KOPENHAGEN (dpa) — Omikron fegt derzeit von West nach Ost über Europa. Schon bald werden sich einer Modell­rech­nung zufol­ge mehr als 50 Prozent der Bevöl­ke­rung mit der neuen Varian­te infizieren.

Die Weltge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) warnt unter Berufung auf eine Hochrech­nung davor, dass sich in zwei Monaten schon über die Hälfte der Menschen in Europa mit Omikron infiziert haben könnten.

Omikron stelle eine Flutwel­le dar, die von West nach Ost über die europäi­sche Region hinweg­fe­ge und zu dem Anstieg der Delta-Zahlen hinzu­kom­me, den die Länder bis Ende 2021 erlebt hätten, sagte WHO-Regio­nal­di­rek­tor Hans Kluge auf einer Online-Presse­kon­fe­renz in Kopenhagen.

Omikron werde schnell zur dominan­ten Varian­te in Westeu­ro­pa und verbrei­te sich nun auch auf dem Balkan, sagte Kluge. Angesichts des aktuel­len Ausbrei­tungs­tem­pos prognos­ti­zie­re das Forschungs­in­sti­tut IHME anhand von Modell­rech­nun­gen, dass sich mehr als 50 Prozent der Bevöl­ke­rung in der Region in den nächs­ten sechs bis acht Wochen mit Omikron infiziert haben könnten.

Weg zur Endemie?

Die EU-Arznei­mit­tel­be­hör­de EMA hält es für möglich, dass die rasan­te Ausbrei­tung der Omikron-Varian­te zu einer endemi­schen Lage führen könne. Omikron könne wie ein «natür­li­cher Booster» wirken, sagte Marco Cavale­ri, Leiter der EMA-Abtei­lung biolo­gi­sche Gesund­heits­be­dro­hun­gen und Impfstra­te­gien, auf einer Online-Presse­kon­fe­renz in Amster­dam. «Wenn viele Menschen eine starke Immuni­tät haben, könnte das der Weg zur Endemie sein.»

Eine Endemie ist laut Robert Koch-Insti­tut eine in einer Gegend auftre­ten­de Krank­heit, von der ein größe­rer Teil der Bevöl­ke­rung regel­mä­ßig erfasst wird — wie etwa die Grippe. Das Immun­sys­tem werde dann nicht mehr mit einem neuar­ti­gen Erreger konfron­tiert, sondern sei durch frühe­re Infek­ti­on oder durch Impfung gewappnet.

Model­le zeigen mehr als 12 Millio­nen Infek­tio­nen pro Tag

In einem Bericht des Insti­tuts IHME vom 8. Januar heißt es wörtlich: «Unsere Model­le für die Europäi­sche Region legen nahe, dass Mitte Januar mit mehr als 12 Millio­nen Infek­tio­nen pro Tag ein Höchst­stand erreicht wird – wobei die natio­na­len Höchst­stän­de erheb­lich variie­ren werden, mit späte­ren Höchst­stän­den in Zentral­asi­en.» Und weiter: «Wir rechnen damit, dass sich in den nächs­ten 6–8 Wochen mehr als 50 Prozent der EURO-Bevöl­ke­rung mit Omikron infizie­ren werden.»

Allein in der ersten Woche 2022 seien in der europäi­schen Region mehr als sieben Millio­nen neue Corona-Fälle nachge­wie­sen worden, was mehr als eine Verdopp­lung inner­halb eines Zwei-Wochen-Zeitraums bedeu­te, sagte Kluge. Die Sterbe­ra­te bleibe stabil und weiter­hin in Ländern mit hohen Inziden­zen und niedri­gen Impfzah­len am höchs­ten. Omikron sei in 50 von 53 Ländern in Europa und Zentral­asi­en gemel­det worden. Die WHO-Region Europa reicht weit über die EU hinaus und umfasst 53 Länder. Die Organi­sa­ti­on rechnet auch östli­che Staaten wie Russland, die Ukrai­ne und Länder in Zentral­asi­en dazu.

Drei Botschaf­ten

Kluge nutzte seine erste Online-Presse­kon­fe­renz des Jahres für drei Botschaf­ten: Zum einen rief er Länder ohne bishe­ri­ge Omikron-Zunah­me dazu auf, das verblei­ben­de Zeitfens­ter zu nutzen und Vorkeh­run­gen zu treffen — Omikron breite sich schnel­ler aus als jede andere zuvor gesehe­ne Varian­te des Corona­vi­rus Sars-CoV‑2.

Wo die Omikron-Ausbrei­tung begon­nen habe, müsse die Priori­tät darauf liegen, Auswir­kun­gen auf Anfäl­li­ge zu vermei­den und Störun­gen der Gesund­heits­sys­te­me zu minimi­nie­ren. Drittens ging es Kluge um das Offen­hal­ten der Schulen. Dies sei äußerst wichtig für die Kinder, weshalb Schulen der letzte Ort sein sollten, der geschlos­sen werde — und der erste, der wieder geöff­net werde.