BERLIN (dpa) — 2050 klingt weit entfernt — für den Kampf gegen den menschen­ge­mach­ten Klima­wan­del ist das Jahr aber wichtig. Dürre und Dauer­re­gen bleiben Deutsch­land bis dahin trotz­dem nicht erspart. Im Gegenteil.

Die Hochwas­ser­ka­ta­stro­phe in Nordrhein-Westfa­len und Rhein­land-Pfalz hat neuen Druck im Kampf gegen den menschen­ge­mach­ten Klima­wan­del erzeugt.

Kurz zuvor hatte das Potsdam-Insti­tut für Klima­fol­gen­for­schung (PIK) im Auftrag der Deutschen Bahn eine Analy­se zu klima­ti­schen Verän­de­run­gen in der Bundes­re­pu­blik vorge­legt. Demnach wird es hierzu­lan­de etwa bis 2060 deutlich mehr Hitze­ta­ge und weniger harte Winter geben. Inner­halb der EU ist man sich weitge­hend einig, dass man bis zum Jahr 2050 klima­neu­tral sein will. Die Folgen des Klima­wan­dels aufhal­ten wird man damit laut Exper­ten nicht — höchs­tens abmil­dern. Wie es in Deutsch­land bis dahin ausse­hen könnte, zeigen Klima­for­scher und andere Fachleute.

HITZE: Dass langan­hal­ten­de hohe Tempe­ra­tu­ren mit dem menschen­ge­mach­ten Klima­wan­del verbun­den sind, daran gibt es in der Fachwelt kaum Zweifel. Für die Zukunft wird das die Menschen vor große Heraus­for­de­run­gen stellen, wie Danie­la Jacob betont. Sie ist Meteo­ro­lo­gin und Direk­to­rin des German Insti­tu­te for Clima­te Services (Gerics) in Hamburg. «Um 2050 müssen wir damit rechnen, dass die Sommer­mo­na­te deutlich heißer und trocke­ner sind», so Jacob. Etwa für den Oberrhein­gra­ben bei Karls­ru­he lasse sich schon heute proji­zie­ren, dass sich dort bis zur Mitte des Jahrhun­derts die Zahl der heißen Tage im Vergleich zum Zeitraum von 1970 bis 2000 circa verdop­peln werde.

GESUNDHEIT: Entge­gen der Vorstel­lung von strah­len­dem Sonnen­schein und Urlaubs­at­mo­sphä­re kann «warmes Wetter» sehr schlecht für unsere Gesund­heit sein. «Wenn die Tempe­ra­tur auch nachts nicht unter 20 Grad fällt, bedeu­tet das, dass wir uns nicht richtig ausru­hen können und weniger leistungs­fä­hig sind», erklärt Jacob. Andre­as Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umwelt­for­schung in Leipzig geht davon aus, dass die Hitze das Gesund­heits­sys­tem zusätz­lich belas­ten wird. So könne es etwa zu mehr Kreis­lauf­erkran­kun­gen kommen. Frank­reich habe zum Beispiel 2003 eine große Hitze­wel­le gehabt und als Folge dauer­haft hoher Tempe­ra­tu­ren damals gut 35 000 zusätz­li­che Todes­fäl­le. Deutsch­land sei in dem Jahr weitge­hend verschont geblie­ben, weswe­gen es hierzu­lan­de schlech­te­re Warnsys­te­me für Hitze­wel­len gebe. Bis 2050 werde sich das wahrschein­lich ändern, sagt Marx.

LANDWIRTSCHAFT: Anhal­ten­de Hitze und langer, starker Regen wird Exper­ten zufol­ge auch eine Umstel­lun­gen für dieje­ni­gen bedeu­ten, die sehr auf das Wetter angewie­sen sind. «In der Landwirt­schaft müssen wir auf Sorten setzen, die mit diesen starken Tempe­ra­tur- und Feucht­e­va­ria­tio­nen zurecht­kom­men», sagt Forsche­rin Jacob. Ein Problem ist demnach auch, dass Wasser bis 2050 knapper wird. «Die Landwirt­schaft muss sich so umstel­len, dass sie die Böden nicht so oft bewäs­sern muss», ergänzt sie. Darüber hinaus sollten Landwir­te die Böden aber auch möglichst nicht zu stark austrock­nen lassen. Allge­mein sei es wichtig, die in der Landwirt­schaft erzeug­ten Lebens­mit­tel auch sorgsam zu konsu­mie­ren, betont der Vorsit­zen­de des Deutschen Klima-Konsor­ti­ums, Mojib Latif. Schon heute würden viel zu viel Lebens­mit­tel wegge­schmis­sen. «Da wird eine Menge Energie und Rohstof­fe unnöti­ger­wei­se verschwen­det. Das kann einfach nicht angehen.»

