STUTTGART (dpa/lsw) — Während der Corona-Pande­mie haben viele Menschen den Wald als Ausflugs- und Erholungs­ziel vor der eigenen Haustür für sich entdeckt. Sehr zum Leidwe­sen von manchen Wildtieren.

In der Corona­kri­se hat es die Menschen verstärkt in den Wald gezogen — darun­ter leiden die dort leben­den Wildtie­re. «Eine inten­si­ve­re Freizeit­nut­zung im Wald birgt zunächst insbe­son­de­re die Gefahr von Störun­gen der Tierwelt, selbst dann, wenn die Perso­nen auf den Wegen bleiben», heißt es in einer Antwort des Minis­te­ri­ums für ländli­chen Raum auf eine Anfra­ge der FDP-Landtags­frak­ti­on. Störungs­emp­find­li­che Arten kämen zwar nicht überall vor, seien durch eine hohe Anzahl von Wande­rern und Radfah­rern im Wald aber deutlich stärker betrof­fen als andere Spezi­es. Dazu zählt das vom Ausster­ben bedroh­te Auerhuhn im Schwarz­wald. Auch der Bund für Umwelt und Natur­schutz (BUND) sieht eine massi­ve Belas­tung der Waldbe­woh­ner: «Für die ist das Stress pur», heißt es von den Umweltschützern.

Der Sprecher für Land‑, und Forst­wirt­schaft der FDP-Frakti­on, Klaus Hoher, begrüßt zwar das wachsen­de Inter­es­se der Menschen am Wald. Aber: «Für die Natur, die dort leben­den Tiere, den Wald sowie die Waldbe­sit­zer hat der massiv gestie­ge­ne Ansturm auch Nachtei­le.» Der Initia­tor der Anfra­ge rief die Landes­re­gie­rung auf, einzu­grei­fen, damit sport­li­che Aktivi­tä­ten nicht unkon­trol­liert und auf illega­len Wegen statt­fin­den. Als Beispiel nannte er das Auswei­sen von Mountain-Bike-Strecken.

Das Minis­te­ri­um verweist zwar auf verschie­de­ne Maßnah­men wie etwa ein Bildungs­mo­dul des Initia­tiv­krei­ses «Respekt Wildtie­re», auf die verein­fach­te Auswei­sung von Wildru­he­ge­bie­ten und die Aufklä­rung durch die Landes­forst­ver­wal­tung. Doch das Ressort von Peter Hauk (CDU) räumt auch ein, dass die ergrif­fe­nen Maßnah­men im Hinblick auf den sehr hohen Besucher­an­drang in Corona­zei­ten und die aktuell vorhan­de­ne Perso­nal­aus­stat­tung aus Sicht der Landes­re­gie­rung insge­samt nicht ausrei­chend sei, um eine «wirksa­me Besucher­len­kung» zu gewährleisten.

Während der Corona­kri­se waren nach einer Umfra­ge der Forst­li­chen Versuchs- und Forschungs­an­stalt die Menschen häufi­ger und länger als zuvor im Wald. Bei einer Umfra­ge im Freibur­ger Stadt­wald stieg die Zahl der Besuche im ersten Lockdown pro Kopf von 2,7 auf 4,2 in der Woche. Außer­dem hielten sich gut 60 Prozent der Befrag­ten länger dort auf als zuvor. Als Haupt­mo­ti­ve gaben sie an, etwas für die Gesund­heit tun, den neuen Alltag besser meistern und Ruhe allei­ne genie­ßen zu können. Rund 70 Prozent der Waldflä­che im Südwes­ten ist sogenann­ter Erholungs­wald, der Rest entfällt auf Schutz­ge­bie­te und forst­wirt­schaft­li­che Nutzung.

Als Folge des Andrangs von Erholungs­be­dürf­ti­gen verklei­nert sich der Lebens‑, Brut- und Aufzuchtsraum der Wildtie­re. Sie vermei­den zu bestimm­ten Jahres- und Tages­zei­ten die von den Freizeit­ak­ti­vi­tä­ten genutz­ten Berei­che, unter­bre­chen die Nahrungs­auf­nah­me oder flüch­ten. «Generell können sich Wildtie­re an Freizeit­ak­ti­vi­tä­ten besser gewöh­nen oder ihr Verhal­ten anpas­sen, wenn diese auf Wegen und immer zu bestimm­ten Tages- oder Jahres­zei­ten statt­fin­den», heißt es in der Antwort des Ministeriums.

Betrof­fen von ausge­dehn­te­ren Aufent­hal­ten im Wald ist auch das Rotwild. Dieses kann laut Minis­te­ri­um länge­re und härte­re Winter überle­ben, indem es sich auf Winter­nah­rung und tiefe Außen­tem­pe­ra­tu­ren einstellt und wenig bewegt. Wird diese «Winter­ru­he» gestört, flüch­te das Wild. Den Energie­ver­lust versu­che das Tier, durch den Verbiss von Bäumen und das Schälen der Rinde auszu­glei­chen. Auf die Dauer werde dadurch eine Popula­ti­on womög­lich so geschwächt, dass ihre Fortpflan­zung gefähr­det sei.

Im Winter beach­te­ten vor allem Schnee­schuh­wan­de­rer und Touren­ge­her das Ruhebe­dürf­nis der Tiere nicht, heißt es in der Minis­te­ri­ums­ant­wort. Insbe­son­de­re Schwarz­wald und Schwä­bi­sche Alb erleb­ten erheb­lich mehr Besucher bei zugleich schwin­den­der Rücksicht auf Wildtie­re und Natur.

Was folgt daraus für die Waldbe­su­cher? Sie müssen sich nach Ansicht des BUND-Umelt­ex­per­ten Fritz Mielert auf ausge­zeich­ne­ten Wegen bewegen, Hunde anlei­nen und Müll mitneh­men. Mountain-Biker sollten nicht querfeld­ein rasen. Unterm Strich begrüßt Mielert aber die Hinwen­dung zu heimi­scher Natur. «Das ist gesamt­öko­lo­gisch gesehen sinnvol­ler als eine Fernrei­se zu machen.»