unklar. Für den Umgang mit mögli­chen Kosten­stei­ge­run­gen wurde im Finan­zie­rungs­ver­trag die sogenann­te Sprech­klau­sel veran­kert. Darin heißt es: «Im Falle weite­rer Kosten­stei­ge­run­gen nehmen die EIU (Eisen­bahn­in­fra­struk­tur­un­ter­neh­men) und das Land Gesprä­che auf.»

Was mit der Sprech­klau­sel genau gemeint ist, ist zwischen den Projekt­part­nern sehr umstrit­ten. Die Bahn geht von einer «gemein­sa­men Finan­zie­rungs­ver­ant­wor­tung» aus und will errei­chen, dass sich die anderen Projekt­part­ner nach dem gleichen Vertei­lungs­schlüs­sel wie im Finan­zie­rungs­ver­trag auch an den Mehrkos­ten betei­li­gen. Die Projekt­part­ner sehen das völlig anders und pochen darauf, dass Festbe­trä­ge verein­bart worden seien.

Eine Entschei­dung in dem Verfah­ren dürfte nicht so schnell ergehen. Die Bahn hat nun zwei Wochen Zeit, um ihre Klage­an­trä­ge zu präzi­sie­ren und einzu­rei­chen. Der nächs­te Verhand­lungs­ter­min findet voraus­sicht­lich am 1. August statt. Dann soll es nicht mehr nur um Verfah­rens­fra­gen gehen, sondern auch um die Frage, ob die Bahn tatsäch­lich einen Anspruch auf eine weite­re finan­zi­el­le Betei­li­gung der Projekt­part­ner hat — und wenn ja, in welcher Höhe.