HOCHWASSERSCHUTZ: Als Folge des menschen­ge­mach­ten Klima­wan­dels werde Hochwas­ser mit Blick auf das Jahr 2050 vor allem in Gebie­ten in Nord- und Westeu­ro­pa zuneh­mend eine Bedro­hung darstel­len, sagt Ralf Merz. Der Hydro­lo­ge arbei­tet am Stand­ort Halle an der Saale des Helmholtz-Zentrums für Umwelt­for­schung. Diese Entwick­lung hänge vor allem mit dem sogenann­ten Jetstream zusam­men. Dieser treibt in der oberen Atmosphä­re die Hoch- und Tiefdruck­ge­bie­te über Europa hinweg, wie der Wissen­schaft­ler erklärt. Wegen des Klima­wan­dels habe sich der Strom verän­dert, so dass Hoch- oder Tiefdruck-Syste­me länger an einem Ort stehen bleiben. «Und das ist auch jetzt wieder passiert bei dem Tiefdruck­ge­biet “Bernd”.» Demnach wäre früher ein solches Tief nach zwei Tagen weiter­ge­zo­gen, jetzt ist es an einem Ort stehen­ge­blie­ben — mit verhee­ren­den Folgen.

TOURISMUS: Die Themen Touris­mus und Klima­wan­del sind heute schon eng verbun­den. Zur Mitte des Jahrhun­derts werden sich unsere Urlaubs­zie­le nach Einschät­zung der Meteo­ro­lo­gin Jacob verän­dert haben. Nord- und Ostsee könnten damit rechnen, dass die Sommer dort einmal wärmer und stabi­ler werden. Die Bedro­hung durch den steigen­den Meeres­spie­gel sei dort bis 2050 gering — die deutschen Küsten darauf also «relativ gut vorbe­rei­tet». Kriti­scher werde das jedoch bis zum Ende des Jahrhun­derts. Andere Regio­nen werden laut Exper­ten unter dieser Entwick­lung leiden. «Ich glaube, der Mittel­meer­raum wird in Zukunft nicht mehr so attrak­tiv sein», sagt etwa auch der Vorsit­zen­de des Klima-Konsor­ti­ums, Latif. Laut Jacobs werden dort über 40 Grad in den Sommer­mo­na­ten herrschen. «Das ist für Urlaub zu warm. Diese Regio­nen gehören dann zu den Verlie­rern im Tourismus.»

WOHNEN: Wenn es draußen unerträg­lich warm ist, flüch­ten wir uns auch schon heute gerne in kalte Innen­räu­me. Dass diese auch energie­in­ten­siv mit Klima­an­la­gen runter­ge­kühlt würden, verschär­fe das Problem des menschen­ge­mach­ten Klima­wan­dels, sagt Jacob. Wissen­schaft­ler Marx, Mitglied der Helmholtz-Klima-Initia­ti­ve, empfiehlt daher, Gebäu­de­hül­len wesent­lich besser zu dämmen, «dann hat das auch im Sommer den Effekt, dass Hitze nicht so schnell ins Haus kommt.» Gerade deutsche Städte müssen seiner Einschät­zung nach neu gedacht werden. «Wir brauchen in der Stadt grüne und blaue Infra­struk­tur, das heißt Parkan­la­gen und Gewäs­ser.» So könne man für deutli­che Abküh­lung in heißen Häuser­schluch­ten sorgen. «Das liegt daran, dass Pflan­zen Wasser verduns­ten und dabei Energie wegge­führt wird.»

Dass mehr getan werden müsse, um den Anstieg des Klima­wan­dels zu bremsen, betonen die Exper­ten im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Wir verlas­sen gerade den Wohlfühl­be­reich», warnt etwa Klima­for­scher Latif. «Wie viele Jahrhun­dert­flu­ten hatten wir eigent­lich in den letzten 30 Jahren?» Es sei aber immer noch möglich, die Pariser Klima­zie­le einzu­hal­ten — auch wenn das einer «Herku­les­auf­ga­be» gleiche. Nach Einschät­zung des Hydro­lo­gen Merz ist der Klima­wan­del zwar fortge­schrit­ten, «aber wir stehen hoffent­lich immer noch vor dem Kipppunkt, an dem sich das Klima auf Dauer stark verän­dert. Das heißt, wir müssen jetzt die Entwick­lung aufhal­ten, bevor es zu spät ist.»

Von Jonas Klüter, dpa